Handelsblatt Deutschland Dinner „Ein Stern, der glänzt“

Das Handelsblatt hat seine Leser nach Stuttgart eingeladen. Beim Deutschland Dinner diskutiert Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart mit Daimler-Chef Dieter Zetsche über die Zukunft der Elektromobilität, das Silicon Valley und sein besonderes Verhältnis zu den Grünen.

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Der „Turnschuh-CEO“ stellte sich den kritischen Fragen von Handelsblatt-Lesern und Herausgeber Gabor Steingart (r.).

Stuttgart Das Mercedes-Museum in Stuttgart ist ein siebenstöckiger Bau mit hohem Geschichtsgehalt. Besucher lernen, wie aus der Pferdekutsche der Motorwagen wurde und Mercedes zu einem Symbol für Komfort und gediegenen Wohlstand. Am Dienstagabend erfuhren die rund 400 Gäste des Handelsblatt-Deutschland-Dinners viel über die Zukunft der Marke, die Marketingexperten als die teuerste in Deutschland werten.

Denn Hausherr Dieter Zetsche will den bald 130 Jahre alten Autobauer in ein neues Zeitalter führen. „Eine extreme Disruption“, sieht der Daimler-Chef im Gespräch mit Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart auf die Autoindustrie zukommen. Der Elektroantrieb, das Autonome Fahren, die Digitalisierung und neue Herausforderer wie Tesla und Google werden die etablierten Hersteller enorm unter Druck setzen. „Aber es ist gut, dass wir dieser Herausforderung aus einer Position der Stärke begegnen“, sagt Zetsche.

Die Wahrnehmung von Mercedes sei immerhin schon gedreht, glaubt der Daimler-Boss. In seinen zehn Jahren im Amt hat er einen Imagewandel angestoßen vom Design bis zum Marketing. „Die Marke wird heute mit anderen Augen gesehen – cooler würde man heute sagen“. Der Mann hat seine persönliche Transformation ja schon hinter sich. Auch beim Deutschland-Dinner trägt Zetsche blaue Jeans und seine mittlerweile obligatorischen braunen Turnschuhe. Der 63-Jährige fühlt sich offenbar so frei, wie lange nicht mehr in seinem Leben.

Es läuft ja auch: Erstmals seit einem Jahrzehnt verkauft Mercedes wieder mehr Autos als der Erzrivale BMW – 2016 deutlich mehr als die 2,1 Millionen aus dem Vorjahr. Seit wenigen Wochen ist Zetsche wieder verheiratet und seit diesem Jahr auch Großvater. Das alles kommt an bei den Handelsblatt-Lesern, die sich in langen Reihen für Selfies mit dem Daimler-Chef anstellen. Für die vielen jungen Leser, die an diesem Abend kamen, ist Zetsche in seinen Jeans und Turnschuhen ein „Rolling Stone“ der deutschen Autoindustrie – jung geblieben und mit hoher Anziehungskraft. In einer offenen Abstimmung wählten die Leser ihn zum beliebtesten Vorstandschef Deutschlands.

Vorstandschef wird er auch noch eine gewisse Zeit bleiben: Sein neuer Vertrag läuft bis Ende 2019. Bis dahin will der Daimler-Chef eine neue Unternehmenskultur durchsetzen. „Wichtiger als Technologie ist die Art, wie wir arbeiten“, sagt Zetsche. Mehrfach hat er im Silicon Valley studiert, wie erfolgreiche Unternehmen funktionieren. In Stuttgart soll nun das Projekt „Leadership 2020“ greifen. Statt wie früher sechs sollen künftig nur noch zwei Hierarchieebenen in Entscheidungen eingebunden werden. Es dürfe ja nicht sein, dass Entscheidungen „Runde für Runde gehen und am Ende darf derjenige, der am wenigsten davon verstanden hat, das Ding dann vortragen“. Eine kleine Revolution bei Daimler.


Mehr Aufgaben für Daimler durch die Digitalisierung

Auch unangenehmen Fragen der Handelsblatt-Leser nach den Auswirkungen der Trends zur Elektromobilität oder Digitalisierung auf die Beschäftigung in der Autoindustrie wich Zetsche nicht aus. „Von der Transformation sind viele Beschäftigte betroffen”, sagte Zetsche in Stuttgart. Doch fielen nicht nur Aufgaben weg, sondern es entstünden auch viele neue – „zahlenmäßig eher größer als kleiner.” Es mache aber keinen Sinn, wenn die Autoindustrie am „Heizer auf der E-Lock” festhalte. Die digitalen Dienste im Auto dürften nicht Dritten überlassen werden, betonte der Daimler-CEO im Hinblick auf Google. Auch wenn der Internetgigant inzwischen finanzkräftiger als Daimler sei, ist Zetsche überzeugt, dass die Schwaben ihre Mittel zielgerichteter einsetzen können, um sich zu behaupten.

Steingart mahnt die Industrie, sich nicht selbst zu überschätzen. Daimler habe eine Finanzkapitalisierung von nicht einmal 70 Milliarden Euro, Google komme auf 500 Milliarden. Google mache doppelt so viel Gewinn wie der Autobauer, könne auf gigantische Finanzpolster zurückgreifen und habe die Möglichkeit sich fast unbegrenzt Geld am Kapitalmarkt besorgen. Zetsche sprach von der „Krake“ Google, doch für den Kampf auf der Kapitalseite sei Daimler gut gerüstet.

Zetsche traut sich auch auf anderem Parkett etwas. Statt wie viele Unternehmenslenker einen Bogen um die Politik zu machen, ging der Turnschuh-CEO Mitte November auf den Parteitag der Grünen. Trotz Pfiffen und Buhrufen von Teilen der Delegierten habe er sich „eigentlich ganz wohl gefühlt“, bekennt Zetsche. „Man ist von den Grundzielen gar nicht so weit entfernt“, sagt der Daimler-Chef, der mit dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann im Ländle mittlerweile gut auskommt.

Am heutigen Mittwoch weiht Kretschmann mit Zetsche das neue Technologiezentrum in Sindelfingen ein. Ob der Daimler-Chef mit einer Schwarz-Grünen Bundesregierung in Berlin leben könnte? „Das kann mir sehr wohl vorstellen“, sagt Zetsche – jedenfalls besser als eine Regierung, an der die Linke beteiligt sei. Mit einem Votum für eine Partei im kommenden Bundestagswahlkampf will sich Zetsche aber zurückhalten. „Die Wähler sollen entscheiden“.

„Als was möchten Sie in Erinnerung bleiben?“, fragt ein Handelsblatt-Leser. Da holt Dieter Zetsche ein bisschen aus, redet über seine Unternehmensphilosophie, über Transformation und Wettbewerbsfähigkeit. Doch dann kommt er zum Punkt. „Ein Stern, der glänzt“. Wenn nur ein Satz von Dieter Zetsche in Erinnerung bleiben sollte, dann dieser.

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