Dass die Zeit des Sturmgewehrs "in seiner derzeitigen Form" abgelaufen war, hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Sommer klar gemacht. Jetzt steht das Ende des G36 fest.
Ab 2019 sollen die rund 170.000 Exemplare der Bundeswehr-Standardwaffe durch ein neues Sturmgewehr ersetzt werden. "Wir haben uns im Einvernehmen mit der militärischen Führung für einen klaren Schnitt entschieden", erklärte von der Leyen am Dienstag. "Nach fast 20 Jahren G36 wollen wir eine neue Generation Sturmgewehr für die Bundeswehr beschaffen."
Offen bleibt die Frage, woher das neue Gewehr stammen und was sie genau leisten soll. Wie der Branchenexperte Thomas Wiegold berichtet, hat das Beschaffungsamt der Bundeswehr bereits offiziell begonnen, den Markt zu sondieren – und holt unter anderem auf einem europaweiten Behörden-Ausschreibungsportal Informationen zu den Waffen ein.
Die neue Waffe muss höheren Anforderungen genügen als das G36. Das war in den vergangenen Monaten massiv in die Kritik geraten. Im Frühjahr hatte eine Untersuchung starke Beeinträchtigungen der Treffgenauigkeit des G36 bei hoher Außentemperatur und im heißgeschossenen Zustand bestätigt.
Das Gewehr wurde Mitte der 90er Jahre bei der Bundeswehr eingeführt. Kämpfende deutsche Soldaten, die etwa bei ihren Einsätzen in Afghanistan mit der Waffe Dauerfeuer schießen müssen, schienen damals als unwahrscheinliches Szenarien. Genau um ihre Sicherheit aber fürchtet die Militärführung – und schickt das G36 deshalb ins Aus.
Die heißen Eisen unter den Rüstungsprojekten der Bundeswehr
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich zum Ziel gesetzt, im Rüstungssektor der Bundeswehr aufzuräumen. Jahrelange Verzögerungen und Kostensteigerungen im mehrstelligen Millionenbereich soll es künftig nicht mehr geben. An diesem Donnerstag lässt sich die Ministerin bei einer Sitzung des Rüstungsboards über den aktuellen Stand bei einigen Großprojekten informieren. Hier fünf der heißesten Eisen unter den 1200 Rüstungsprojekten der Bundeswehr.
Die in absehbarer Zeit wichtigste, teuerste und heikelste Entscheidung will von der Leyen bis Mitte des Jahres treffen. Die Bundeswehr soll ein neues Raketenabwehrsystem erhalten. Zur Auswahl stehen „Meads“ – eine internationale Entwicklung unter Beteiligung der deutschen Raketenschmiede MBDA – und eine neue „Patriot“-Version des US-Herstellers Raytheon. In die Entwicklung von Meads floss bereits eine Milliarde Euro deutscher Steuergelder. Die Anschaffung würde mehrere weitere Milliarden kosten.
Die Aufklärungsdrohne hätte von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) fast das Amt gekostet. Wegen massiver Probleme bei der Zulassung des unbemannten Fliegers für den deutschen Luftraum und einer drohenden Kostenexplosion wurde die Entwicklung im Frühjahr 2013 gestoppt. Seitdem wird nach einem anderen Flugzeug gesucht, in das die von Airbus stammende Aufklärungstechnik eingebaut werden kann. Derzeitiger Favorit: Eine Schwester-Drohne des „Euro Hawk“ namens „Triton“.
Von der Leyen will die Bundeswehr mit bewaffnungsfähigen Drohnen ausrüsten. Zur Auswahl stehen eine US-Drohne, die „Reaper“ (Sensenmann) oder „Predator B“ (Raubtier) genannt wird, und „Heron TP“ (Reiher) aus Israel. Die Entscheidung wird noch vor Ende des Jahres erwartet.
Mit vier Jahren Verspätung lieferte Airbus Mitte Dezember das erste Transportflugzeug vom Typ A400M an die Bundeswehr aus. Das bedeutet aber noch nicht das Ende der Verzögerungen. Wieviele der fünf für dieses Jahr versprochenen Maschinen tatsächlich am niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf landen werden, ist noch völlig unklar. Der A400M bleibt ein Problemfall.
Auch mit kleineren Waffen gibt es große Probleme. Seit vielen Monaten wird über die Treffsicherheit des Standardgewehrs der Bundeswehr G36 diskutiert. Große Hitze verträgt die Waffe nicht besonders gut. Ein neuer Prüfbericht soll in den nächsten Wochen Klarheit darüber bringen, wie gravierend das Problem ist.
Fest steht also, dass die künftige Bewaffnung der Bundeswehrsoldaten auch Kampfeinsätzen unter extremeren Bedingungen als in Europa genügen muss. Ob das überhaupt mit einer Standardwaffe gelingen kann ist, umstritten. Manche Experten plädieren dafür, den Waffen-Mix der Soldaten insgesamt zu verbessern. Für verschiedene Einsatzszenarien – Häuserkampf oder Wüsten-Einsatz – kämen dann unterschiedliche Waffen zum Zuge.
Mögliche G36-Nachfolger
Der offizielle Anforderungskatalog für den G36-Nachfolger wird erst zum Jahresende vorliegen. Darin werden voraussichtlich weitere Fragen zu den Einsatzszenarien beantwortet werden. Unter anderem ist zu klären, ob die Waffe wie das G36 mit dem NATO-Standardkaliber 5,56mm geladen wird. Oder die Armee wieder auf das frühere G3-Kaliber 7,62 mm setzt.
Ebenfalls offen ist, ob die Bundeswehr auf eine Neuentwicklung setzt oder auf ein bereits verfügbares und erprobtes Modell zurückgreift. In einem Schreiben ihrer Staatssekretärin Katrin Suder an den Verteidigungsausschuss des Bundestags heißt es: "Ziel ist es, ein möglich breites Anbieterspektrum zu erreichen."
Möglichkeiten gibt es viele. Sturmgewehre werden in den USA, China und Israel produziert. Europäische Firmen wie der belgische Hersteller FN Herstal, Steyr in Österreich, die französische Manufacture Nationale d'Armes oder die britische Royal Small Arms Factory könnten der Bundeswehr ebenfalls ihre Dienste anbieten.
Aus dem Rennen um den lukrativen Rüstungsauftrag ist auch der deutsche Waffenbauer Heckler & Koch nicht. Trotz massiver Kritik am G36 hatten Branchenkenner und Soldaten die Qualität des Gewehrs bis zuletzt gelobt, es gar als Goldstandard bezeichnet.
Auch in der Gunst der Militärführung ist das Unternehmen nicht so weit abgestiegen, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich wäre. Als Zwischenlösung darf das Unternehmen Deutschlands Armee in den kommenden Jahren mit 600 Sturmgewehren des Typs G27P und 600 leichten Maschinengewehren beliefern.
Erst vor wenigen Tagen gab es allerdings erneut schlechte Presse, die das Verhältnis zwischen Waffenschmiede und Armee trüben könnte. Die Auslieferung der – für den Waffen-Mix wichtigen – Maschinenengewehre MG5 ist vom Juni auf das kommende Jahr verschoben worden. Offenbar haben die Waffentest einen Falltest nicht bestanden, und müssen erneut überprüft werden.