Im Namen des Vaters Ludwig Merckle kämpft um die Familienehre

Vier Jahre nach dem Selbstmord seines Vaters startet der schwäbische Unternehmerspross durch – und versucht alles, um die Familienehre wiederherzustellen.

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Steueroase Zossen - In der ehemaligen Kommandantenvilla der Roten Armee hat Merckle etwa 70 Firmen untergebracht Quelle: Werner Schüring für WirtschaftsWoche

Andere Unternehmen firmieren auf den Bahamas, den Britischen Jungferninseln oder in Panama, um Steuern zu sparen. Etliche Unternehmen der Familie Merckle zieht es nach Zossen, Ortsteil Wünsdorf, in die Zehrensdorfer Straße 4.

Hier, in der 17.000-Einwohner-Gemeinde, 30 Kilometer südlich von Berlin, war von 1936 bis 1945 das Oberkommando des deutschen Heeres stationiert. In dem Haus am Stadtrand, in dem Merckle sage und schreibe rund 70 Firmen untergebracht hat, residierte zu DDR-Zeiten die Sowjetarmee.

Das Erdgeschoss des geschichtsträchtigen, zartgelb gestrichenen Gebäudes beherbergt heute ein China-Restaurant namens Peking Garten. Doch die Briefkastenanlage davor, weiß, vier Klappen, davon eine defekt, lässt ahnen, dass es hier mehr gibt als „Sam-Sing-Suppe“ oder „Das gute Schwein von Szechuan“. Vier DIN-A4-Blätter, die auf dem Kasten kleben, listen rund sechs Dutzend Firmen auf, die allesamt in der Etage über dem Restaurant ihren Sitz haben: die Kötitzer Ledertuch- und Wachstuch-Werke, die Hageda GmbH, die Otto Stumpf GmbH und so weiter und so fort – und die Ludwig Merckle GmbH & Co. KG.

Freude am Steuersparen

Es gibt keine Klingel, die zu betätigten wäre, um Einlass in das unbekannte Reich zu erhalten. Die Tür gibt nach, eine schmale Treppe führt nach oben, wo sich sieben Mitarbeiter allem Anschein nach um die 70 Firmen kümmern. Eine Frau Kühn, die offenbar das Sagen hat, gibt sich wortkarg und verweist auf die Pressestelle des Herrn Merckle. Warum er etwa 70 Firmen in der brandenburgischen Provinz angesiedelt oder dorthin verlegt hat, will auch Merckle nicht sagen. Dazu nehme er keine Stellung.

Bekannt ist lediglich, dass Zossen bei der Gewerbesteuer nur den Mindestsatz verlangt. Damit wirbt die brandenburgische Gemeinde auf ihrer Internet-Seite.

Die tragische Geschichte von Ratiopharm
1973 Quelle: AP
1989 Quelle: dpa
1997 Quelle: dpa
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2006 Quelle: dpa
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Merckle kann sicher sein, dass sein 2009 verstorbener Vater Adolf stolz auf ihn wäre. Der selige Unternehmenspatriarch hatte vor knapp 40 Jahren den Medikamentenhersteller Ratiopharm in Blaubeuren bei Ulm gegründet, Deutschlands größten Pharmagroßhändler Phoenix aufgebaut und im Laufe der Jahre die Mehrheit am heutigen Dax-Konzern HeidelbergCement erworben. Und auch er siedelte zahlreiche Firmen nicht nur im heimischen Blaubeuren unweit von Ulm an, sondern fast exterritorial in Norderfriedrichskoog, einem Flecken in Nordfriesland mit gut drei Dutzend Einwohnern, der bis 2004 überhaupt keine Gewerbesteuer erhob.

Doch Merckle jun. hat weit mehr vor, als der Steuersparwut seines Altvorderen eine Erbstatt zu geben. Den Sohn verlangt es nach Ehre und Rehabilitation, nachgerade Satisfaktion, um seinem tragisch verschiedenen Vater vielleicht doch noch einen stolzen Ruheplatz in der deutschen Industriegeschichte zu verschaffen. Adolf Merckle soll nicht als derjenige in die Annalen eingehen, der sich an einem kalten Tag im Januar 2009 das Leben nahm, weil er sich in der Finanzkrise milliardenschwer übernommen und sein unternehmerisches Lebenswerk aufs Spiel gesetzt hatte.

Um diese Schmach zu korrigieren, hat Merckle sich zu einem hochriskanten Unterfangen durchgerungen. Er entschied, wie die WirtschaftsWoche exklusiv meldete, Porsche auf Schadensersatz zu verklagen. Der Stuttgarter Autobauer, der 2008 Volkswagen übernehmen wollte, soll mit seiner falschen Informations-politik schuld daran gewesen sein, dass sich Adolf Merckle im Herbst 2008, kurz vor seinem Selbstmord, mit VW-Optionen verspekulierte und dadurch 213 Millionen Euro verlor. Porsche weist die Vorwürfe zurück.

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