Fipronil-Skandal „Nur mit Seifenlauge lassen sich die Erreger nicht bekämpfen“

Es ist ein Skandal: In Legehennen-Betrieben kam ein sehr effektives Desinfektionsmittel zum Einsatz - das enthielt jedoch das verbotene Fipronil. Ein Problem, das sich wiederholen könnte, warnen Experten.

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Mehr als hundert niederländische Legehennen-Betriebe verwendeten gegen eine Milben-Plage ein Desinfektionsmittel, das Fipronil enthielt. Quelle: dpa

In Hühnerställen fühlt sich die Rote Vogelmilbe so richtig wohl. Die winzigen Ritzen, die Enge, die wohlige Wärme: „Hier finden ihre Eier optimale Verhältnisse“, erklärt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. Der kleine Parasit macht der Branche gerade großen Ärger. Mehr als hundert niederländische Betriebe verwendeten gegen die Milben-Plage ein Desinfektionsmittel, das den giftigen Wirkstoff Fipronil enthält. Millionen Eier mussten entsorgt werden, ein Ende des Skandals ist nicht absehbar.

Der Eier-Markt in Deutschland

Die Verbraucher sind verunsichert, auch deutsche Legehennen-Betriebe stehen unter Verdacht. Im niedersächsischen Landkreis Grafschaft Bentheim musste ein Landwirt Hunderttausende Eier vernichten. Weitere Verdachtsfälle bei Betrieben nahe der niederländischen Grenze hätten sich bislang nicht bestätigt, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg wiederum teilte später mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen niedersächsische Landwirte eingeleitet hat.

Ursache des Skandals ist ein Desinfektionsmittel namens Dega-16. Dabei handelt es sich um ein pflanzliches Mittel mit ätherischen Ölen, dem das in der Landwirtschaft verbotene Insektengift Fipronil beigemischt wurde. Ein niederländisches Dienstleistungsunternehmen hatte es vor einigen Wochen bei dem betroffenen niedersächsischen Betrieb eingesetzt. „Diese Mittel werden von den Behörden geprüft. Unsere Bauern müssen sich darauf verlassen können, dass die dann auch in Ordnung sind“, sagt Branchenvertreter Lohse.

Kritiker wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sehen in der Agrarförderung der EU den Nährboden für die Manipulationen. Es gelte, möglichst viel möglichst günstig zu produzieren. „Daher ist die Versuchung grundsätzlich groß, zu kritischen und mitunter illegalen Mitteln zu greifen und so die Produktion bis zum Maximum auszureizen“, prangerte NABU-Geschäftsführer Leif Miller an.

Der Kostendruck macht keinen Halt vor der Hygiene. Einmal im Jahr müssen Legehennen-Betriebe von Grund auf gereinigt werden. Das geschieht nach dem „Rein-Raus-Prinzip“: Der Stall wird vollständig geleert, ausgemistet, nass gereinigt und getrocknet. Erst dann kann desinfiziert werden. Zusätzlich wird zum Abschluss im leeren Stall häufig flüssiges Silikat aufgetragen, das die Milben vertrocknen lässt. Hundertprozentig sauber ist es aber auch dann nie im Stall, warnen Experten. Schädlinge wie die Rote Vogelmilbe sind hartnäckig – und speziell im Sommer breitet sie sich rasch wieder aus. Es bleibt ein ungelöstes Problem.

Umso wichtiger ist ein effizient wirkendes Desinfektionsmittel. Experten warnen, dass Milben mittlerweile resistent gegen die gängigen Reinigungsprodukte sind. Umso wichtiger ist daher die Entwicklung neuer Insektizide. Die haben jedoch oft ihren Preis. Der Grund, warum ausgerechnet das niederländische Präparat Dega-16 so wirkungsvoll war, ist nun auch klar: Fipronil. „Vielleicht hätte zumindest ein Biolandwirt da stutzig werden können“, bemerkte etwa Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU).

Tatsächlich gelten für Eier aus Bio-Haltung auch bei der Hygiene besondere Standards. Zugelassen sind nur Desinfektionsmittel, die in der Öko-Verordnung der Europäischen Union aufgeführt sind. Vor kriminellen Machenschaften schützt aber auch das die Betriebe nicht. Denn auf Desinfektionsmittel kann ab einer gewissen Betriebsgröße auch kein Bio-Landwirt verzichten. „Nur mit Hochdruckreiniger und Seifenlauge lassen sich die Erreger nicht bekämpfen“, sagt Michael Lohse vom Bauernverband.

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