Fußballerfolg fördert Export WM-Titel kurbelt Wirtschaft an

Der WM-Sieg beschert nicht nur Fußball-Deutschland einen Aufschwung, sondern auch der Volkswirtschaft, meinen Experten. Sie haben gute Argumente: die Statistik bisheriger WM-Titel.

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Feiernde Deutschlandfans: Auch die Wirtschaft könnte kurzfristig jubeln. Quelle: dpa

Als Philipp Lahm, Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, am Sonntag den WM-Pokal hochhielt, waren er und seine Teamkollegen pro Kopf 300.000 Euro reicher. Viel wertvoller aber als die vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gezahlte Prämie dürfte der Impuls sein, den die deutsche Wirtschaft durch den Titelgewinn erhalten könnte. Nach Einschätzung des Forschungsinstituts werden sich Produkte „Made in Germany“ nun besser im Ausland verkaufen lassen.

„Mit diesem Erfolg ist der Wert von „Made in Germany“ auf jeden Fall gestiegen“, sagte Christian Böllhoff, Geschäftsführer von Prognos in Berlin, in einem Interview mit Bloomberg News. Die Performance der Nationalmannschaft habe einen stärkenden Einfluss auf die deutschen Exporte.

Deutschland, die größte Volkswirtschaft in Europa, ist nach China und den Vereinigten Staaten der drittgrößte Exporteur weltweit. Die Lieferungen von Mercedes-Benz-Fahrzeugen, Sportartikeln von Adidas und Kraftwerkstechnik von Siemens haben die Verkäufe von deutschen Gütern und Dienstleistungen im Ausland 2013 auf 1,09 Billionen Euro getrieben.

Den Effekt, den der WM-Erfolg auf Deutschlands Wirtschaft haben wird, werde sich zwar nicht genau beziffern lassen, räumt Böllhoff ein. Psychologisch könne der Sieg aber das Selbstvertrauen stärken: „So etwas kann einen positiven Einfluss auf die Arbeitsmotivation haben und auf den Glauben daran, Qualität zu produzieren.“

Ähnlich sieht das auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Er sieht einen Imagegewinn, der die gesamte Exportbranche hochziehen könnte. „Deutschland hat mit technisch überzeugendem und fairen Spiel weltweit Sympathien gewonnen“, sagte DIHK-Außenhandelschef Volker Treier. „Das hilft uns beim Export deutscher Produkte auch über den Tag hinaus.“ Auf einen psychologischen Impuls setzt auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. „Der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft trägt eine positive Stimmung in die Gesellschaft, die sicher auch die Wirtschaft beflügelt“, lautet sein Befund.

Andere Experten prognostizieren: Euphorie ja, Kaufrausch nein. Der WM-Titel werde nur einen kleinen Schub bringen. Längerfristig allerdings könnten die deutschen Exporteure vom Imagegewinn profitieren. „Ein gewisser Stimmungseffekt ist da, die Kauflaune kann leicht steigen“, sagte Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. „Aber das ist kurzlebig. Deutschland wird nicht in einen Konsumrausch fallen.“ Auch die Bundesregierung erwartet keine Sonderkonjunktur. „Uns liegen keine Untersuchungen vor, die darauf abzielen, welche Auswirkungen der Sieg der deutschen Mannschaft auf die wirtschaftliche Lage hat“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. „Derzeit bleibt es bei unseren Prognosen.“

Die Konsumforscher der Nürnberger GfK erwarten keinen kollektiven Kaufrausch. „Sicherlich kann man davon ausgehen, dass - zumindest kurzfristig - die generelle Stimmung in Deutschland besser werden wird“, sagte GfK-Experte Rolf Bürkl. Die Kauflaune sei angesichts niedriger Arbeitslosigkeit und steigender Kaufkraft ohnehin schon so gut wie seit Jahren nicht mehr, wodurch der Einfluss des WM-Sieges „eher marginal“ sein dürfte.


„Eine richtig gute volkswirtschaftliche Situation“

Was aber für einen Aufschwung spricht: Die WM-Siege in Deutschland fielen in der Vergangenheit stets mit Zeiten wirtschaftlichen Wohlstands zusammen. Der Triumph über Ungarn 1954 in Bern sorgte für eine Aufbruchsstimmung im Lande und markierte den wirtschaftlichen und politischen Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Siegertrophäe im Jahr 1974 folgte erneut eine wirtschaftliche Belebung. Ein Jahr später wurde Deutschland zu einem der Gründungmitglieder der Gruppe der sechs bedeutendsten Industrienationen, in die später auch Kanada und Russland aufgenommen wurden.

Das Finale in Rom 1990 – damals auch gegen Argentinien – fand acht Monate nach dem Fall der Mauer statt. „Nach 1990 ist in der Tat drei Jahre lang die deutsche Wirtschaft sehr stark gewachsen, aber der Grund war die Wiedervereinigung“, erklärt Böllhoff. „Man muss zwischen Kausalität und Korrelation unterscheiden.“

Der WM-Sieg in der vergangenen Nacht ist der erste des wiedervereinigten Deutschlands. Kein Land stand so oft im Finale wie Deutschland, die DFB-Elf erreichte das Endspiel insgesamt acht Mal. Brasilien hält mit fünf Titelgewinnen – gegenüber vier für Deutschland – jedoch noch immer den absoluten WM-Sieg-Rekord.

Ungeachtet des sportlichen Erfolges laufe die deutsche Wirtschaft erneut auf eine Phase ökonomischer Prosperität zu, mit guten Chancen auf „goldene 2020er“ Jahre, sagte Böllhoff und verwies auf eine neue Studie über Deutschland, die Prognos vergangene Woche veröffentlicht hatte.

Man könne sagen, dass Deutschland im Augenblick das einzige Land unter den großen Volkswirtschaften in Europa sei, das sich in einer „richtig guten volkswirtschaftlichen Situation“ befinde, so Böllhoff. „Das kann sich eben nochmal verbessern, wenn dann die europäischen Nachbarländer aus der Krise rausgekommen sind. Und das wird in den nächsten paar Jahren stückchenweise passieren.“

Das Wachstum der deutschen Wirtschaft hat sich im ersten Quartal stärker als erwartet beschleunigt, getrieben von der Binnennachfrage und einem Bauboom. Die Bundesbank hat ihre Prognose für den Anstieg des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2014 im Juni auf 1,9 Prozent erhöht, gegenüber zuvor erwarteten 1,7 Prozent Wachstum. Für 2015 erwartet die Bundesbank einen BIP-Anstieg in Deutschland um zwei Prozent.

„Wir haben über Jahre im Wesentlichen unser Wachstum produziert durch Industrie und durch Export“, sagte Böllhoff. Das schlage sich jetzt positiv auf die Einkommen der Bevölkerung nieder, was den Wachstumsbeitrag des Konsums stärke. „Das wird so sein von 2017/2018 bis Ende der 2020er.“

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