Heinrich Weiss Der Chef der SMS Group kämpft um sein Lebenswerk

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"Wachstum ist nicht alles"

Weiss kennt solche Bedrohungen. Er hat immer versucht, das Familienunternehmen durch Zukäufe so groß werden zu lassen, dass es in der Weltliga mitspielen konnte. Daher fusionierte er die 1871 von seinem Urgroßvater als Schmiede gegründete Siemag Anfang der Siebzigerjahre mit dem Düsseldorfer Schwermaschinenkonzern Schloemann zu SMS – SM steht für Schloemann, das zweite S für Siemag. 1999 folgte der nächste Schlag: „HW“, wie Weiss intern genannt wird, kaufte anlässlich der Übernahme von Mannesmann durch den britischen Mobilfunker Vodafone das Hüttengeschäft der Düsseldorfer.

Nach dem Parforceritt zur Weltgeltung weiß der Unternehmer heute: „Wachstum ist nicht alles, der Gewinn muss stimmen.“ Genau da hapert es. Weiss bekommt zurzeit zwar Aufträge, aber nur für kleine Anlagen, und die bringen nicht genug Ertrag. Grund für die Zurückhaltung seiner Kunden ist die Stahlkrise: Weltweit gibt es nach Expertenschätzung 20 Prozent Überkapazität. Die Preise sinken, der Kostendruck wird von den Stahlproduzenten an die Hüttenlieferanten weitergegeben, deren Margen ebenfalls schmelzen.

Zu teure Angebote

Ein gutes Beispiel für diese Kettenreaktion ist der Auftrag, den die SMS Group vorvergangene Woche bekam. Der Stahlkocher Big River Steel aus Mississippi County baut im US-Staat Arkansas für 1,6 Milliarden Dollar ein neues Werk. Doch die Düsseldorfer bekamen nicht den Komplettauftrag für das gesamte Werk, sondern nur einen Auftragsanteil von 400 Millionen Euro.

In den mehr als fünf Jahre dauernden Verhandlungen drückte Big River Steel den Preis zudem immer weiter. Die Folge: SMS fand keine Geschäftsbank mehr, die das Großprojekt finanzieren wollte. Erst als die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) einen Exportkredit in Höhe von 794 Millionen Dollar gewährte, konnte die SMS Group den Vertrag unterschreiben.

Umsätze und Gewinne der SMS Group

Dass es anderen Anlagenbauern ähnlich geht, weil Geschäftsbanken große Risiken scheuen, ist für Weiss ein schwacher Trost. Denn die Krise bei SMS ist zumindest zum Teil hausgemacht. Weiss verliert Aufträge an Konkurrenten, die ihm lukrative Großaufträge vor der Nase wegschnappen.

Nicht nur, dass SMS häufig zu teuer ist, es gibt auch ein kulturelles Problem. Das Top-Management handelt nicht so, wie es Weiss von seinem Vater gelernt und selbst immer praktiziert hat: direkt zum Kunden gehen, persönliche Beziehungen aufbauen, bei Problemen auf der Matte stehen. Daher wolle Weiss jetzt eine neue „We-try-harder-Atmosphäre“ schaffen, schildert ein Mitarbeiter den Stil des 72-Jährigen.

Vor zwei Jahren suchte Benteler aus Paderborn für seine Stahlröhrenproduktion mit fast einer Milliarde Euro Umsatz einen Lieferanten für ein neues Werk im US-Staat Louisiana. Monatelang hing der Großauftrag im Volumen von 300 Millionen Euro in der Schwebe. SMS kam nicht zum Zug, Konkurrent Danieli bot preiswerter an. Dennoch verzieh Weiss seinem Vorstandssprecher Joachim Schönbeck, den er 2004 von Siemens geholt hatte, um das Röhrengeschäft zu leiten, und machte ihn zu seinem Nachfolger als Holding-Chef.

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