Health-i Award „Zeigen, dass es funktioniert“

Das Handelsblatt und die Krankenkasse „Die Techniker“ haben Innovationen in der digitalen Gesundheit ausgezeichnet. Die Jury will damit risikobereite Jungunternehmer ehren – wie Saskia Biskup, Gründerin der Firma CeGaT.

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Das Handelsblatt und die Krankenkasse „Die Techniker“ haben Saskia Biskup (Mitte) zur Persönlichkeit des Jahres im Bereich der digitalen Gesundheit gekürt. Handelsblatt-Chefredakteur Sven Afhüppe (l.) und Dr. Jens Baas (r.), Vorsitzender des Vorstands der Techniker Krankenkasse, gratulieren zur Auszeichnung. Quelle: Marc-Steffen Unger für Handelsblatt

Berlin Eine der schönsten Geschichten, die die Digitalisierung geschrieben hat, geht so: Ein kleines Mädchen, sechs Monate alt, wird ins Krankenhaus eingeliefert. Die Diagnose lautet Knochenmarksversagen. Die Ärzte raten zur Transplantation. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Baby den Eingriff überlebt, liegt bei 50 Prozent. Da kommt einer von ihnen auf eine Idee. Der Bruder des kleinen Mädchens war im Alter von sieben Monaten an derselben Krankheit gestorben. Könnte ein Gendefekt die Ursache sein?

Sie rufen Saskia Biskup an, Fachärztin für Humangenetik und Gründerin der Genom-Analyse-Firma CeGaT. Innerhalb von zwei Wochen analysieren Biskup und ihr Team das Erbgut beider Eltern und vergleichen es mit dem des Kindes. Tatsächlich finden sie eine winzige Abweichung, die große Auswirkungen auf den Stoffwechsel hat, nämlich auf das Vitamin B12, das wichtig für die Knochen ist. Die Transplantation wird abgesagt. Stattdessen spritzen die Ärzte dem kleinen Mädchen hochdosiertes Vitamin B12. Es überlebt und wird sich allen Voraussagen nach normal entwickeln.

Für Leistungen wie diese haben das Handelsblatt und die Krankenkasse „Die Techniker“ Saskia Biskup zur Persönlichkeit des Jahres im Bereich der digitalen Gesundheit gekürt. Die Auszeichnung wurde im Rahmen des Health-i-Awards im Umspannwerk Kreuzberg in Berlin vergeben. „Wir fragen uns: wie kann die Digitalisierung dazu beitragen, die Akteure zusammenbringen, die zusammengehören, für eine bessere und effizientere medizinische Versorgung?“, erklärte Techniker-Chef Jens Baas die Motivation für die Initiative. „Im Gesundheitssektor gibt es jede Menge innovative Ansätze – und nicht zuletzt ein großes ökonomisches Potenzial“, ergänzte Handelsblatt-Chefredakteur Sven Afhüppe. Diesen Ideen wolle man mit dem Health-i-Award eine Plattform bieten.

Auszeichnen wolle man auch den Mut der Gründer, die, wie Saskia Biskup, oft hohe persönliche Risiken auf sich nehmen, um ihre Visionen wahrzumachen. Biskup selbst sagte, sie hoffe, durch die öffentliche Aufmerksamkeit auch in der Politik und bei den gesetzlichen Krankenkassen ein besseres Gehör zu finden. Denn technisch sei heute oft schon eine viel bessere medizinische Leistung möglich als die, die den Patienten von Gesetz wegen zusteht.

Gleich drei neue Start-ups durften sich an diesem Abend auf der Bühne präsentieren – oder pitchen, wie man das in der Gründer-Szene nennt. MySugr ist eine App, die Diabetikern dabei helfen soll, ihre Werte zu überprüfen – und ihnen dabei hilft, Entscheidungen zu treffen, etwa über die Dosierung des lebensnotwendigen Insulins. „Wir helfen in der einsamen Zeit zwischen den Arztbesuchen“ sagt MySugr-Gründer Frank Westermann, der selbst von der Krankheit betroffen ist.

Jakob Futorjanski, Gründer von Neuronation, stellte seine App vor, mit der Menschen auf spielerische Art und Weise ihr Gedächtnis trainieren und ihr Gehirn damit widerstandsfähiger gegen Krankheiten wie Demenz machen sollen. Zum Sieger aber kürte das Publikum ein anderes Start-up: Viomedo, gepitcht von Gründer Alexander Puschilov, bringt Menschen, die zum Teil an seltenen, schwer therapierbaren Krankheiten leiden, mit Ärzten und Pharmazeuten zusammen, die neue Therapieansätze in klinischen Studien erforschen. „Es gibt viele innovative Ansätze, aber es dauert oft viel zu lange, bis sie bei den Betroffenen ankommen“, sagt Puschilov.

Mit SpinDiag wurde beim Health-i-Award auch eine Innovation ausgezeichnet, die es noch nicht auf den Markt geschafft hat: Daniel Mark, Forscher an der Universität Freiburg, entwickelt mit seinem Team eine Diagnoseplattform, die es Krankenhäusern ermöglichen soll, in weniger als 30 Minuten festzustellen, ob Patienten bei der Aufnahme mit Antibiotika-resistenten Keimen besiedelt sind und isoliert behandelt werden sollten. Im Labor funktioniere die Technik bereits, erzählte Mark, bis das Produkt zugelassen sei, brauche es noch viel Zeit – und vor allem: Geld.

Die Finanzierung ist oft die größte Hürde für Innovationen im Gesundheitsbereich. Anders als bei einem Online-Shop oder einer Kommunikations-App ist echte Forschung nun mal teuer – und riskant. Saskia Biskup und ihr Mann etwa haben privat Kredite aufgenommen, um Kosten von 80.000 Euro im Monat zu finanzieren. Inzwischen ist mit Braun Melsungen ein strategischer Partner bei CeGaT mit an Bord.

Einen ganz anderen Weg in die Digitalisierung ist Georg Walkenbach gegangen. Er ist Geschäftsführer der Firma Beurer, gegründet 1919 als Anbieter von Heizdecken. Heute umfasst die Produktpalette unter anderem Blutdruckmessgeräte, Waagen und Lichttherapiegeräte – und digitale Apps.

„Sleep Expert“ zum Beispiel analysiert die Daten, die ein Sensor unter der Matratze erfasst und zeichnet dem Nutzer ein präzises Bild seines Schlafes: War er leicht oder tief, und wie lange hat das Einschlafen gedauert?“ „Zum Schlafen kann man sich nicht zwingen“, sagt Walkenbach. „Aber wenn man weiß, in welchen Nächten, unter welchen Bedingungen man gut schläft, kann man versuchen, den Schlaf zu optimieren.“ Dafür wurde Beurer ebenfalls mit dem Health-i-Award ausgezeichnet.

Für Techniker-Chef Jens Baas hat der Abend etwas gezeigt, was er sonst im Gesundheitswesen manchmal vermisst. „Normalerweise wird immer gesagt, was alles nicht geht. Heute haben wir Lösungen gesehen, die zeigen, dass es funktioniert.“

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