Forschung und Entwicklung Nach Affen-Abgastest prüft VW alle Forschungsvorhaben

Noch einen Skandal kann sich VW nicht leisten. Deswegen prüft der Konzern nun weltweit alle 3000 VW-Forschungskooperationen.

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Nach dem Skandal mit Tierversuchen will der Konzern verstärkt auf Ethik achten. Quelle: imago/blickwinkel

Düsseldorf Volkswagen kann sich über eine hervorragende Jahresbilanz 2017 freuen – doch die Dieselaffäre und der jüngste Skandal um Abgastests mit Affen lassen den Wolfsburger Autokonzern nicht los.

Konzernchef Matthias Müller musste dem Aufsichtsrat am Freitag einen ersten Zwischenbericht über die internen Ermittlungen in Sachen Tierversuche präsentieren. Wie ein Konzernsprecher nach der Sitzung des Kontrollgremiums am Freitagabend sagte, dauerten die internen Untersuchungen im VW-Konzern noch an.

Die skandalöse Abgasstudie mit Tierversuchen war Ende 2012 vom LRRI (Lovelace Respiratory Research Institute, US-Bundesstaat New Mexico) angestoßen und der deutschen Forschungsvereinigung EUGT angeboten worden. Die Autokonzerne Volkswagen, BMW und Daimler waren Gründer und Finanziers der EUGT.

Bei Volkswagen ist die interne Revision vom Vorstand mit den Ermittlungen beauftragt worden. Außerdem helfen die Wirtschaftsprüfer von Deloitte dabei.

Doch der Vorstand hat zusätzlich entschieden, die Ermittlungen auszuweiten. Nun werden sämtliche Versuchs-, Studien- und Forschungsprojekte, an denen das Unternehmen beteiligt war oder ist, von einer unabhängigen Stelle analysieren und prüfen zu lassen.

Diese freiwillige Selbstverpflichtung gehe über die bestehenden Compliance-Vorschriften und -prozesse hinaus, sagte der Konzernsprecher. In Deutschland gibt es bei Volkswagen etwa 1300 Forschungskooperationen, auf internationaler Ebene kommen weitere 1700 dazu.

Die zusätzlichen Untersuchungen werden „voraussichtlich einige Zeit in Anspruch nehmen“. Nach Abschluss der Untersuchungen würden „umgehend alle gegebenenfalls notwendigen Schritte zur Anpassung der entsprechenden Unternehmensregularien eingeleitet“, ergänzte der Sprecher.

Mit anderen Worten: Volkswagen wird Forschungsvorhaben aufkündigen, die gegen Ethik und Moral verstoßen. Intern ist die Rede davon, dass diese Ermittlungen ein Vierteljahr dauern könnten.

Darüber hinaus will der Vorstand, dass ein neuer Katalogs für Ethik- und Moral-Leitlinien im Unternehmen erstellt wird. Konzernchef Müller hat dem Aufsichtsrat diesen Katalog am Freitag präsentiert.

Der Volkswagen-Konzern sei sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung und der ethisch-moralischen Dimension der Vorgänge bewusst und werde alle notwendigen Konsequenzen aus den Erkenntnissen der Untersuchungen ziehen, ergänzte der Sprecher.

Das Unternehmen distanziere sich vehement von allen Formen der Tierquälerei. Bis zum Abschluss der Untersuchungen sei Thomas Steg auf eigenen Wunsch von seinen Aufgaben als Leiter der Konzernaußenbeziehungen entbunden worden. Dieser Bereich von Volkswagen war unmittelbar für die Zusammenarbeit mit der EUGT verantwortlich.

Bei den internen Ermittlungen hat sich inzwischen herausgestellt, dass auch die VW-Entwicklungsabteilung bei den Vorbereitungen der Tierversuche eingebunden war. Volkswagen ist sich inzwischen ziemlich sicher, dass einer der obersten Entwicklungsingenieure die Tierversuche in den USA freigegeben habe.

Volkswagen will sich zudem aus dem Abgaszentrum der Automobilindustrie (ADA) in Weissach in Baden-Württemberg zurückziehen. Es gemeinsam mit Daimler und BMW betrieben. Der VW-Konzern hält 50 Prozent der Anteile, die süddeutschen Autohersteller jeweils 25 Prozent. Auch über diesen geplanten Rückzug wurden die VW-Aufsichtsräte am Freitag informiert.

Begründet wird die Entscheidung damit, dass sich eine solch gemeinsame Forschungseinrichtung nicht vollständig kontrollieren lasse. VW wisse nie zu 100 Prozent, was dort genau passiere, heißt es aus Unternehmenskreisen in Wolfsburg. Volkswagen will auch prüfen lassen, ob es beim ADA möglicherweise ebenfalls Tierversuche gegeben haben könnte. Nach jetzigem Stand sei das jedoch ausgeschlossen.

Es gebe kein Interesse mehr an der gemeinsamen Forschung bei der Abgasnachbehandlung, verlautet aus dem Umfeld von BMW. Das Thema Emissionen werde immer stärker zu einem Wettbewerbsmerkmal, mit dem sich ein Hersteller von seinen Konkurrenten absetzen könne.

Beim Volkswagen-Konzern ist der Rückzug aus dem Abgaszentrum der Automobilhersteller eine weitere Folge der Dieselaffäre und eine Konsequenz des jüngsten Skandals um Abgasversuche mit Affen. Der Wolfsburger Konzern hatte schon im vergangenen Jahr das Ende der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) bewirkt.

Die Tierversuche könnten bei Volkswagen eine neue Offenheit auslösen. Intern ist bereits von einer „Transparenzoffensive“ die Rede. Der Wolfsburger Konzern will sich von allem Ballast aus der Vergangenheit befreien, der das Unternehmen negativ treffen könnte. Ein Thema wie die Affenversuche soll VW kein zweites Mal überraschen.

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