Geheime TTIP-Papiere enthüllt "Die EU fordert ebenso Zugeständnisse von den Amerikanern"

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Schutz für Champagner und Camembert

Kritiker monieren, die USA setzten Europa zu stark unter Druck. Wollen die Europäer etwa, dass US-Zölle für ihre Autohersteller gesenkt werden, sollten die Europäer im Agrar-Bereich nachgeben.
Das ist doch vollkommen normal und kein bisschen überraschend. Jeder Verhandlungspartner schaut doch zuerst auf seine eigenen Interessen – und die der Amerikaner liegen im Agrar-Sektor. Sie wollen einen besseren Zugang zu den Märkten in Europa, dabei geht es vor allem um Zölle. Die sind in Europa im Agrar-Bereich aus historischen Gründen noch hoch. Wäre ich der Verhandlungsführer der USA, wäre ich natürlich auch daran interessiert, dass die EU die Zölle eliminiert. Interessant ist doch etwas anderes.

Was denn?
Dass die Amerikaner uns nicht vorwerfen, dass wir genauso vorgehen. Es wird immer dieser David-gegen-Goliath-Vergleich angestellt – aber die EU fordert ebenso aggressiv Zugeständnisse von den Amerikanern. Schauen Sie sich nur das öffentliche Auftragswesen an.



Sie meinen die „Buy American“-Klausel, die die amerikanische Regierung verpflichtet, in den USA hergestellte Produkte bei ihren Käufen zu bevorzugen.
Die Europäer fordern, dass die Amerikaner ihre Märkte öffnen, dass diese Klauseln abgeschafft werden. Ich unterstütze diese Forderung ebenfalls – aber das ist eine Maximalposition. Die Amerikaner werden sich da mit Händen und Füßen gegen wehren. Oder denken Sie an den Bereich der geografischen Indikationen…

… also der Herkunftsbezeichnungen, die die EU schützen will.
Die Amerikaner finden unsere Vorschläge, dass Champagner, Camembert und Schwarzwälder Schinken weiterhin geschützt sind, viel zu weitgehend. Das ist alles nichts Neues und völlig normal.

Neu ist, dass die USA weiter an Schiedsgerichten festhalten. Wirtschaftsminister Gabriel hatte bis dato gesagt, dass es kein TTIP mit Schiedsgerichten gibt. TTIP-Kritiker glauben, dass US-Firmen so Staaten verklagen können und so die Parlamente entmachtet werden. Was entgegnen Sie als Vertreter der Industrie?
Die Parlamente werden nicht entmachtet. Deutschland hat 129 Investitionsschutzabkommen mit anderen Nationen. Darin sind Standards wie Nichtdiskriminierung ausländischer Unternehmen festgelegt, es darf keine entschädigungslose Enteignung stattfinden – sowohl indirekt als auch direkt. Auch die Kapitaltransferfreiheit ist darin festgeschrieben. Das ausländische Unternehmer dadurch das Parlament behindern, halte ich für einen Mythos.

Warum?
Ausländische Investoren müssen Staaten nachweisen, dass sie einen dieser Schutzstandards verletzt haben. Und das fällt Unternehmern schwer, wenn der Staat Regelungen verschärft, die nicht nur ausländische Investoren betreffen, sondern alle, die in diesem Bereich tätig sind. Das wird auch im CETA-Abkommen…

… dem Freihandelsabkommen mit Kanada, das als Blaupause für TTIP gilt…
… in Bezug auf indirekte Enteignung sehr deutlich gemacht. Ich glaube außerdem nicht, dass die Amerikaner ein Interesse an einer Stärkung der Rechte der Konzerne haben. Schaut man sich ihre Entwürfe zur Schiedsgerichtbarkeit an, wird deutlich, dass die Amerikaner die Schutzstandards besser definieren wollen, damit nicht mehr so viele Streitigkeiten vor Schiedsgerichten ausgetragen werden müssen.

Nun haben sich schon 2014 mehr als die Hälfte der Deutschen gegen TTIP ausgesprochen. Der Bundesregierung dürfte es nach den Leaks nicht leichter fallen, die Bevölkerung für TTIP zu gewinnen, oder?
Ich glaube nicht, dass das Handelsabkommen an der Bevölkerung vorbei durchsetzbar ist. Die Regierung sollte der Bevölkerung Informationen an die Hand geben, damit sie die Relevanz des Abkommens versteht. Da sind die Leaks nicht gerade hilfreich.

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