Handelsblatt Auto-Gipfel in München Das Zeitalter der großen Veränderungen

Digitalisierung, Autonomes Fahren und Mobilitätsdienste verändern die Automobilbranche. Mit einer Diskussionsrunde über die Zukunft der Branche hat Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart den Auto-Gipfel eröffnet.

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Diskutieren über die Zukunft der Automobilindustrie (v.l.n.r.): Christoph Grote, Johann Jungwirth, Sajjad Khan und Gabor Steingart. Quelle: Thorsten Joch für Handelsblatt

München Das Silicon Valley fordert die deutsche Automobilindustrie heraus. Unternehmen wie Uber, Google und Apple sehen ihre ganz eigenen Chancen und werden damit zu neuen Herausforderern für die etablierten Fahrzeughersteller aus der Autobranche. Werden Volkswagen, Daimler und BMW diese Herausforderung bestehen können? Mit einem Kamingespräch zu dieser Frage hat am Dienstagabend in München der 23. Auto-Gipfel des Handelsblatts begonnen.

Es überwiegt zumindest der Optimismus, dass die deutsche Automobilindustrie eine Antwort auf die neue Konkurrenz aus dem Silicon Valley findet. „Wir sind erfolgreich mit den Fahrzeugen, mit der Hardware. Das müssen wir behalten“, sagte Johann Jungwirth, Chief Digital Officer bei Volkswagen in Wolfsburg.

Dieses Wissen müsse nun um die IT-Welt erweitert werden, ein Autohersteller müsse sich zum integrierten Hard- und Software-Konzern wandeln. „Wenn wir das schaffen, steht unserer Branche eine gute Zukunft bevor“, ergänzte Jungwirth. Trotzdem müsse die neue Konkurrenz ernst genommen werden. Auch wenn sie – wie das Beispiel Uber zeige – nicht unbedingt selbst Autos bauen wollten.

Sajjad Khan, der bei Daimler als Leiter Digital Vehicle and Mobility in einer ähnlichen Funktion tätig ist, pflichtete Jungwirth bei. „Wir müssen keine Angst haben, wir kennen unser Geschäft“, sagt er. Angesichts der im Autobau stark wachsenden Bedeutung der Software gebe es für die deutsche Automobilindustrie allerdings einen strategischen Nachteil. Mit der Ausnahme von SAP seien große Software-Konzerne in der Bundesrepublik praktisch nicht vorhanden. Über Unternehmen wie Google und Apple sei das nötige Know-how viel stärker in den USA verwurzelt.

Batterieantrieb, Autonomes Fahren, Digitalisierung und die Sharing-Economy mit ihren neuen Mobilitätsdiensten werden in den kommenden zehn Jahren für den Umbau der Automobilbranche sorgen. BMW macht sich kaum Sorgen um den Batterieantrieb, der die deutschen Hersteller vor die wenigsten Probleme stelle. Sharing und Mobilitätsdienste, wie sie etwa von Uber angeboten werden, „sind die viel größere Gefahr“, betonte Christoph Grote, Bereichsleiter Elektronik bei BMW.

Sein wichtigstes Argument: Die Autobranche müsse sich ziemlich grundlegend umstellen, vom Auto zum Service, „vom Produkt zum Dienst“. BMW stelle sich darauf ein, dass die neuen Mobilitätsangebote wirklich kommen werden, „das ist mehr als ein Hype“. Wen am Ende nur noch interessiert, wie er von A nach B kommt, der braucht kein eigenes Autos mehr. Es zählt das reine Mobilitätsangebot.

Johann Jungwirth von Volkswagen hält vielmehr das Autonome Fahren für die bedeutendere Veränderung im Geschäft mit Autos. Bequemlichkeit und Komfort würden in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. In den Ballungsräumen wolle niemand mehr selbst mühselig nach einem Parkplatz suchen, das autonom fahrende Auto solle diese Aufgabe besser selbst übernehmen.

Kunden von morgen würden dafür dann künftig kein eigenes Auto mehr brauchen, was den Mobilitätsdiensten automatisch eine wachsende Bedeutung zukommen lassen werde. Auch der Batterieantrieb werde sich schnell durchsetzen, glaubt Jungwirth. Den großen Wandel dürfte es aus seiner Sicht nach dem Jahr 2020 geben, wenn eine neue Fahrzeuggeneration mit leistungsfähigen Batterien auf den Markt kommt.


„Wir können nicht ohne Handel“

Die Veränderungen in der Automobilindustrie dürften noch für eine andere Entwicklung sorgen: Weil die Herausforderungen so groß sind, dürften die Hersteller auf eine größere Kooperation untereinander angewiesen sein. Vor zwei Jahren haben Daimler, BWM und Audi den Kartendienst Here gekauft, der die Karten liefern soll, die später im Autonomen Fahren Verwendung finden.

„So etwas werden wir noch häufiger sehen“, sagte Christoph Grote von BMW. Vorstellbar sei etwa eine enge Zusammenarbeit beim Aufbau einer Ladeinfrastruktur für die Elektrofahrzeuge. Sajjad Khan warnte davor, nur in Deutschland miteinander zu kooperieren. Die Veränderungen in der Automobilbranche seien global, also müssten die Unternehmen auch weltweit kooperieren. Deutschland sei dafür zu klein.

Auch der Fahrzeughandel muss sich in den kommenden Jahren auf große Veränderungen einstellen. Zusätzlich zum klassischen Autohändler wird etwa das Internet als Vertriebskanal eine größere Bedeutung bekommen.

„Wir können nicht ohne Handel“, tröstete BMW-Mann Grote zwar den mittelständisch geprägten Fahrzeugvertrieb, schob jedoch auch gleich eine Warnung hinterher: „Schwierig wird es für kleinere Händler.“ Johann Jungwirth kann sich vorstellen, dass die Branche von neuen Aufgaben profitieren wird – indem die Händler etwa den Service autonom fahrender Autos übernehmen.    

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