Weil an Laborhäuten anders als an Kuhhaut weder Haare noch Reste von Fettgewebe hängen, braucht Modern Meadow weniger Chemikalien, um sie zu gerben und in Leder zu verwandeln. Und die Biotechhäute sind narbenfrei. Anders als natürliche, von denen heutzutage 30 bis 80 Prozent als Verschnitt im Müll landen.
Modern-Meadow-Gründer Andras Forgacs will die Häute künftig direkt in der Form von Autositzen, Portemonnaies und Sofas wachsen lassen. Selbst transparentes Leder hält er für möglich. Natürlich will Forgacs die Welt nicht nur besser machen, sondern sich auch ein ordentliches Stück des immerhin 100 Milliarden Dollar schweren Ledermarkts sichern.
Wie sich unser Verständnis von Luxus verändert
Nur wenige Begriffe werden so inflationär und so unterschiedlich verwendet, wie der Luxus-Begriff. Die Vorstellung von Luxus ist nicht nur individuell unterschiedlich, sie unterliegt auch einem gesellschaftlichen Wandel. In einem idealtypischen Modell beschriebt das Schweizer Gottlieb Duttweiler Institut vier Phasen, die den Wandel des nachvollziehbar machen. Das Modell beschreibt einen Reifeprozess, der sich an den Lebensphasen orientiert;
Quelle: Gottlieb-Duttweiler-Institut. „Der nächste Luxus. Was uns in Zukunft lieb und teuer wird.“
Die erste Phase der Luxusentwicklung ist geprägt durch einen großen Konsumhunger, der mit dem was angeboten wird, befriedigt wird. Das vorherrschende Prinzip: „Mehr ist Mehr“. Dies ist vor allem auf aufstrebenden Märkten zu beobachten. Hier herrschen Nachholbedarf und das Verlangen aufzusteigen. Gleichzeitig gibt es ein Defizit.
Sie setzt Solvenz voraus, wird aber dominiert von einem verstärkten Wettbewerbsdruck. Der Traum von einem weiterem Aufstieg weicht der Angst vor einem Abstieg. Nun wird das „Mehr“ zum „Muss“. Güter mit Signalwirkung gewinnen an Bedeutung: Mein Haus, mein Auto, mein Diamantring.
Eine erste Luxusmüdigkeit setzt ein. Die Phase ist geprägt vom abnehmenden Grenznutzen. Die Erkenntnis, dass das Glücksfühl beim Erwerb eines Produkts abnimmt, je öfter und hindernisloser dieser möglich ist, stellt sich ein. Der Luxuskonsum verschiebt sich von der Produkt- auf die Erlebnisebene.
Die Ästhetik des neuen Luxus lässt sich für die Forscher des GDI auf den Begriff der Verschlichterung bringen. Luxuskonsumenten demonstrieren bewusst den Verzicht. Die Fähigkeiten, dass Reduzierte und Essentielle leben, aber lesen zu können rückt in den Vordergrund. Nur wer über materiellen Besitz verfügt, wird sich die Fähigkeiten aneignen können, um die Codes des neuen Luxus zu entziffern.
Inzwischen hat das Start-up 40 Millionen Dollar Wagniskapital eingesammelt, unter anderem von Nest-Gründer Tony Fadell und Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Wann die erste Handtasche aus Laborleder auf den Markt kommt, verrät das Unternehmen aber nicht.
Bryan Davis ist deutlich weiter. Dem Amerikaner ist es gelungen, 20 Jahre alt schmeckenden Rum herzustellen – in nur sechs Tagen. Sein kalifornisches Start-up Lost Spirits hat ein Gerät entwickelt, das die Esterbildung im Schnaps von Jahren, wie sie bei der traditionellen Herstellung nötig sind, auf wenige Stunden verkürzt. Die Esterverbindungen geben altem Rum die fruchtige Note: Buttersäuremethylester schmeckt nach Ananas, Phenylessigsäureester nach Honig. Mit Infrarotlicht löst Davis Polymere aus Holz, die mit dem Ester reagieren. Das simuliert den Einfluss einer Fasslagerung auf den Geschmack.
Davis, ein glatzköpfiger, bullig wirkender 35-Jähriger, hätte auch Alleinunterhalter werden können. „Wir machen sogar so etwas wie ,Jurassic Park‘“, sagt er und berichtet dann von den antiken Möbeln aus amerikanischer Kastanie, die er zersägt und als Geschmacksgeber verwendet hat. Der Baum war bereits in den Zwanzigerjahren ausgerottet worden, nachdem ihn Fasshersteller im 19. Jahrhundert für sich entdeckt hatten. Mit den zerlegten Möbeln schuf Davis nun einen Rum, wie ihn seit 100 Jahren niemand mehr kosten konnte.
Experten von Fachblättern und Food-Blogger verteilen Bestnoten an Davis. Auf Auktionen etwa in Deutschland gehen die Flaschen von Lost Spirit für bis zu 1400 Euro an Bieter. Davis könnte mit seiner Technologie edle Schnäpse auch in Masse produzieren. Vorerst wolle er sich aber auf kostbaren Rum sowie Scotch beschränken. Aus gutem Grund: Wird etwas zur Massenware, ist es kein Luxusgut mehr.