Fusionen Der lange Marsch nach Westen

Die Unternehmen sind im Übernahmefieber. Angetrieben vom billigen Geld und der Digitalisierung kaufen die Deutschen in den USA und die Asiaten in Europa zu, zeigt eine Studie. 2016 dürfte ein weiteres Rekordjahr werden.

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Der chinesische Konzern Midea will seine Beteiligung am deutschen Hightech-Unternehmen ausbauen. Quelle: dpa

Düsseldorf Es soll die größte Übernahme werden, die je ein deutsches Unternehmen gewagt hat: 62 Milliarden Dollar bietet die Bayer AG für den amerikanischen Saatguthersteller Monsanto. Die Leverkusener wollen den mit Abstand größten Agrochemieanbieter der Welt schaffen. Allerdings muss Bayer noch um den Deal bangen: Die Monsanto-Führung wehrt sich gegen die Übernahme und verlangt einen höheren Preis.

Kommt das Geschäft zustande, würde es 2016 zu einem Rekord im Übernahmegeschehen der vergangenen Jahre führen. Wie selten zuvor setzen die deutschen Unternehmen seit zwei Jahren wieder auf Fusionen und Zukäufe (Mergers & Akquisitions, M&A). Das zeigt eine neue Untersuchung der Wirtschaftskanzlei Freshfields.

Danach erreichte das M&A-Volumen der 80 größten börsennotierten Unternehmen im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit 2007, dem Jahr vor der Finanzkrise. Vor allem die 50 im Börsensegment MDax notierten Unternehmen setzten stark auf Übernahmen. Auf sie entfielen 99 M&A-Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von sieben Milliarden Dollar, ein Viertel mehr als im Vorjahr.

Besonders aktiv unter den MDax-Unternehmen war der Kölner Außenwerber Ströer, der beispielsweise für 300 Millionen Euro das Internetportal T-Online von der Deutschen Telekom kaufte. Der Mülheimer Chemiehändler Brenntag setzt voll auf Übernahmen in allen Regionen der Welt, um in dem stark zersplitterten Distributionsmarkt zu wachsen.

Die 30 Dax-Konzerne kamen der Freshfields-Studie zufolge auf 135 Transaktionen und ein M&A-Volumen von 60 Milliarden Dollar. Dazu zählte beispielsweise der 4,6 Milliarden Dollar schwere Einstieg von Heidelberg Cement bei dem italienischen Konkurrenten Italcementi. Hier zeigt sich noch einmal, welche Dimension die geplante Übernahme von Monsanto durch Bayer hat: Kommt sie zustande, würde es das Volumen aller M&A-Deals mit Dax-Beteiligung aus dem vergangenen Jahr übertreffen.

Der Vorstoß von Bayer fügt sich in einen weiteren Trend: Die deutschen Unternehmen haben es vor allem auf amerikanische Wettbewerber abgesehen. Das zeigt der Blick auf das M&A-Geschehen der zurückliegenden zehn Jahre. Danach waren die USA zwischen 2006 und 2015 mit 326 Transaktionen das beliebtestes Investitionsziel der großen börsennotierten Unternehmen aus Deutschland. Das ist so viel wie mit Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien zusammen.


Ein langer Marsch nach Westen

„Dies liegt zum Teil natürlich an der Größe der amerikanischen Volkswirtschaft, zum anderen aber auch an ihrer Innovationskraft und ihrem Wachstum in den letzten Jahren, das durch günstige Investitionsfaktoren, insbesondere die niedrigen Energiepreise, angetrieben wurde“, erläutert Freshfields-Partner Gregor von Bonin. Das investitionsfreundliche Umfeld, gepaart mit historisch niedrigen Zinsen, werde zu noch mehr Mega-Transaktionen wie Bayer/Monsanto führen, erwartet er.

Experten beobachten auf dem globalen M&A-Markt einen langen Marsch nach Westen. „Nicht nur die USA gelten als attraktiv, in den letzten Monaten hat sich auch das Interesse insbesondere chinesischer Bieter an Unternehmen in Europa und vor allem Deutschland sehr stark entwickelt“, erläutert Matthias-Gabriel Kremer, Leiter der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht/M&A von Freshfields. Der Kauf des Münchener Maschinenbauers Krauss-Maffei durch Chemchina und die aktuelle Offerte des chinesischen Unternehmens Midea für den Roboterbauer Midea stützten diesen Trend.

Insgesamt tätigten die 30 Dax-Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren 1.592 M&A-Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 355,6 Milliarden Dollar. Die 50 aktuell im MDax gelisteten Konzerne brachten es im selben Zeitraum auf 733 Deals mit einem Gesamtwert von 44,8 Milliarden Dollar.

M&A-Experten erwarten für 2016 ein weiterhin starkes Interesse der deutschen Unternehmen an Übernahmen und Fusionen. „Obwohl die Kapitalmärkte und das Geschäftsklima aktuell Unsicherheit verursachen, beobachten wir weltweit weiter rege Aktivität in bestimmten Sektoren“, sagt Leif Zirz, Global Head of Deal Advisory bei der Prüfungsgesellschaft KPMG. Treiber sind aus Sicht die Fokussierung vieler Unternehmen auf ihre Kerngeschäft sowie die Digitalisierung. Sie lasse Branchen verschmelzen und zwinge Unternehmen dazu, sich strategisch neu aufzustellen.

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