Ford Fiesta in Köln Neuauflage für den Golf-Bezwinger

Im Ford-Werk in Köln hat die Produktion der achten Fiesta-Generation begonnen. Der Kleinwagen aus dem Rheinland soll wieder den VW Golf als Europas meistverkauftes Auto in Europa ablösen.

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Der neue Bestseller läuft vom Band: Im Ford-Werk in Köln-Niehl hat die Serienproduktion des neuen Fiesta begonnen. Karl Anton, Director Vehicle Operations, Ford of Europe (rechts), Vic Daenen, Leiter Fiesta-Fertigung (zweiter von rechts), Martin Hennig, Vorsitzender des Betriebsrats, Rainer Ludwig, Geschäftsführer Personal- und Sozialwesen, und Mitarbeiter aus der Fertigung präsentieren ein neues Modell des Kleinwagen-Klassikers. Quelle: obs

Köln Der stärkste Applaus brandet ausgerechnet dann auf, als der Name eines Wettbewerbers fällt. „Vor zwei Monaten ist der Fiesta der bestverkaufte Neuwagen in Europa gewesen und hat damit den VW-Golf vom Thron gestoßen“, freut sich Vic Daenen, Werksleiter bei Ford in Köln. Und einen kleinen Seitenhieb wegen des VW-Dieselskandals kann er sich dabei nicht verkneifen: Die Umwelt sei Ford dankbar für die Verkaufserfolge des kleinen Fiesta.

Der Kölner Werksleiter kann sich der Unterstützung seiner Belegschaft sicher sein. Er bekommt dafür nicht nur den Sonderapplaus der Ford-Werker. Jubel ist genauso zu hören wie zustimmendes Pfeifen, in der Y-Halle der Fiesta-Produktion verbreitet sich eine Atmosphäre wie im Fußballstadion. Als dann noch eine Rock-Band auf die Bühne tritt und kölsche Lieder vorträgt, kennt die Feierlaune erst recht keine Grenzen mehr.

Ford in Köln feiert den Produktionsstart der achten Fiesta-Generation. Mehrere Hundert Beschäftigte haben sich vor der Bühne in der Werkshalle versammelt. Prominente Gratulanten sind per Video-Botschaft zugeschaltet: Peter Stöger, Trainer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln, wünscht viel Erfolg mit dem neuen Fiesta, die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker spricht von einem „großartigen Auto“. Dass am Morgen Meldungen aus den USA gekommen sind, wonach der Ford-Konzern weltweit zehn Prozent seiner Stellen abbauen wolle, spielt in diesem Moment keine Rolle. Der Fiesta geht vor, der neue Kleinwagen muss gefeiert werden.

Die Neuauflage des Golf-Bezwingers soll natürlich wieder ein Erfolg werden. Die Erwartungen in Köln sind groß, dass auch die achte Generation des Ford-Kleinwagens zu einem Verkaufsschlager wird. Europa-Chef Jim Farley freut sich über den „Top-Seller, der für uns in Köln für einen Aufbruch steht“. Sein Kollege Karl Anton, bei Ford Europa verantwortlich für Vehicle Operations, spricht von einer „besonderen Leistung, einen Kleinwagen in Köln profitabel zu bauen.“

Das ist es in der Tat. Für BMW oder Mercedes ist es kein Problem, ihre teuren Premium-Limousinen mit deutschen Löhnen in einem deutschen Werk produzieren zu lassen. Bei einem Kleinwagen sind die Renditen deutlich niedriger – entsprechend schwieriger wird es, solch ein Auto in Deutschland wirtschaftlich zu produzieren.

Seit 1979 wird der Fiesta in Köln gebaut, insgesamt 8,5 Millionen Mal. Der überwiegende Teil der Autos geht in den Export, 60 Länder stehen auf der Liste der Ford-Werke. Die Fabrik im Kölner Norden hat sich den Ruf erworben, weltweit zu den produktivsten Automobilfabriken zu gehören. Würde es diese Effizienz bei den Kölner Ford-Werken nicht geben, wäre der Kleinwagen schon längst an einen Standort mit deutlich niedrigeren Löhnen abgewandert.

Beim Fiesta der achten Generation hätte das tatsächlich passieren können. Der Kölner Betriebsratschef Martin Hennig erinnert in der Y-Halle daran, dass vor drei Jahren tatsächlich nach einem Alternativ-Standort für die Fiesta-Produktion gesucht worden ist. Ein Ford-Werk in Rumänien war im Gespräch; dort, wo die Löhne deutlich unter dem deutschen Niveau liegen. Martin Hennig spricht klare Worte: „Es wäre ein riesiges Desaster, wenn es so gekommen wäre.“


Nachtschicht gestrichen

Ist es aber nicht, zum Glück für die 4.000 Beschäftigten in der Kölner Fahrzeugproduktion. Die kommenden fünf oder sechs Jahre sind ihre Arbeitsplätze gesichert. Wenn sich ein Autohersteller erst einmal für einen Standort entschieden hat, lässt sich die Produktion so schnell nicht mehr verlegen. Bis zum Jahr 2022 gilt zudem ein Standortsicherungsvertrag, den der Betriebsrat mit dem Unternehmen abgeschlossen hat.

Doch die Belegschaft musste ihren Anteil dazu leisten, dass auch der neue Fiesta in Köln bleiben darf. Die achte Generation soll auf jeden Fall deutlich produktiver und effizienter hergestellt werden als das Vorgängermodell. Wesentliche Ersparnisse hat Ford allein schon dadurch erreicht, dass die bislang obligatorische Nachtschicht im Kölner Werk komplett gestrichen worden ist. Die teuren Nachtzuschläge fallen dadurch weg, das Unternehmen spart Millionen. Für etliche Ford-Beschäftigte ist der Verzicht auf die Nachtschicht deshalb ein echtes Opfer.

Der neue Fiesta wird nur noch in zwei Tagesschichten produziert, das dann aber eben deutlich kostengünstiger. Was Ford mit dem Modellwechsel erreicht hat, zeigt ein Vergleich: Vom alten Fiesta konnten 600 Autos pro Schicht gefertigt werden, beim neuen sind es schon 700. Außerdem erwartet das Unternehmen von seinen Beschäftigten eine hohe Flexibilität: Wenn die Nachfrage nach dem neuen Fiesta groß ist, darf die Schicht schon einmal um eine halbe Stunde verlängert werden. Samstagsarbeit ist genauso wenig ein Tabu in der Produktion des neuen Fiesta.

Für Betriebsratschef Hennig ist der Produktionsstart „ein wichtiger Tag“ für die Mitarbeiter der Kölner Ford-Werke. Doch er weiß auch, dass der Druck auf die Belegschaft nicht kleiner wird. Es gibt keine Garantie dafür, dass die neunte Generation des Kleinwagens auch wieder in Köln von den Bändern laufen wird.

Spätestens in drei bis vier Jahren wird im Ford-Management mit den Planungen für die nächste Fiesta-Neuauflage begonnen. Wenn die Kölner Belegschaft die gesteckten Produktivitätsziele nicht erreicht, dürfte es mit der Fiesta-Produktion in Deutschland bis weit in das nächste Jahrzehnt hinein sehr schwierig werden. Um den VW Golf als meist verkauftes Autos in Europa abzulösen, muss der Fiesta nicht in Köln von den Bändern laufen. Dann könnte Rumänien ganz schnell wieder zu einer aus Ford-Sicht lohnenswerten Alternative werden.

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