Gebrauchtwagenmarkt Das Dieselauto als Problemfall

Manipulationen, Tricksereien, Fahrverbote: Immer weniger Menschen wollen einen Diesel. Der Grund: Das Image ist miserabel, die Verbraucher sind verunsichert. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt wird das zunehmend zum Problem.

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Wer seinen Diesel loswerden will, muss bei Gebrauchtwagenhändlern mit einem Abschlag von 20 Prozent auf den Restwert rechnen. Quelle: dpa

Düsseldorf Die Deutschen und ihre Autos – jahrzehntelang war das eine uneingeschränkte Liebesgeschichte. Doch nach Abgas- und Dieselskandal droht diese Liebe erhebliche Risse zu bekommen: Das Dieselauto entwickelt sich vom Liebling der Vielfahrer zum Problemfall für Autobesitzer. Zu negativ waren die Schlagzeilen der vergangenen Wochen und Monate, zu realistisch das Szenario eines Fahrverbots.

Einer, der das hautnah mitbekommt, ist Andreas Kraemer. Er ist Geschäftsführer des Autohandels P&A-Preckel, der im gesamten Rheinland mit gut 14.500 Fahrzeugen pro Jahr handelt. „Viele Kunden haben ihre Kaufentscheidungen zurückgenommen und sind von einem Diesel auf einen Benziner umgestiegen. Die Verunsicherung ist spürbar“, berichtet er. Besonders betroffen seien die gewerblichen Partner, da Modelle für diese zum Großteil Diesel sind. „Seit im letzten Jahr zum ersten Mal über Fahrverbote – unter anderem in Düsseldorf – spekuliert wurde, ist die Skepsis gestiegen“, erzählt Kraemer. Und das bei aller Abhängigkeit vom Diesel, die laut Kraemer noch immer besteht – trotz Benzin- und Elektromotoren. „Wenn alle Menschen Benziner fahren, steigt die Belastung für die Umwelt immens. Und um alle Fahrzeuge auf Elektroautos umzustellen, fehlen ja noch die Ressourcen.“

Eine Studie des Internet-Autohändlers Autoscout24 dürften ebenfalls nicht zur Beruhigung von Händlern wie Kraemer beitragen: Bei einer repräsentativen Umfrage im deutschsprachigen Raum unter gut 1000 Personen gaben zwar 27 Prozent an, privat einen Diesel zu fahren. Beim Kauf eines neuen Autos würden davon aber nur noch 38 Prozent wieder nach einem Dieselauto schauen. Insgesamt würden das sogar nur 15 Prozent aller Autofahrer tun.

„Die Umfrage zeigt die Verunsicherung der Autofahrer aufgrund der anhaltenden Diskussionen und ungelösten Probleme beim Diesel“, kommentiert Sebastian Lorenz von Autoscout24 die Zahlen. Außerdem macht sich rund ein Viertel der Befragten Sorgen, wo man in Zukunft noch Dieselfahrzeuge fahren darf. Beliebter als der Diesel ist nach wie vor der Benziner, den 44 Prozent der Befragten vor anderen Antriebsarten bevorzugen würden – noch vor alternativen Antriebsarten wie Hybrid oder Elekro (29 Prozent).

Gerade bei den Onlinemarktplätzen macht sich die Dieselskepsis bemerkbar. Bei Mobile.de wurden im Mai 2016 rund 20 Prozent mehr Dieselautos angeboten als noch ein Jahr zuvor. Zum Vergleich: Bei Benzinern waren es gerade mal 1,6 Prozent mehr. Bei Autoscout24 ergibt sich ein ähnliches Bild: „Wir registrieren seit Anfang des Jahres eine stärkere Zunahme beim Angebot an Dieselautos im Vergleich zu den Benzinern“, erklärt Lorenz.

Viele Kunden der beiden Onlineportale wollen also ihre Dieselfahrzeuge loswerden – doch das abnehmende Interesse macht sich langsam auch auf der Käuferseite bemerkbar. Durchschnittlich waren die Angebote im Mai 2017 etwa auf Mobile.de 85 Tage online – bot man aber einen Diesel an, musste man im Schnitt immerhin dreieinhalb Tage länger auf einen Käufer warten. Zum Vergleich: Im Mai 2016 wartete man nur 80 Tage auf einen Käufer – insgesamt entspricht das einer Zunahme von über 11 Prozent. Wer einen Käufer für einen Benziner sucht, muss lediglich einen Tag länger warten, als im Vorjahr – nämlich 80 Tage.


Dass der Diesel ganz verschwindet ist unwahrscheinlich

Daniel Breves, Manager bei Mobile.de, mag noch keine Prognose abgeben, wie sich der Markt für gebrauchte Dieselautos entwickelt. „Was wir aber sehen ist: Das Angebot an Dieselfahrzeugen ist so groß wie nie“, sagt er. „Der Markt ist in allen Dimension derzeit stark in Bewegung, das wird auch in den kommenden Monaten so bleiben.“ Allerdings gebe es auch große regionale Unterschiede: In Großstädten wie Berlin, München oder Stuttgart stehen Dieselfahrzeuge deutlich kürzer als bei den Händlern im Bundesschnitt.

Trotz des deutlich gestiegenen Angebots ist der Preis von Dieselfahrzeugen relativ konstant geblieben. „Ein Preisverfall bei gebrauchten Dieselfahrzeugen lässt sich derzeit auf Autoscout24 noch nicht feststellen“, betont Lorenz. Seit Ende Januar 2015 bis Juni dieses Jahres blieb der durchschnittliche Preis für einen Diesel dieses Anbieters bei etwas über 20.000 Euro.

Ähnlich sieht es bei Mobile.de aus: Durchschnittlich muss man ein Prozent weniger für einen Diesel bezahlen als im Vorjahr – Breves bezeichnet den Markt daher als „relativ stabil“. Allerdings nähern sich dort die Preise von Diesel und Benziner an: Benziner wurden im Jahresvergleich mehr als sieben Prozent teurer. Preise bei alternativen Antriebsmöglichkeiten stiegen sogar um fast 18 Prozent – und sind damit im Mittel höher als bei einem Diesel. Allerdings: Gibt man bei einem analogen Autohändler einen Diesel in Zahlung, muss man damit rechnen, dass man nun weniger dafür bekommt. „Bei uns gibt es seit einem Dreivierteljahr eine Restwertanpassung, das ist ein Abschlag von circa zehn bis 20 Prozent“, erklärt Kraemer. So habe man auf die Vorkommnisse in der Automobilbranche reagiert.

Insgesamt sind bei den Preisen regionale Unterschiede auszumachen: In Stuttgart etwa sind die Preise für Dieselautos – im Gegensatz Darmstadt und Flensburg – gesunken. Ob das mit den Diskussionen um ein Dieselfahrverbot zusammenhängt, ist fraglich – in anderen Städten waren die Entwicklungen deutlich gravierender. In Heidelberg etwa muss man für ein Dieselauto im Schnitt mehr als 7500 Euro weniger bezahlen als im Vorjahr. Langfristig könnte sich das steigende Angebot aber auch allgemein auf die Preise auswirken. „Dass diese Verschiebung auch Druck auf die Preise ausüben wird, lässt sich zumindest für die Zukunft nicht komplett ausschließen“, meint Lorenz.

Niedrigere Preise könnten deutschen Autofahrern das Dieselfahren in der Tat versüßen. Doch wirklich helfen, tut nur eins, findet Lorenz: „Das Wichtigste wären jetzt verbindliche und verlässliche Regeln, damit die Konsumenten ihre Planungssicherheit zurückgewinnen.“ Bei aller Unsicherheit – dass der Diesel in absehbarer Zeit komplett vom Markt verschwindet, hält Autohändler Kraemer für unwahrscheinlich. „Der Diesel wird definitiv überleben und darf auch nicht totgeredet werden“, mahnt er. „Der Diesel ist nach wie vor sehr effizient“.

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