Handelsblatt Nutzfahrzeug-Gipfel „Autobahnen müssen zu Datenautobahnen werden“

Der Lkw-Verkehr wird digitalisiert. Doch bislang fehlt den Herstellern dafür die nötige Infrastruktur. Auf dem Handelsblatt Nutzfahrzeug-Gipfel üben sie deutliche Kritik an der Politik.

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Beim Nutzfahrzeug-Gipfel mit dem Titel „Gütertransport der Zukunft“ veranstaltet von Handelsblatt und MAN konnten sich die Teilnehmer das MAN-Werk ansehen. Quelle: argum / Thomas Einberger für Handelsblatt

München Lastwagen verstopfen die Autobahnen, in den Städten sorgen Dieseltransporter der Lieferdienste für schlechte Luft – viele empfinden die Nutzfahrzeuge als Belastung. Dabei ist die Branche viel fortschrittlicher als ihr Ruf.

Die moderne Logistik ist nach wie vor angewiesen auf hochindividuelle Lieferfahrzeuge. Darum sind die Hersteller heute schon Vorreiter bei Zukunftsthemen, die auch die klassische Autoindustrie umtreiben. Egal ob beim Autonomen Fahren oder bei alternativen Antrieben – die Nutzfahrzeughersteller wollen schon in den kommenden Jahren viele Technologien der Mobilität von Morgen serienreif machen.

„Die Digitalisierung in der Nutzfahrzeugbranche ist schon viel weiter fortgeschritten als in der klassischen Autoindustrie“,  meint MAN-Chef Joachim Drees, auf dem  ersten Nutzfahrzeug-Gipfel 2017 des Handelsblatts in München. Alle zwei Jahre treffen sich hier Experten, um über den „Gütertransport der Zukunft“ zu reden.

Die Vorreiterrolle der Brummis erklärt MAN-Chef Drees mit einer einfachen Tatsache: „Schon heute wissen die Flottenbetreiber ganz genau, wo ihre Fahrzeuge stehen und kennen genau den Betriebszustand.“ Während in der Autoindustrie oft nach Prestige oder Image gekauft werde, gehe es in der Logistik vor allem um die Effizienz und ums Geschäft.

Selbstfahrende Lkw können dabei nicht nur die Transportkosten massiv senken, sondern dank sensibler Sensoren auch Unfälle verhindern. Selbstfahrende Technologie können erst mal im halböffentlichen Bereich, beispielsweise auf Werksgeländen, Baustellen oder Häfen, getestet werden, erzählen die Manager.

Schon heute testen Hersteller wie Daimler und MAN so genanntes Platooning. Dabei fahren Lastwagen vollautomatisiert „in Kolonne“, können durch eine direkte Vernetzung in kürzerem Abstand voneinander fahren – und so auch Diesel einsparen.

Damit solche Zukunftskonzepte funktionieren, sei aber auch die Politik gefordert, meint Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilhersteller (VDA). Er geht mit der deutschen Verkehrspolitik hart ins Gericht. Ohne große Investitionen in ein 5G-Netz sei Platooning kaum möglich.


Kein Interesse am Elektrotruck

Auch Andreas Renschler, Chef der VW-Nutzfahrzeugsparte „Truck & Bus“, stimmt ein. „Die Autobahnen müssen auch Datenautobahnen werden“, fordert Renschler. 40 Prozent aller Frachtvolumen blieben heute ungenutzt. Darum müsse man Frachtbörsen und Lastwagen besser vernetzen. Dafür fehle die digitale Infrastruktur. „Wir reden von 5G und haben noch nicht einmal stabiles 3G-Netz.“

Andere Länder wie Schweden seien bei diesem Thema viel weiter. Auch bei Straßen, Schienen und Flughäfen sieht der Manager großen Nachholbedarf. An den die Politik in Berlin appellierte er: „Wir können uns keinen weiteren Stillstand leisten und keine Regierung, die nur geschäftsführend verwaltet.“

Auch VDA-Präsident Wissmann verlangt darüber hinaus mehr Realismus in der Politik. Bis 2030 rechne die Bundesregierung mit bis zu 30 Prozent mehr Gütertransport, zugleich wolle sie den CO2-Ausstoß im Verkehr um 40 Prozent senken, sagte Wissmann. Politiker sollten „gelegentlich die Sache zu Ende denken: Enorm steigende Gütermengen und gelegentlich unrealistische andere Ziele bringt auch Europa nur ganz schwer zusammen.“

Denn mit der Elektromobilität sei der CO2-Ausstoß der Nutzfahrzeuge in der Masse kaum zu senken, sind sich die Teilnehmer des Gipfels einig. Stadtbusse und Transporter für die Innenstadt könne man zwar umstellen, doch auf der Langstrecke sei der batterieelektrische Antrieb noch keine Alternative – trotz neuer Konzepte wie dem Tesla Truck Semi. „Ich kann mir da derzeit bei einem Batteriegewicht von acht bis zwölf 12 Tonnen  kein Geschäftsmodell vorstellen“, sagt MAN-Chef Drees. „Ich gehe davon aus dass auf der Langstrecke wir noch sehr lange Zeit Verbrennungsmotoren sehen werden.“

Große Hoffnungen setzt Scania-Chef Henrik Henriksson in die sogenannten E-Fuels, synthetische Kraftstoffe, die mittels Strom aus Wasser und Kohlendioxid (CO2) hergestellt werden. „Wir sollten uns auf verfügbare Technologien fokussieren, statt dauernd das Zero-Emission als Totschlagargument zu benutzen“, meint der Scania-Chef. Es gehe darum, schnell Emissionsverbesserungen zu erzielen. Für den neuen Konkurrent Tesla, der kürzlich einen E-Laster vorstellte, hat Henriksson nur bissige Kritik übrig: „Wir bringen nur Modelle auf den Markt, die unseren Kunden nutzen – nicht dem Kapitalmarkt.“

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