Eurofighter-Debakel "Die Verteidigungsstrategie von Airbus ist fatal"

Der Streit zwischen Österreich und Airbus wegen des Kaufs von 15 Eurofightern eskaliert. Der Konflikt droht das US-Geschäft zu treffen: Das österreichische Verteidigungsministerium arbeitet an einer Anzeige gegen Airbus.

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Zwei Eurofighter des österreichischen Bundesheeres. Quelle: dpa

Das Wort der „Kannibalisierung“ verheißt meist nichts Gutes. Besonders, wenn der Begriff im Zusammenhang mit milliardenschweren Abfangjägern auftaucht. So staunte Österreichs Öffentlichkeit nicht schlecht, als dessen sozialdemokratischer Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil im März auf eine parlamentarische Anfrage mitteilte, dass zwei der Eurofighter von Airbus vorübergehend als Ersatzteillager für die insgesamt 15 Stück starke Flotte herhalten müssen.

Der Eurofighter Typhoon des Luftfahrtkonzerns Airbus ist das wohl teuerste Ersatzteillager, das mit Steuergeld zu kaufen ist. Seit fast einem Jahrzehnt bewegt das Geschäft um den Ankauf der Eurofighter die Gemüter im Alpenland. 2003 besiegelte Österreich den Kauf von 18 Eurofightern, deren Zahl später auf 15 reduziert wurde. Wert des Geschäfts: 1,8 Milliarden Euro.

Dass das sündteure Kampfgeschwader für Österreichs eher überschaubaren Luftraum eine Nummer zu groß sein könnte, schwante sogar dem Verkäufer. Mit sogenannten Gegengeschäften im Wert von vier Milliarden Euro wollte Airbus der Republik die Anschaffung versüßen.

2007 landete der erste Eurofighter in Österreich. Aufgestiegen sind die Stahlvögel aus dem Hause Airbus seitdem nicht mehr in jenem Ausmaß, wie es das österreichische Bundesheer geplant hatte. „Die Eurofighter können leider nicht alle Aufgaben erfüllen, die sie zur 100-prozentigen Luftraumüberwachung Österreichs erfüllen sollten“, heißt es dazu lapidar aus dem österreichischen Verteidigungsministerium.

Eurofighter-Betriebskosten in Millionenhöhe

Auch die Kosten der wartungsintensiven Wunderwaffe wachsen dem Bundesheer mittlerweile über den Kopf. 2010 betrugen die jährlichen Betriebskosten noch 30 Millionen Euro. Für 2017 rechnet das Ministerium bereits mit Betriebskosten von 80 Millionen Euro. In den nächsten Jahren dürften diese laut Ministerium noch „auf mehr als 100 Millionen Euro per anno steigen“. Doch warum hat Österreich sich überhaupt auf diesen Deal eingelassen?

Diese Frage beschäftigt seit Jahren die Staatsanwaltschaft Wien und diverse Untersuchungsausschüsse des österreichischen Parlaments. So ermittelt seit 2011 die Staatsanwaltschaft Wien wegen möglicher Schmiergeldzahlungen gegen einen Kreis von teils ehemaligen Airbus-Mitarbeitern und deren Umfeld.

Im Fokus stehen dabei die Gegengeschäfte, bei denen sich Österreich über den Tisch gezogen fühlt. Hinzu kommt ein Ermittlungsverfahren in Wien, das sich auch gegen Airbus-Chef Tom Enders richtet. Eingeleitet wurde es durch eine Anzeige des sozialdemokratischen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil, der dem Konzern Betrug vorwirft, was das Luftfahrtunternehmen vehement bestreitet. Airbus drohen durch die Streitigkeiten milliardenschwere Regressforderungen. Und Österreich ist offenbar gewillt, Airbus auch das US-Geschäft zu vermiesen.

Österreich will Airbus bei der US-Justiz anzeigen

So arbeitet das österreichische Verteidigungsministerium an einer Anzeige beim US-Justizministerium. Dort will es Airbus wegen Korruptionsvorwürfen belangen. „Die Anzeige wird vorbereitet“, hieß es vom Ministerium auf Nachfrage der WirtschaftsWoche.

Möglich sei die US-Klage durch den Rahmen der internationalen Korruptionsbekämpfung. Für Airbus könnten die Folgen einer solchen Anzeige gewaltig sein: Sollten die US-Behörden Ermittlungen aufnehmen, könnte das für Airbus den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen in den USA bedeuten.

Airbus weist die Vorwürfe aus Wien vehement zurück. So gehe Airbus davon aus, „dass mit dem eingereichten Volumen aus dem Gegengeschäftsvertrag die vereinbarte Verpflichtung gegenüber der Republik Österreich mehr als erfüllt wurde“. Zudem sei das „das Beschaffen von Gegengeschäften ausschließlich auf Verlangen der Republik Österreich“ erfolgt. „Diese Gegengeschäfte haben zu einer dauerhaften und erfolgreichen Einbeziehung österreichischer Unternehmen in die Wachstumsbranche Luftfahrt beigetragen und wirken langfristig weiter.“

Gegen Doskozil erwägt Airbus nun sogar eine Amtshaftungsklage. Airbus kritisiert „die höchst fragwürdige Vorgehensweise bei der Anzeigenerstattung“ und wirft dem Verteidigungsminister eine „vorverurteilende Informationspolitik“ und „rechtliche Eingriffe in wirtschaftliche Grundrechte“ vor.

Pikantes über den Eurofighter-Deal und dessen Einsatz förderten auch zwei Untersuchungsausschüsse des österreichischen Parlaments zutage: So waren laut dem aktuellen Abschlussbericht während des Jahres 2011 etwa rund „32 Prozent der Eurofighter-Flotte nicht einsatzbereit“. Grund für die Ausfälle: „Fehlende Ersatz- und Umlaufteile.“ Die vom Ministerium vorgesehene jährliche Flugstundenleistung konnte dadurch kein einziger Pilot erbringen.

Der frühere Grünenabgeordnete Peter Pilz, der gerade mit seiner neugegründeten Partei „Liste Pilz“ in den österreichischen Wahlkampf zieht und Mitglied der beiden Untersuchungsausschüsse war, kritisiert das Verhalten von Airbus vehement: „Die Verteidigungsstrategie von Airbus ist fatal. Der Konzern verbaut sich gerade sämtliche Möglichkeiten zu rechtzeitigen Vergleichen. Denn die Klagen von Österreich werden gewaltige zivilrechtliche Ansprüche nach sich ziehen. Je früher Airbus einlenkt, desto höher sind die Chancen, dass der Konzern das überlebt.“

Airbus beklagt hingegen die „gezielten Indiskretionen“, durch die die Öffentlichkeit überhaupt davon erfuhr, dass die Staatsanwaltschaft Wien gegen Enders ermittelt. Zu der Frage, ob Enders im Fall einer möglichen Anklageerhebung gegen ihn zurücktreten würde, teilt Airbus mit: „Es wird nicht zu einer Anklage kommen.“ Das Unternehmen betont, dass „der Verwaltungsrat von Airbus Tom Enders in der letzten Sitzung sein uneingeschränktes Vertrauen ausgesprochen“ habe. Zudem würde ausschließlich in dem Verfahren von 2017 gegen Enders ermittelt.

Um das Debakel um die Eurofighter wieder unter Kontrolle zu kriegen, hat das österreichische Verteidigungsministerium die Sonderkommission "Aktive Luftraumüberwachung" eingerichtet. Deren Ergebnis: Zur „hundertprozentigen Abdeckung“ des österreichischen Luftraums empfiehlt sie den Umstieg von der Eurofighter-Flotte auf ein „Ein-Flotten-System mit 15 bewaffneten Einsitzern und 3 bewaffneten Doppelsitzern an zwei Standorten ab 2020“. Die Eurofighter sollen in dem neuen Kader keine große Rolle mehr spielen. Im Juli gab Doskozil bekannt, dass die Eurofighter ab 2020 schrittweise ausgemustert werden. "Der Eurofighter ist Geschichte", sagte Doskozil.

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