So wurden nach einer Untersuchung von Transcrime zwischen 2006 und 2013 in jedem zehnten Krankenhaus Italiens Medikamente entwendet – hauptsächlich in Regionen, in denen die Mafia stark ist. Der Großteil der Diebstähle, 51 Fälle, ereignete sich im vergangenen Jahr. Der wirtschaftliche Schaden belief sich auf knapp 19 Millionen Euro. Ermittler befürchten, dass dabei auch Medikamente manipuliert und Wirkstoffe gestreckt wurden.
Hinter den Dieben und Fälschern steht ein weitverzweigtes System. „Die kriminellen Netzwerke“, schreibt Transcrime, besäßen eine „straffe Organisation“, Kontakte zu legalen und illegalen Zwischenhändlern, über Geld, um Klinikangestellte zu bestechen, und ein hohes Potenzial, um „Einschüchterung, Gewalt und politische Einflussnahme durchzusetzen“.
Täuschend echte Lieferpapiere
So listete der italienische Pharmaverband AIFA im August ein Dutzend Scheinfirmen auf, vorwiegend aus Osteuropa, die illegale Medikamente in die Apotheken nach Westeuropa schleusten, vorzugsweise nach Deutschland. Sie tragen Namen wie Carnela Limited auf Zypern, Avimax Health and Trade KFT in Ungarn oder Piramid D.O.O in Slowenien. Die gefälschten Lieferpapiere sähen täuschend echt aus, berichtet ein Insider.
Von diesen Schleuserfirmen gelangen die gefälschten Arzneien oft zu sogenannten Parallelimporteuren, die diese dann unbeabsichtigt an deutsche Apotheken lieferten. Das Geschäft solcher Parallelimporteure beruht darauf, dass sie mit Medikamenten aus Südeuropa handeln, wo diese teilweise deutlich weniger kosten als hier. Die Apotheker in Deutschland sind per Gesetz verpflichtet, Arzneien im Wert von fünf Prozent ihres Einkaufsvolumens von solchen Parallelimporteuren zu beziehen.
Pillen-Banden
In jüngster Zeit fallen diese Unternehmen aber immer häufiger im Zusammenhang mit Medikamenten-Fälschungen auf. Einer der betroffenen Importeure, CC Pharma aus der Eifel, erklärt dazu, verdächtige Arzneien sofort zurückgerufen zu haben. Zudem sei Ware aus Italien unter Quarantäne gestellt worden, sobald Warnhinweise von Behörden vorlagen.
„Natürlich ist der Parallelhandel ein mögliches Einfallstor für Fälschungen“, sagt David Shore, Sicherheitsmanager bei Pfizer. Das sei bei allen bekannten Fälschungen von Pfizer-Medikamenten in der legalen Lieferkette in Großbritannien der Fall gewesen, so der frühere Ermittler von Scotland Yard, der nun für den US-Konzern die Spuren der Pillen-Banden verfolgt.
100.000 gefälschte Viagra-Tabletten
Die Pharmabranche sieht in dem Einfallstor für Fälscher einen willkommenen Anlass, die Vorschrift zu kippen, dass deutsche Apotheker einen Teil ihrer Medikamente im preiswerteren Ausland kaufen müssen. „Diese Importförderklausel schafft mittlerweile einen Absatzmarkt für kriminelle Machenschaften“, ärgert sich Hagen Pfundner, Deutschland-Chef von Roche und Vorstandsvorsitzender des Pharma-Verbandes VFA. Pfundner fordert die Abschaffung der Importvorschrift – bislang ohne Erfolg. Deswegen hat er auch bereits an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geschrieben.
Den Pharmaherstellern bleibt im Grunde nur, selbst etwas zum Kampf gegen die Fälscher beizutragen. Wohl keiner weiß das so gut wie der US-Pharmariese Pfizer aus New York. Dessen Potenzpille Viagra ist das am häufigsten gefälschte Medikament der Welt. Allein 2012 konfiszierten die Ermittlungsbehörden weltweit über vier Millionen unechter Erektionshelfer. Im vergangenen Sommer entdeckten Fahnder in einem Container im Hamburger Hafen 100.000 gefälschte Viagra-Tabletten, versteckt in Polstermöbeln. Den Amerikanern bleibt gar nicht viel anderes übrig, als alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Schaden durch Fälscher zu minimieren.