Hubert Lienhard "Besser ein guter chinesischer Investor als ein schlechter Nachfolger"

Bei dem Heidenheimer Maschinenbauer Voith kumulieren sich die Probleme vieler in Branche. Umstrukturierungen, Digitalisierung, chinesische Investoren und großes Amerika-Geschäft unter dem neuen Präsidenten Trump. Wie will Chef  Hubert Lienhard das lösen?

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Hubert Lienhard, 65, ist seit 2008 Chef von Voith. Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Lienhard, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und jetzt auch die US-Behörden haben aus Sicherheitsgründen ein Problem damit, dass chinesische Investoren den angeschlagenen deutschen Maschinenbauer Aixtron mehrheitlich übernehmen. Werden Unternehmen zunehmend zum Spielball der Politik?
Lienhard: Nein, die Bundesregierung hat absolut das Recht zu prüfen, ob nationale Interessen gegen einen Investor sprechen. Mich verwundert viel mehr, dass China das Thema so hoch gespielt hat. Ich bin der Meinung, dass wir Deutschen im Vergleich zu China einen sehr, sehr offenen Markt haben. Es würde der chinesischen Wirtschaft sehr gut tun, auch einen so offenen Markt zu haben und mehr ausländische Investoren ins Land zu holen. Die Wirtschaft in China will in Richtung höhere Qualität gehen und ohne staatliche Restriktionen könnte die europäische Industrie helfen, dass China das schneller schafft.

Sie sind Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Wie schaffen wir es, dass China sich stärker öffnet? Müssen wir unsererseits die chinesischen Aktivitäten hierzulande bremsen?
Ich bin absolut dagegen, dass wir uns abschotten. Besser wäre, die EU würde sich verbindlich auf einen Katalog einigen, unter welchen Bedingungen sich chinesische Unternehmen in den Mitgliedsstaaten an Unternehmen beteiligen oder sie übernehmen dürfen. Nehmen Sie Australien als Beispiel: Das Land hat sehr rigide Regeln für Übernahmen, aber die sind absolut transparent.

Das heißt, Sie haben keine Angst vor einem deutschen Know-how-Ausverkauf an die Chinesen?
Da reicht doch der Blick auf die Zahlen: Über 90 Prozent aller deutschen Unternehmen sind in Privatbesitz. Die kann kein Chinese gegen den Willen der Eigentümer schlucken, das geht nur bei börsennotierten Unternehmen. Und falls eine Familie dafür ist zu verkaufen, was spricht dagegen in einer freien Marktwirtschaft? Besser ein guter chinesischer Investor mit starken Interesse als ein schlechter Nachfolger.

Was bedeutet Donald Trump als Nachfolger von US-Präsident Barack Obama für Voith? Sie machen rund zwölf Prozent Ihres Umsatzes in Amerika.
Wenn er alles so umsetzen würde, wie er es im Wahlkampf kommuniziert hat, dann hätte ich schon Sorge um die globale Konjunktur. Importzölle würden uns aber nur zum Teil betreffen, weil wir in großem Umfang direkt in den USA produzieren. Damit träfen uns in erster Linie Umrechnungseffekte beim Dollar. Aber die Automobilindustrie könnte weniger wachsen, das Weltbruttosozialprodukt ebenso und das könnte uns somit mittelbar schaden. Ich  bin froh, dass wir grundsätzlich in einer Region für eine Region produzieren.

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Wie steuern Sie Ihre mehr als 60 (wie viele sind es genau?) Auslandsniederlassungen von Heidenheim auf der Ost-Alb aus?
In dem wir ausdrücklich keine Expats als Chefs vor Ort haben, sondern einheimische Manager. Die sind in den Ländern einfach viel tiefer verwurzelt und kennen die Märkte und die Kultur bestens.

Amerika ist der größte Exportmarkt des deutschen Maschinenbaus. Dafür wirken Sie entspannter als andere Unternehmer in der Trump- und TTIP-Frage.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, es hilft nicht auf seinem Stuhl auf und ab zu hüpfen, wenn man noch nicht weiß, was kommt. Es ist die Aufgabe eines Unternehmens, erstmal die Lage sehr genau zu prüfen und dann zu entscheiden. Mehr Sorgen macht mir gerade die Frage, ob die USA chinesische Importe tatsächlich mit 40 Prozent Zoll belegen werde, denn das könnte zu einer Weltrezession führen.

Entspannte Digitalisierung?

Sind Sie beim Thema Digitalisierung auch so entspannt? Analysten warfen Voith vor, diesen Zug fast verpasst zu haben.
Im Gegenteil: Wir erhalten von Branchenexperten und aus der Industrie, wie auch von Analysten sehr viel Zuspruch für unseren Ansatz. Wir haben einen zentralen Konzernbereich mit rund 1.500 Mitarbeitern ausschließlich für den Bereich Digitale Industrie. Ich bin überzeugt: Wir werden in zehn Jahren genau sehen, welche Maschinenbauer den richtigen Weg eingeschlagen hat. Wir haben uns überlegt: Wir sind mit den drei Bereichen Wasserkraft, Papiermaschinen und Turbo sehr dezentral aufgestellt. Früher war das von Vorteil, bei der Digitalisierung ist es von Nachteil, weil wir viele Datenanalysen unserer Maschinen drei Mal machen.

Deshalb haben wir jetzt eine zentrale Einheit Digital Solutions mit 1500 Mitarbeitern gegründet, die alle digitalen Aufgaben im gesamten Konzern zentral steuert.

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1500 Leute, das ist ja schon wieder eine Großfirma für sich. Andere Maschinenbauer wie SMS, wo Sie Aufsichtsrat sind, setzten auf kleine Truppen von Querdenkern, die außerhalb der Konzernstrukturen und ohne Reisekostenanträge nutzbringend spinnen dürfen. Was passt, wird dann vom Konzern übernommen.
Jedes Unternehmen muss seinen Weg finden. Bei Voith glauben wir nicht an ein paar wenige Leute, die mal freigelassen werden und Hoodies tragen. Freiheit haben die Leute bei uns auch. Wir haben derzeit allein 22 Inkubationsprojekte mit rund 670 Leuten auf eigenem Campus. Wir investieren in diesem Jahr 50 Millionen Euro in digitale Produkte.

Ziemlich spät...
Nein. Es ist eine sehr komplexe Arbeit, jedes Maschinenteil zum Sprechen zu bringen. Sie müssen wissen, in welcher Millisekunde was in der Maschine passiert.

Auch das haben andere Unternehmen schon vor fünf Jahren festgestellt.
Ja, und nur ganz wenige haben heute schon Lösungen für dieses hochkomplexe Feld, die ganze deutsche Industrie sucht derzeit nach dem richtigen Weg. Und ich kenne auch viele Unternehmen, die haben das noch gar nicht festgestellt. Insofern noch einmal: Wir erhalten sehr viel Anerkennung für unseren Ansatz. Die deutsche Industrie muss die Automatisierung von 2.0 auf 4.0 bringen, damit wir die richtige Basis haben. Aber bisher gibt es noch nicht mal industriesicheres WLAN.  Wir rechnen mit etwa drei Jahren Entwicklungsarbeit, um aus weltweiten Maschinendaten belastbaren Mehrwert für Kunden und neue Geschäftsmodelle zu generieren.

Was planen Sie denn konkret?
Dazu sage ich Ihnen heute nicht mehr. Unsere Planungen sind schon sehr konkret, aber heute reicht es schon nur eine Idee oder einen Namen zu veröffentlichen und schon kupfert sie jemand ab. Wir haben ein paar so spannende  Dinge auf dem Tisch liegen, da frage ich mich die ganze Zeit, irgendwo muss noch ein Fehler sein, das kann nicht so gut laufen. Aber es ist eben doch so, in unseren Maschinen stecken 150 Jahre technologische Erfahrung. Daten alleine sagen nichts, sie müssen auch die Bedeutung und den Kontext der Maschine verstehen. Insofern glauben wir, dass Firmen mit starkem mechanischem Know-how am Ende die Gewinner der Industrie 4.0.sein werden.

Sie schwimmen Dank des anvisierten Verkaufs ihrer Kuka-Anteile an den chinesischen Investor Midea für rund 1,2 Milliarden Euro im Geld. Da können Sie doch jetzt in großem Rahmen digitales Know-how kaufen und M+A-Berater rennen ihnen die Bude ein?
Das stimmt beides, aber wir sehen uns den Markt für Elektrik, Elektronik und Software ganz gelassen und gründlich an. Die Preise auf dem Markt sind zurzeit überhitzt und Voith ist jetzt gut aufgestellt. Ich sehe zuversichtlich nach vorne.

Industrie 4.0 bedeutet auch, dass Sie von ihren Zuliefern  Daten einfordern werden, deren Heiligtum. Das will nicht jeder.
Das wird sicherlich interessant werden. Im Bereich Papiertechnologie und Wasserkraft sind wir die Hersteller und werden natürlich von unseren Lieferanten verlangen, dass wir ihre Daten bekommen. Im Bereich Antriebstechnik sind wir der Komponentenlieferant, da werden wir gebeten werden, Daten abzugeben und werden das auch machen. Aber wenn es unsere Kernkompetenz betrifft, werden wir sie auch in Zukunft nicht hergeben. Ich vermute, in der Zukunft werden Verträge sich im gleichen Umfang sowohl um die Lieferung der Maschine oder Komponente selbst, wie auch um die Lieferung der Daten und ihre Sicherheit drehen. Das wird ein Fest für die Rechtsanwälte werden.

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