GM in Europa Opel verpasst die schwarzen Zahlen

Opel-Chef Neumann wollte 2016 schwarze Zahlen verkünden. Doch nun steht wieder ein Verlust in der Bilanz. Der Autobauer gibt dem Brexit die Schuld – Experten sehen bei Opel aber immer noch hausgemachte Probleme.

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Der Autobauer wollte 2016 eigentlich wieder schwarze Zahlen vorlegen. Quelle: dpa

Rüsselsheim/Detroit Der Autobauer Opel ist auch 2016 nicht aus den roten Zahlen herausgekommen. Die US-Mutter General Motors (GM) wies am Dienstag für ihr Europa-Geschäft einen Jahresverlust von 257 Millionen Dollar aus. Das ist zwar eine Verbesserung von rund 600 Millionen Dollar gegenüber 2015. Opel wollte aber erstmals seit 1999 wieder die Gewinnschwelle erreichen.

Dass es dazu nicht kam, lag nach Angaben von Opel-Chef Karl-Thomas Neumann am Referendum der Briten für einen Austritt aus der EU: „Unser Kurs stimmt: Ohne das Brexit-Votum und den Absturz des britischen Pfunds hätten wir ein positives Jahresergebnis erzielt.“ Trotz des Verlustes sei es das beste Quartal für GM Europa in der Geschichte gewesen und zudem das beste Jahresergebnis seit zehn Jahren.

Unmittelbar nach der Abstimmung über den EU-Austritt der Briten hatte Neumann vor zusätzlichen Risiken in Höhe von 363 Millionen Euro gewarnt. Experten sehen bei Opel allerdings immer noch hausgemachte Probleme.

Großbritannien ist weit vor Deutschland der wichtigste Einzelmarkt für die Blitzmarke, die auf der Insel unter dem historischen Namen Vauxhall antritt. Britische Autokäufer hielten sich nach dem Brexit-Votum merklich zurück. 289.000 Vauxhall wurden dort nach Firmenangaben 2016 noch verkauft, satte 23.000 weniger als im Jahr zuvor. In den anderen Märkten Europas konnte Opel hingegen zulegen und schaffte inklusive UK mit 1,16 Millionen Fahrzeugen ein Absatzplus von vier Prozent.

Opel rechnet in Euro ab und musste daher schlagartig Währungsverluste bei jedem Autoverkauf auf der britischen Insel verkraften, lautet eine zentrale Begründung Neumanns für die schlechten Zahlen. Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Institut der Universität Duisburg-Essen hält das allein nicht für schlüssig. Er sagt: „Ford verkauft auf der Insel weit mehr Autos als Opel und leidet daher viel stärker unter der Pfundabwertung, hat aber trotzdem 2016 einen soliden Europagewinn von 1,2 Milliarden Dollar vor Steuern erzielt.“

Opel habe zudem mit den Werken in Ellesmere Port und Luton (Astra, Vivaro) derzeit ein erhebliches Plus gegenüber den Herstellern, die nicht auf der Insel produzieren. „Die Wagen können mit einem Preisvorteil von mindestens 6 Prozent in die übrige EU verkauft werden“, meint Dudenhöffer.

Das werde dauerhaft nicht so bleiben, warnt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Er rechnet mit Zollschranken zwischen EU und Vereinigtem Königreich: „Für die EU wird es sehr schwer werden, keine Zölle zu erheben, weil man sonst Austrittsbestrebungen anderer Länder Tür und Tor öffnen würde.“ Zölle aber seien Gift für die Hersteller: „Autos werden heute in internationalen Wertschöpfungsnetzwerken produziert. Dieses System würde durch Zollschranken nachhaltig behindert.“


Verfehlte Modellpolitik wirkt immer noch nach

Der britische Branchenverband SMMT sieht Milliardenbelastungen auf die extrem exportabhängige Autoindustrie zukommen, sollten tatsächlich 10 Prozent Zoll nach den WTO-Vorgaben erhoben werden. Die Auto-Exporte in die EU – 2015 waren das 57,5 Prozent der Produktion – würden sich um 1,8 Milliarden Pfund verteuern, die Importwagen würden für die britischen Konsumenten sogar um 2,7 Milliarden Pfund teurer, so der Verband. Mehr als 800.000 Arbeitsplätze hängen in Großbritannien direkt am Auto.

Bei Vauxhall könnten es bald ein paar weniger sein, vermutet Bratzel einen schleichenden Exit der GM-Tochter von der Insel. „Insbesondere bei der Entscheidung über Nachfolgemodelle zählen die Kosten doppelt. Das Astra-Werk Ellesmere Port stünde in direkter Konkurrenz mit Gliwice in Polen.“ Dudenhöffer ist anderer Ansicht: „Zölle müssen die Kostenvorteile durch die Pfundabwertung nicht aufheben. Großbritannien wird ein sehr wichtiger Markt für GM bleiben. Möglicherweise flexibilisiert Opel die britischen Werke und baut dort mehr Autos und Modelle als bislang.“

Einig sind sich die Autoexperten aber über die ihrer Meinung nach verfehlte Modellpolitik der Rüsselsheimer, die erst langsam die begehrten und margenträchtigen Geländewagen in ihr Programm aufnehmen, mit denen Konkurrenten wie Hyundai oder Ford seit Jahren gute Gewinne machen. „Möglicherweise hat man sich zu sehr auf die Werbung konzentriert und zu wenig auf die Produkte“, sagt Dudenhöffer über Opel. „Die vielen Eigenzulassungen drücken zudem auf den Gewinn.“

„Opel muss endlich liefern und nachhaltig in die schwarzen Zahlen kommen“, mahnt Bratzel. Noch habe das Unternehmen Luft: „Derzeit verdient GM auf dem US-Markt gutes Geld, so dass derzeit keine Gefahr für das Europageschäft besteht. GM braucht Opel für den Zugang zum großen EU-Markt. Anderenfalls würden sie den Anspruch eines globalen Autokonzerns aufgeben.“

Im Gesamtkonzern steigerte GM als weltweit drittgrößter Autobauer hinter Volkswagen und Toyota den Umsatz im Schlussquartal um knapp elf Prozent auf 43,9 Milliarden Dollar. Im Gesamtjahr gab es ein Plus von 9,2 Prozent auf 166,4 Milliarden Dollar. Der Nettogewinn 2016 lag mit 9,4 Milliarden Dollar gleichwohl 2,7 Prozent unter dem Vorjahr.

GM kündigte an, sein Programm zur Kosten-Einsparung für den Zeitraum 2015 bis 2018 um eine Milliarde auf 6,5 Milliarden Dollar auszuweiten. Die GM-Aktie legte im vorbörslichen US-Handel um 1,2 Prozent zu.

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