Gazprom Russischer Gasriese gewinnt Milliardenprozess

Der vom Kreml gesteuerte Energiekonzern Gazprom hat sich gegen Litauen durchgesetzt. In dem Verfahren ging es um 1,4 Milliarden Euro Schadensersatz wegen überhöhter Gasrechnungen. Jetzt zittert der ukrainische Rivale.

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Russlands Präsident Vladimir Putin (l.) und Alexei Miller (r.), Vorstandsvorsitzender des Konzerns Gazprom, setzen sich gegen Litauen durch. Quelle: AP

Moskau Erfolg für den russischen Energieriesen Gazprom: Vor dem Schiedsgericht in Stockholm siegte der Konzern in einem womöglich wichtigen Präzedenzfall gegen Litauen. In dem Verfahren ging es um 1,4 Milliarden Euro Schadensersatz wegen überhöhter Gasrechnungen.

Vilnius hatte die Klage 2012 eingereicht und Rückzahlungen für den Zeitraum von 2004 an eingefordert. 2004 nämlich hatte Gazprom für gerade einmal 29 Millionen Euro 34 Prozent der Aktien, später erhöhte sich der Anteil auf 37,1 Prozent, am litauischen Gasversorger Lietuvos dujos erworben – zusammen mit dem Versprechen weiter „zu einem gerechten Preis“ Gas an Litauen zu liefern. Trotz des Versprechens wurden die Preise später stark angehoben.

Der Konflikt spitzte sich 2010/11 zu, als westliche Kunden ihre langfristigen Lieferverträge mit Gazprom neu verhandelten, das Baltikum – wie übrigens auch die Ukraine – aufgrund der Abhängigkeit von russischen Pipelines keine Zugeständnisse erzwingen konnten. Litauen war so dazu gezwungen, weiterhin Preise von 500 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas zu bezahlen. Um das Gazprom-Monopol zu brechen und die Lieferwege zu diversifizieren, setzte das Land schließlich 2014 den ersten LNG-Terminal in Betrieb.

Gleichzeitig ging es in Stockholm vor Gericht. Dessen Entscheidung hat die litauische Regierung nun enttäuscht: „Das Schiedsgericht hat keine Verfehlungen in den Handlungen des russischen Konzerns erkannt“, konstatierte Energieminister Rokas Masiulis ernüchtert.

Laut Gericht befand sich Gazprom als Lieferant und gleichzeitiger Aktionär des Gasimporteurs Lietuvos dujos zwar im Interessenkonflikt, der Begriff „gerechter Gaspreis“ ist jedoch zu abstrakt, um einen genauen Verlust zu beziffern. Beide Seiten teilen sich die Gerichtskosten von einer Million Euro.

Theoretisch kann Litauen das Urteil vor dem Appellationsgericht anfechten. Die Chancen dafür stehen jedoch laut Andrej Panow, Jurist bei Norton Rose Fulbright, schlecht, weil es nur sehr wenige Gründe für eine Anfechtung gebe, „beispielsweise prozessuale Fehler. Aber ich bezweifle stark, dass das Schiedsgericht solche Verstöße begangen hat“, sagte er.

Für Gazprom hat das Verfahren einen wichtigen Präzedenzcharakter: Seit 2014 prozessiert der Konzern mit seinem ukrainischen Counterpart Naftogaz vor dem gleichen Gericht. Und auch hier lauten die Vorwürfe ähnlich, nur ist die Summe noch deutlich höher: „Die Summe nähert sich 30 Milliarden Dollar an“, erklärte Naftogas-Chef Andrej Kobelew.

Genauer gesagt, fordert Naftogas 14 Milliarden Dollar für überhöhte Gasrechnungen zurück und weitere 11,7 Milliarden, weil Russland für den Transit seines Gases über ukrainisches Territorium zu wenig bezahlt habe.

Ausgangspunkt hier ist der Vertrag, den Russland und die Ukraine im Januar 2009 nach einem wochenlangen Gaskrieg unterzeichneten, bei dem zunächst die Ukrainer sich am Transitgas für Europa bedienten und Russland anschließend den Gashahn abdrehte. Die unter schweren Druck geratene Regierung Julia Timoschenkos musste daraufhin ein für Kiew sehr ungünstiges Abkommen unterschreiben – was sie später sogar ins Gefängnis brachte.

Allerdings hat auch Gazprom Forderungen gegenüber Naftogas: Offen sind noch Rechnungen über 2,2 Milliarden Dollar. Zudem stellt Gazprom nach der umstrittenen Formel „take or pay“ Naftogas weitere Milliarden für nicht abgenommenes Gas in Rechnung.

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