Als Chef des Münchner Triebwerksbauers MTU gehört Reiner Winkler zu den wenigen Managern der Flugbranche, die Airbus-Chef Tom Enders beneidet. „Die Profit-Margen unserer Zulieferer liegen meist deutlich über unseren“, klagt Enders.
Während Airbus gut sechs Cent vor Steuern und Zinsen von einem Euro Umsatz übrig behält, schafft MTU neun und die Triebwerkssparte des US-Konzerns General Electric (GE) sogar 20 Cent.
Das könnte sich bald ändern. Bereits jetzt wächst der Wettbewerb. So hat sich Rolls Royce gerade - mit einem dem Vernehmen nach sehr aggressiven Angebot - den Großauftrag der Fluglinie Emirates über mehr als 200 Triebwerke für den Superjumbo A380 gesichert. Der Wert: 9,2 Milliarden US-Dollar. „Doch trotz des hohen Werts wird Rolls damit wohl in den ersten Jahren drauf zahlen“, so ein Insider.
Die großen Triebwerkshersteller
Umsatz 2014: 24,0 Milliarden Dollar
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr: +9,5 %
Anteil Rüstung: 17 Prozent
Operativer Gewinn: 5,0 Milliarden Dollar
Abnehmer: Airbus (A320, A380), Boeing (737, 747, 777, 787)
Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 14,5 Milliarden Dollar
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr: +0,0 %
Anteil Rüstung: 45 Prozent
Operativer Gewinn: 2,0 Milliarden Dollar
Abnehmer: Airbus (A320, A380), Boeing (777), Lockheed Martin (Joint Strike Fighter)
Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 13,8 Milliarden Dollar
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr: -3,6 %
Anteil Rüstung: 30 Prozent
Operativer Gewinn: 2,0 Milliarden Dollar
Abnehmer: Airbus (A350, A380)
Quelle: Unternehmen
Umsatz 2014: 4,8 Milliarden Dollar
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr: +9,5 %
Anteil Rüstung: 14 Prozent
Operativer Gewinn: 0,4 Milliarden Dollar
Abnehmer: Airbus (A320, A380, A400M), Boeing (777)
Quelle: Unternehmen
Gefahr aus China
„Das Geschäft steht vor einer Zeitenwende“, sagt Shakeel Adam, Chef der Frankfurter Unternehmensberatung Aviado Partners, die auf die Flugbranche spezialisiert ist.
Zwei Entwicklungen bedrohen die schönen Gewinne. Zum einen hat China angekündigt, einen eigenen Triebwerkshersteller aufzubauen. Das wäre das Ende des heute so lukrativen Oligopols der drei Branchenführer GE, Rolls-Royce in Großbritannien und Pratt & Whitney, einer Tochter des US-Konzerns United Technologies – und würde auch deren großen Zulieferer MTU treffen.
Serviceangebote vs. technische Innovationen
Zum anderen bedrohen die Fortschritte der Vergangenheit das Geschäft der Zukunft. Denn die Turbinen, die zuletzt in Betrieb gingen, sind oft so zuverlässig, dass MTU und Co. immer weniger Geld mit Ersatzteilen und Wartung verdienen. „Der Druck auf die Hersteller ist letztlich ein unerwünschter Nebeneffekt ihres Erfolgs“, urteilt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.
Wie die großen Triebwerkshersteller ihre Motoren effizienter machen
Um gleichzeitig den Verbrauch und den Lärm zu senken, gehen die großen Triebwerkshersteller grundlegend andere Wege. Pratt & Whitney, Tochter des US-High-Tech-Konzerns United Technologies, setzt zusammen mit der Münchner MTU auf eine revolutionäre Neuerung: das Getriebe. Bislang waren alle Triebwerksteile fast starr verbunden und rotierten gleich schnell. Dabei wäre es effizienter, wenn sich der hintere Teil mit der Brennkammer schneller drehte als der vordere mit den großen Triebwerksschaufeln. Das Getriebe, von Pratt und MTU entwickelt, trennt erstmals die Teile. Auch der Turbinenhersteller Rolls-Royce setzt auf die neue Technik.
Der weltgrößte Triebwerksbauer General Electric (GE) hingegen feilt vorerst am bestehenden Turbinenkonzept. In den neuen Leap-Motoren, die GE mit dem französischen Partner Snecma baut, ersetzen besonders widerstandsfähige Keramiken die bisher in der Brennkammer üblichen Metalle. Das ermöglicht höhere Temperaturen von gut 1600 Grad, bei denen der Motor mehr Energie aus dem Flugbenzin herausholt.
Welches Konzept die Nase vorn hat, ist noch offen. "Wenn eine technisch versierte Linie wie die Lufthansa beide Triebwerkstypen bestellt, scheinen sie ähnlich gut zu sein", glaubt Cay-Bernhard Frank, Luftfahrtexperte bei der Unternehmungsberatung A.T. Kearney.
Die Unternehmen versuchen dem Dilemma mit einer Mischung aus neuen Serviceangeboten und technischen Innovationen zu entkommen. „Ich habe in meinen 30 Jahren im Geschäft nie so viele Neuerungen gesehen wie in den vergangenen drei Jahren“, sagt David Joyce, Leiter des GE-Triebwerksgeschäfts.
Fluggesellschaften sollen Triebwerke mieten können
Am auffälligsten ist der Technikschub im Triebwerk selbst. So holen die GE-Motoren mehr Energie aus dem Flugbenzin, weil sie den Sprit dank High-Tech-Keramik bei höheren Temperaturen verbrennen. Und in den gut 30.000 PS starken Motoren von Pratt & Whitney, etwa für den neuen Airbus A320neo, erlaubt ein neuartiges Getriebe, dass alle Teile mit niedrigerer Drehzahl arbeiten und dadurch Sprit sparen.
Umfassender Zusatzservice für Fluggesellschaften
Dazu haben die Hersteller ihre Produktion renoviert. Mit Hilfe von 3-D-Druck und besonders präzise Fertigung gerade von beweglichen Teilen wie Triebwerksschaufeln drücken sie die Herstellungskosten - und den Verbrauch, weil die Turbinen leichter werden und in der Brennkammer selbst weniger Luftverwirbelungen den Verbrennungsprozess stören.
Den Rückgang beim Umsatz wollen die Hersteller vor allem mit einem umfassenden Kundendienst verhindern, mit dem sie die Abnehmer umgarnen. Der beginnt bei der Finanzierung. So sollen die Fluggesellschaften die teuren Triebwerke, die pro Stück bis zu gut zehn Millionen Euro kosten, nicht mehr wie bisher kaufen oder leasen. Stattdessen dürfen sie den Schub mieten, indem sie nur für die tatsächlich abgerufene Triebwerksleistung bezahlen.
Um den Fluggesellschaften dies schmackhaft zu machen, bieten die Hersteller ihnen einen Zusatzservice: Sie erfassen und überlassen ihnen zugleich die Daten der Turbinen während des Flugs und ermöglichen ihnen so zu erkennen, mit welcher Flugweise die Maschinen am kostengünstigsten durch die Luft kommen.
„Damit erzählt jedes Triebwerk auf einer eigene Facebook-Seite, wie es so arbeitet, und wir werten das dann mit Big-Data-Werkzeugen aus“, sagt GE-Triebwerks-Chef Joyce. Das Wissen sollen die Kunden natürlich bezahlen.
Der Amerikaner ist optimistisch, so die Rendite zu halten. „Sorry, Tom“, sagte Joyce unlängst an die Adresse von Airbus-Chef Enders. „Wenn wir alle Neuerungen wie geplant umsetzen, bleiben wir auch künftig rentabler als ihr.“