Gönner und Stiftungen Die Methode Bosch

Eigentümerkonstruktion, Aufsicht und Kontrolle bei Bosch sind eigenwillig und wenig transparent – aber bisher ist der größte Automobilzulieferer der Welt damit gut gefahren.

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Deutschlands größte Stiftungsunternehmen
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Robert Bosch muss ein außergewöhnlicher Mensch gewesen sein. Der Gründer des heute größten Autozulieferers der Welt war nicht nur ein technikbesessener Erfinder mit Unternehmergeist. Mehr als die meisten seiner Zeitgenossen fühlte er sich auch dem verpflichtet, was heute soziale Verantwortung genannt wird: Bosch kümmerte sich um bessere Arbeitsbedingungen für seine Leute, einen Großteil der Gewinne aus seinem Unternehmen spendete er für gemeinnützige Zwecke.

Robert Bosch

Sein Hang zum Gutmenschentum ging so weit, dass er Bosch-Erben und -Unternehmen dazu verdonnerte, diesen Kurs nach seinem Tod fortzusetzen. Allein 2010 wurden dafür gut 63 Millionen Euro ausgegeben.

Stark und erfolgreich trotz grauer Eminenzen

Mit seinem 1938 verfassten Testament sicherte der 1942 gestorbene Bosch aber auch die Zukunft des Unternehmens: Familie und künftige Führungsgenerationen wurden verpflichtet, für eine „kraftvolle Weiterentwicklung“ und finanzielle Unabhängigkeit zu sorgen. Seine 1921 gegründete Vermögensverwaltung Bosch (VVB) erwarb darum nach dem Krieg von der Familie nach und nach die Mehrheit der Unternehmensanteile und brachte sie in die 1969 gegründete Robert Bosch Stiftung ein. Die Stiftung hält heute 92 Prozent der Firmenanteile, der Rest verteilt sich auf die Bosch-Erben.

Bosch, ein Unternehmen wie kein anderes: ein Weltkonzern, der als GmbH organisiert ist, mit wenig transparenten Machtzentren, grauen Eminenzen und mangelhafter Aufsicht und Kontrolle. Aber zugleich ein starkes und erfolgreiches Unternehmen, das technologisch international Maßstäbe setzt.

Trennung zwischen Familie und Stiftung

Wie die Unternehmensgewinne bei Bosch verteilt werden, hat der Gründer nicht festgelegt, das entscheiden die Gesellschafter, und die sind traditionell bescheiden: Nur 82 Millionen, gerade mal 3,3 Prozent vom Ergebnis nach Steuern, wurden für das Geschäftsjahr 2010 ausgeschüttet. Mit 6 Millionen Euro wurde die Familie alimentiert, gut 76 Millionen Euro gingen an die Stiftung. Die darf im Gegensatz zur Familie auch dann mit einer Ausschüttung rechnen, wenn es eigentlich nichts auszuschütten gibt – wie zuletzt 2009, als Bosch wegen der Autokrise rote Zahlen schrieb. Der Konzern kann sich das leisten, denn der größte Teil der Gewinne – 2010 ein dicker Batzen von rund 2,4 Milliarden Euro – bleibt in guten Jahren im Unternehmen und fließt in die üppigen Rücklagen. Bosch verfügt über eine komfortable Eigenkapitalquote von 50 Prozent.

Zentrum der Macht

Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule Quelle: Pressebild

Anhänger neoliberaler Marktwirtschaftsgrundsätze denken bei diesem Eigentümerkonstrukt womöglich an Vergesellschaftung und VEB Robert Bosch. Andererseits: Weder Gründer noch Familie wurden enteignet, sie verfügten freiwillig, was mit ihrem Eigentum passieren sollte.

Problematischer ist da schon, wie im Hause Bosch Aufsicht und Kontrolle geregelt sind. Anders als bei den meisten Unternehmen, hat der Mehrheitseigentümer dort nichts zu melden: Die Stiftung hat keine Stimmrechte, Herr im Haus und Zentrum der Macht ist die Robert Bosch Industrietreuhand KG. Deren „Gesellschafter werden nach den gesetzlichen Regeln bestellt“, heißt es dazu lapidar. Gesetzliche Auflagen über die Auswahl gibt es aber nicht. Mit anderen Worten: Wer Gesellschafter wird, bestimmen die Gesellschafter.

Nicht ganz geglückte Aufgabenverteilung

In dem zehnköpfigen Gremium sitzen unabhängige Köpfe wie der Hamburger Versandhauschef Michael Otto oder der frühere BASF-Vorstandsvorsitzende Jürgen Hambrecht, Christof Bosch als Vertreter der Familie, aber auch ehemalige und amtierende Bosch-Führungskräfte wie Herrmann Scholl, Konzernchef von 1993 bis 2003, dessen Vize Tilman Todenhöfer, Scholl-Nachfolger Franz Fehrenbach sowie dessen Stellvertreter Siegfried Dais. Sechs der Industrietreuhand-Gesellschafter sitzen zugleich im Aufsichtsrat, der aus 20 Mitgliedern besteht – darunter neun Arbeitnehmervertreter.

Die beiden grauen Eminenzen bei Bosch sind Todenhöfer, der in Industrietreuhand und Aufsichtsrat sitzt, und vor allem Scholl, der beiden Gremien und auch noch dem International Advisory Committee vorsteht, der Nebenaufsichtsinstanz des Konzerns.

Verstoß gegen die gute Unternehmensführung

Scholl ist zudem Gastgeber der alle zwei Wochen stattfindenden sogenannten Chefbesprechung, wo die wichtigen Entscheidungen im Konzern fallen. Weitere Mitglieder dieses Küchenkabinetts: Todenhöfer, Fehrenbach und Dais.

Den üblichen Kriterien der Corporate Governance, also der guten Unternehmensführung, mit ihrer strikten Trennung von Management und Kontrolle und dem Gebot, dass Vorstände erst nach einer Karenzzeit in den Aufsichtsrat wechseln dürfen, entspricht das nicht gerade. Andererseits ist Bosch nicht das einzige Unternehmen, dass gegen diese Regeln verstößt. In 18 der 30 Dax-Konzerne sitzen ehemalige Vorstandsmitglieder im Aufsichtsrat, 16 führen dort sogar den Vorsitz.

Mitarbeiter sind mehr als Kostenfaktoren

Das sind die größten Autozulieferer der Welt
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Platz 4: Magna Quelle: dpa

Zudem ist Bosch mit seiner ungewöhnlichen Eigentümerkonstruktion und seinen exotischen Strukturen bisher gut gefahren. Das Unternehmen ist nicht nur weltgrößter Autozulieferer, sondern gehört auch bei Wind-, Solar- oder Verpackungstechnik, bei Hausgeräten und Elektrowerkzeugen oder bei der Gebäudetechnik zu den ganz Großen der Branche. Die Krisen-Delle von 2009 ist überwunden, 2010 wuchs der Umsatz um ein Viertel auf 47,3 Milliarden Euro, gut eine Milliarde mehr als vor der Krise, die Zahl der Mitarbeiter stieg um knapp fünf Prozent auf weltweit fast 284 000.

Die Rolle als Technikvorreiter ist unbestritten: 2011 und 2012 wurden und werden jeweils mehr als drei Milliarden Euro in neue Anlagen investiert. 34 000 Boschler weltweit arbeiten in Forschung und Entwicklung, allein 2010 flossen 3,8 Milliarden in diesen Bereich, im gleichen Zeitraum wurden 3800 neue Patente angemeldet.

Moderne Tradition

Was neben dem Erfolg für die Methode Bosch spricht: Vieles von dem, was der Gründer vorlebte, ist hochmodern und wird heute anderswo als neue Erkenntnis verkauft. So wird der Sinn der Bosch-Erkenntnis „Lieber Geld verlieren als Vertrauen“ aus den Gründerjahren des Unternehmens und das Versprechen, nur „das Beste vom Besten“ zu liefern, heute von Beratern als Total Quality Management mit dem Ziel unbedingter Kundenorientierung neu vermarktet.

Boschs vielleicht berühmtester Satz: „Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle“, beschreibt die für damalige Zeiten ungewöhnliche Erkenntnis, dass Mitarbeiter mehr sind als ein Kostenfaktor. Sein Spitzname „roter Bosch“ ist zwar übertrieben. Richtig ist aber, dass der Gründer wusste, wie man seine Mitarbeiter motiviert und bei der Stange hält. Um das zu begreifen, engagieren manche Manager heute für viel Geld einen Coach.

Kontrolle ist besser

Auch das aktuelle Thema Nachhaltigkeit hatte Bosch schon auf der Agenda, obwohl der Begriff erst mehr als 100 Jahre später erfunden wurde. „Der Vadder kommt, löschet die onötige Lichter aus“, warnten sich die Mitarbeiter, wenn der rauschebärtige Gründer zu einem seiner Kontrollgänge erschien. Heute ist die Entwicklung ressourcenschonender Technologien für Konsumgüter wie Autos oder Kühlschränke, aber auch für Industrieanlagen eines der Kernelemente beim Umbau von Bosch zum grünen Konzern.

Und auch das heute in jeder Unternehmensverfassung zu findende Bekenntnis zur gesellschaftlichen Verantwortung und zum politischen Engagement gehört bei Bosch seit den Gründerjahren dazu. Der Gründer verfasste zum Beispiel zur Zeit der Weltwirtschaftskrise 1928 eine 20-seitige Denkschrift über „Die Verhütung künftiger Krisen in der Weltwirtschaft“ und empfahl darin Kurzarbeit als Alternative zu Entlassungen. Der heutige Konzern-Chef Fehrenbach setzt diese Linie fort, wenn er für die Energiewende eintritt und gegen Auswüchse in der Finanzwirtschaft und gierige Boni-Banker wettert.

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