Die Chemieindustrie ist der Frühindikator der deutschen Wirtschaft: Da die Branche etliche Vorprodukte für die Auto-, Bau- oder Konsumgüterindustrie entwickelt, lässt sich daran ablesen, wie sich die Konjunktur entwickelt.
Von daher ist es auch für andere Wirtschaftszweige eine schlechte Nachricht, dass die Chemieindustrie lahmt. Insgesamt stagnierte in der deutschen Chemiebranche im ersten Halbjahr die Produktion, der Umsatz reduzierte sich um 3,5 Prozent auf 90,4 Milliarden Euro. Es ist ein ungünstiger Mix von Faktoren, der sich da über den Konzernen zusammenbraut: Die Wachstumsschwäche in Schwellenländern hält an, der globale Investitionsboom geht ohnehin zu Ende. Rohstoffpreise und Wechselkurse agieren ziemlich erratisch.
Gleichzeitig steigen die Kosten für Rohstoffe, Energie und Personal. Der frühere Bayer-Chef Marijn Dekkers, der als Präsident des Chemieverbandes VCI die Interessen der Branche vertritt, macht denn auch wenig Hoffnung für das Gesamtjahr 2016: Die Preise für die Hersteller werden weiter sinken, der Umsatz gegenüber Vorjahr soll sich um 1,5 Prozent auf 186 Milliarden Euro reduzieren.
Mengenrückgänge in China, Türkei und Osteuropa
Grundsätzlich gilt: Unternehmen, die viel Umsatz in China, Japan, Südkorea, Brasilien, Osteuropa oder Türkei machen, sind deutlich stärker vom Mengenrückgang betroffen. Bei BASF und Evonik kommen noch ungünstige Produkt-Abhängigkeiten hinzu.
So leidet die BASF, die sich als einziger großer Chemiekonzern eine eigene Öl- und Gasförderung leistet, unter den niedrigen Preisen für diese Rohstoffe. Ein Großteil des Umsatzrückgangs beruht auch darauf, dass die Ludwigshafeners sich von einigen Gasaktivitäten getrennt haben. Insgesamt sank der BASF-Umsatz im ersten Halbjahr um 27 Prozent auf 28,7, Milliarden Euro; der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen reduzierte sich um zwölf Prozent auf 3,6 Milliarden Euro.
Lanxess und Covestro profitieren vom Kunststoffabsatz
Deutschlands zweitgrößter Chemiekonzern, Evonik aus Essen kämpft ebenfalls mit Schwächen seines Portfolios: Der Ruhrkonzern setzt etwa stark auf Zusatzstoffe für Tierfutter und muss sich dabei derzeit mit weltweit fallenden Preisen arrangieren. Im ersten Halbjahr 2016 konnte Evonik zwar seinen Absatz noch steigern – um acht Prozent auf 6,4 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern reduzierte sich allerdings um 18 Prozent auf 795 Millionen Euro.
Der Leverkusener Chemiekonzern konnte die Absatzmengen jeweils gegenüber Vorjahr steigern – und trotz niedrigerer Verkaufspreise die Profitabilität erhöhen. Was nach Aussage von Vorstandschef Patrick Thomas daran liegt, dass die Anlagen besser ausgelastet werden konnten.
Ebenfalls von den Kunststoffprodukten profitieren konnte der Kölner Chemiekonzern Lanxess. Auch dort reduzierte sich im ersten Halbjahr 2016 zwar der Umsatz um 6,8 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro, beim Gewinn konnte das Unternehmen allerdings zulegen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern erhöhte sich im ersten Halbjahr um 28 Prozent auf 307 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr 2016 erhöhte Unternehmenschef Matthias Zachert nun die Gewinnprognose.
Lanxess erwartet nunmehr einen Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sondereinflüssen zwischen 930 und 970 Millionen Euro – zuvor war das Unternehmen von einem Ergebnis zwischen 900 und 950 Millionen Euro ausgegangen. Allerdings macht das Hauptgeschäftsfeld Kautschuk wegen der Überkapazitäten immer noch Probleme. Dafür erfreut sich das Insektenschutzmittel Saltidin, für das Lanxess den Wirkstoff herstellt, in Südamerika derzeit großer Beliebtheit – es hilft gegen das Zika-Virus.