Feinkosthersteller Homann Mitarbeiter ergreifen nach Umzugschaos die Flucht

Barbara Schöneberger und der Fleischsalat. Quelle: Presse

Beim niedersächsischen Feinkosthersteller Homann herrscht Chaos. Ein geplanter Umzug nach Sachsen stockt. Inhaber Theo Müller hat sich verzockt. Warum sich die Mitarbeiter abwenden.

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Kurz vor Weihnachten tauchte am Schwarzen Brett im Aufenthaltsraum am Stammsitz des Feinkostherstellers Homann ein Schreiben der Geschäftsleitung auf. Betreff: „Projektstand Iris“. „Iris“ steht für die Umsiedlung Homanns vom bisherigen Standort im niedersächsischen Dissen nach Sachsen. Ein Multi-Millionen-Euro-Unterfangen, das das Unternehmen aus der Firmengruppe von Milchmilliardär Theo Müller seit Monaten beschäftigt.

Der Inhaber hofft auf fallende Kosten am neuen Standort, ein Großteil der Belegschaft fürchtet den Wegzug in die Diaspora. Doch nun hieß es in dem knappen Schrieb, dass sich das Projekt nach Abschluss von Interessenausgleich und Sanierungsplan in einer Überprüfungsphase befindet. Weitere Details wurden nicht genannt. Aber „Überprüfungsphase“, das klang nicht wie Fortgang nach Plan. Auch ein Müller-Sprecher bleibt kryptisch: „Wir haben festgestellt, dass sich gewisse Rahmenbedingungen für das Projekt geändert haben, deshalb findet diese Überprüfung statt.“ Mehr gebe es dazu nicht zu sagen.

Seither träumt mancher in Dissen davon, dass Rollmopsproduzent Homann und damit der eigene Arbeitsplatz doch vor Ort bleibt. Es wäre eine erneute Wendung in dem schillernden Drama, das dieser geplante Umzug mittlerweile birgt. Dabei geht es um verprellte Betriebsräte, verunsicherte Mitarbeiter, getäuschte Politiker und einen fulminanten Talentabfluss bei Homann, der sogar die Produktion gefährdet.

Nach monatelangen Gesprächen, involviert waren unter anderem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Exwirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD), fällte Müller vor einem Jahr seine Entscheidung: Das Stammwerk und drei weitere kleinere Fabriken mit insgesamt fast 1600 Mitarbeitern werden bis 2020 dichtgemacht und die Produktion ins 550 Kilometer entfernte sächsische Leppersdorf bei Dresden verlagert. Dort will Müller für 500 Millionen Euro ein neues Feinkostwerk für 800 Mitarbeiter hochziehen – gegenüber seiner Lieblingsfabrik, der Großmolkerei Sachsenmilch. Nebeneffekte der Aktion: Effizienzgewinn für Theo Müllers Firmenimperium. Vermutete Subventionen vom Freistaat Sachsen über einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag. Und höchste Alarmstufe in Dissen. Wenn denn alles glattgeht.

Und genau das steht nun infrage. Konsequenz: Der Hersteller, mit einem geschätzten Umsatz von 600 Millionen Euro, der ohnehin nicht als Ertragsperle im Müller-Reich gilt, wird zerrieben. Müller, den Deutschen auch deswegen vertraut, weil er, um Steuern zu sparen, in die Schweiz zog oder gegenüber Greenpeace-Demonstranten auch mal handgreiflich wurde, könnte sich mächtig verzockt haben. Denn so schnell wie ein Homann-Geflügelsalat Hawaii aufs Toastbrot geschmiert wird, so haben sich seit dem Sommer auch die Rahmenbedingungen für den Standortwechsel verändert. Von der Geschäftsführung etwa, die sich ursprünglich mit den Plänen eines Umzugs von Dissen nach Leppersdorf befasste, ist niemand mehr an Bord. Vor allem aber fallen zu Müllers Ärger die Subventionszahlungen für den Neubau geringer aus als offenbar geplant.

Die Sächsische Aufbaubank hat dafür kurz vor dem Jahreswechsel zwar einen Investitionszuschuss in Höhe von 11,3 Millionen Euro bewilligt. Ursprünglich sollen vom Unternehmen aber Beihilfen in Höhe von 25 bis 30 Millionen Euro beantragt worden sein. Wie es jetzt weitergeht? „Wir wissen nichts. Und daher gehen wir nach wie vor davon aus, dass hier im Februar 2020 Schluss ist“, sagt Betriebsrat Andreas Straede.

Schon tauchen Gerüchte auf, alles werde nun doch nach Polen verlagert. Das Land galt schon vor der Entscheidung für Sachsen als Alternative. Die Personalquerelen würde das nicht lösen, auf Dauer aber wohl die Kosten drücken.

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