Heinrich Weiss Der Chef der SMS Group kämpft um sein Lebenswerk

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Revidierte Fehlentscheidungen

Bis Schönbeck sich einen zweiten Patzer erlaubte: Anfang des Jahres ging ein weiterer Großauftrag an der SMS Group vorbei. Diesmal suchte der russische Oligarch Anatoli Sedych einen Hüttenzulieferer, der ihm ein neues Großröhrenwerk in Vyksa, 500 Kilometer südwestlich von Moskau, errichtet. Volumen: 400 Millionen Euro. Doch obwohl Weiss Sedych seit Jahren gut kennt, konnte Schönbeck auch diesen Auftrag nicht gewinnen, weil SMS zu teuer war.

Für Weiss war das Maß damit voll: Nach nur neun Monaten im Amt musste Schönbeck im März dieses Jahres seinen Hut nehmen. Seitdem führt Burkhard Dahmen die Holding. Dahmen ist ein Eigengewächs. Er leitete zuvor die Sparte SMS Siemag im Siegerland, die im Weiss-Reich für die Planung, Projektierung und Errichtung von Stahl- und Walzwerken zuständig ist. Der Patriarch korrigiert mit seiner Personalentscheidung auch eine eigene Fehleinschätzung: Er hatte Schönbeck Dahmen vorgezogen, weil Letzterer zu sehr operativer Großanlagenbauer und zu wenig Stratege zu sein schien. Nun übertrug er Dahmen die Verantwortung für das Restrukturierungsprogramm bei der Gesamtgruppe.

Hilfe von Chinesen

Dahmen soll vor allem Kosten kappen. Einen Kostenblock von 250 Millionen Euro soll der neue Vormann aus dem Konzern herausschneiden. „Die Gemeinkosten haben wir bereits ziemlich weit heruntergebracht, jetzt sind die Herstellkosten an der Reihe, die bei uns 70 Prozent vom Auftragswert betragen“, sagt Weiss.

Dazu wurden jetzt 15 Arbeitsgruppen gebildet, die Komplexität aus dem Anlagenbau herausnehmen und Doppelfunktionen eliminieren sollen. „An den Arbeitsgruppen sollen auch unsere ausländischen Mitarbeiter teilnehmen, die einen Sinn für einfache Lösungen haben. Ihnen soll genau zugehört werden“, sagt Weiss – vor allem den chinesischen Ingenieuren, die einen praktischen Sinn für Einfachheit haben. SMS beschäftigt in Shanghai 1000 Mitarbeiter. Von denen sollen einige nun helfen, Anlagen einfacher und billiger zu machen, damit SMS wieder mehr verdient.

Neue Aufträge erhofft sich Weiss durch einen Angriff auf Siemens. So will er beim Geschäft mit elektronischen Steuerungen stärker mitmischen. Bis 2006 kaufte SMS solche Komponenten bei der Siemens-Sparte Automation and Drives in Erlangen, seitdem baut SMS die Relais in Eigenregie. Elektrik und Automation haben bei Stahlwerken einen Anteil von 25 Prozent, 75 Prozent ist Mechanik. Den Elektronikbereich will Dahmen jetzt erweitern, um auch anderen Unternehmen die Automation anzubieten und das Ersatzteilgeschäft auszubauen. 300 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet die neue SMS-Sparte bereits.

Ein Problem bleibt ungelöst: die Nachfolge von Weiss als Chefkontrolleur und Vertreter der Eigentümerfamilie. Weiss hat zwar einen Sohn. Der ist aber erst 23 Jahre alt und studiert noch Wirtschaftswissenschaften. Bis der Filius managementtauglich ist, wird es noch dauern. Wer wird sein Nachfolger? Weiss, sonst nie um eine Antwort verlegen, schweigt.

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