Idex in Abu Dhabi Wie die Araber ohne Deutschland aufrüsten

Die Angst vor terroristischen Angriffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten wächst - und damit die Nachfrage nach modernen Waffensystem. Doch die deutsche Industrie scheint dabei leer auszugehen.

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Der saudi-arabische Verteidigungsminister, Prinz Mohammed bin Salman (Mitte), besucht die Idex in Abu Dhabi. Quelle: Reuters

Abu Dhabi Die Armee der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) lässt die Muskeln spielen. Panzer und Sondereinheiten schlagen den Angriff von schwarz-bekleideten Terroristen auf ein Containerterminal entschlossen zurück. Diese Szene der Eröffnungszeremonie der diesjährigen internationalen Verteidigungsmesse (Idex) in Abu Dhabi ist zwar martialisch, aber tatsächlich eine nicht unrealistische Gefahr. Mit der Ausbreitung des Terrorismus im Nahost ist die Stabilität der ölreichen Golfstaaten immer stärker gefährdet. 

Das ist auch bei der diesjährigen Idex zu spüren, sagt Oliver Hoffma. Für den Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des größten deutschen Waffenexporteurs Rheinmetall hat sich die Bedrohungslage spürbar verändert: „Im Gegensatz zur Idex Messe vor zwei Jahren, ist die Bedrohungssituation hier in der Region weniger von einer Bedrohung aus Richtung Iran geprägt, sondern in zunehmendem Maße von einer Bedrohung im terroristischen Bereich,“ sagte dem Handelsblatt.

Die Waffengeschäfte am Golf sind für die Branche lukrativ. Allein im Laufe der Messe verkündete die emiratische Armee Vertragsabschlüsse im Wert von 4.4 Milliarden Euro. Das sind 30 Prozent mehr als 2013. Militärausgaben im arabischen Golf schossen seit Beginn des arabischen Frühlings deutlich in die Höhe. Die VAE, einer der strategischen Partner der USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak, gibt mittlerweile doppelt soviel für Waffen aus wie vor fünf Jahren.

Die erhöhten Rüstungsauslagen gehen einher mit einem sicherheitspolitischen Wandel auf der arabischen Halbinsel. Zwar wirkten die VAE schon in Afghanistan und im Irak bei Einsätzen der USA mit, jedoch verblieben jene Interventionen größtenteils unter dem Radar der Öffentlichkeit. Mit den Luftangriffen gegen die IS sowie Milizen in Libyen haben sich die VAE als aufsteigende Regionalmacht nun öffentlich bekannt.

Das sichtbarere Engagement in regionalen Konflikten signalisiert außerdem, dass die VAE in Sicherheitsfragen weniger von den USA und Regionalmächten wie etwa Saudi Arabien abhängen wollen. „Saudi Arabien ist zwar ein strategischer Partner, aber wir wollen uns nicht komplett auf unseren Nachbarn verlassen, denn das Königreich ist nicht stabil genug“, verrät ein ehemaliger Angehöriger der emiratischen Armee, der anonym bleiben wollte.


Terror bringt neues Geschäft

Die neue Sicherheitslage sorgt für eine wachsende Rüstungsnachfrage. Repräsentanten der Armee in den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigen großes Interesse an der neuesten Technologien der deutschen Hersteller. Rheinmetall hat einen hochentwickelten Hochenergielaser mit nach Abu Dhabi gebracht, der treffgenau und unauffällig die Abwehr von terroristischen Anschlägen durch Flugobjekte wie etwa Drohnen ermöglicht. Die Technik wird bereits seit 2004 von der Schweizer Armee angewandt, allerdings steigt mit dem zunehmenden Gebrauch von Drohnen, wie etwa in Paris, auch die Relevanz für die zivile Anwendung.

Die Entwicklung der Zukunftswaffe würde noch mindestens vier Jahre dauern und Investitionen in der Höhe von etwa 300 Millionen Euro erfordern. Am Geld scheitert es im reichen Wüstenemirat nicht; was fehlt, ist oft die Ausfuhrgenehmigung der Bundesrepublik. Mit der vorjährigen Ankündigung des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD), eine restriktivere Ausfuhrpolitik in NATO-Drittländer einzuführen, werden solche langfristigen Projekte zunehmend ein Risiko für deutsche Hersteller. Denn die Restriktionen dürften auch auf die kaufkraftstarken Golfstaaten zutreffen.

Obwohl Waffenlieferungen an Drittländer generell an „besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik“ gebunden sein sollen, seien solche Ausnahmen vermehrt zur Regel in den vergangenen Jahren geworden, klagte Wirtschaftsminister Gabriel in einer Rede im Oktober 2014.

Das soll sich ändern. Bereits 2014 sank der Gesamtwert der erteilten Exportgenehmigungen um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Einzelgenehmigungen für Drittländer gingen auch deutlich zurück. Marktbeobachter halten den Kurs der Regierung allerdings nicht für vollständig konsequent. Für die Ausfuhr von Waffen im Wert von 70 Millionen Euro an kurdische Kämpfer im Irak hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr bereits eine Ausnahme von der Regel gemacht, generell keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Solche Ausnahmen könnten sich wiederholen, denn zusätzliche Lieferungen werden bereits diskutiert. 

Herstellern zufolge werden Rüstungsexporte in der Regel als Einzelfallentscheidungen gehandhabt. Das Beispiel der Kurden im Irak hat gezeigt, dass es auch sehr kurzfristig  unerwartete Entwicklungen in Bereich der Politik gegen kann  die zu Entscheidungen führen die man sich vor ein paar Monaten noch nicht hätte vorstellen können“, so Oliver Hoffmann von Rheinmetall.

Die deutschen Hersteller sind bei der Idex darum wenig besorgt, dass der Rückgang der Exporte im Vorjahr sich in den kommenden Jahren fortsetzt. Durch die lange Verhandlungslaufzeit der Verträge kann es zu jährlichen Exportschwankungen kommen, so ein Industrieexperte.  


Deutschland ist Lieferant, kein strategischer Partner

Trotzdem könnte sich der Wandel der Ausfuhrpolitik langfristig negativ auf jahrzehntelange Kundenbeziehungen im arabischen Raum auswirken. Deutsche Hersteller, die oft an der Spitze der Innovation stehen, könnten langsam vom Markt verdrängt werden. Die Zuliefererindustrie könnte auch leiden, denn ausländische Hersteller sollen bereits Produkte als „German-free“ auslegen, um die nahtlose Wiederausfuhr in NATO-Drittländer zu gewährleisten.  

Neben der wirtschaftlichen Bedeutung der Waffenbranche betonen die deutschen Hersteller auch, dass man über die Exporte auch Einfluss in der Region ausüben könne. „Wenn Deutschland sich völlig davon zurückzieht, militärische Ausrüstungshilfe zu leisten, schlagen wir eine Tür zu, und nehmen uns die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen“, sagt Rheinmetall-Sprecher Hoffmann.

Tatsächlich sind die Einflussmöglichkeiten schon heute begrenzt. In den Emiraten ist vor allem das Bündnis mit dem USA entscheidend, Deutschland wird von den Arabern nur als Lieferant, nicht mehr als ein strategischer Partner gesehen. „Die VAE haben ein institutionelles und viel persönlicheres Verhältnis mit unseren amerikanischen Verteidigungspartnern. Die Partnerschaft mit Deutschland hingegen hat einen transaktionellen Charakter“, sagt Ahmed Al Attar, Vizedirektor für Verteidigung und Sicherheit beim Delma Institut in Abu Dhabi.

Dass die Begrenzung der deutschen Waffenexporte maßgeblichen Einfluss auf den Waffenbestand in der Region haben könnte, bezweifeln die Marktbeobachter. Am internationalen sowie wachsenden heimischen Angebot mangelt es nicht. Wenn Deutschland die Waffen nicht liefert, gibt es andere, die der wachsenden Nachfrage nachkommen.  

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