Regentschaft der Roboter Was die Maschinen für unsere Arbeit bedeuten

Roboter, Software, Automatisierung – mit voller Wucht ist ein zweites Maschinenzeitalter angebrochen. Was bedeutet das für unsere Arbeit? Und unser Zusammenleben? In den USA schlägt die Debatte hoch.

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Der iPal ist ein moderner Roboter. Quelle: dpa

Geht der Mensch den Weg der Pferde? Vom untrennbaren Bestandteil der Arbeitswelt in die Verzichtbarkeit und Welt der Freizeit? Fakt ist: Roboter, Computerprogramme und Maschinen dringen in fast jeden Bereich unserer Arbeit vor. Sie lernen zu gucken und zu sprechen. Sie geben Menschen die Hand. Sie werden schlau.

Die Arbeitsmaschinen ersetzen längst nicht mehr nur schlichte Routine-Jobs und Fabrikarbeit. Sie übernehmen die Tätigkeiten ganzer Branchen. Je stärker der Einfluss von Daten und Automatisierung voranschreitet, umso spannender wird die Frage, welche Rolle der Mensch im Arbeitsleben noch spielt.

Um die digitale Revolution heute zu begreifen, lohnt ein Blick zurück: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beginnt das erste Maschinenzeitalter. Ganz zentral dabei: die Dampfmaschine. Mit der industriellen Revolution ist nicht nur der allmähliche Rückzug des Pferdes aus Verkehr, Landwirtschaft und Militär eingeläutet. Neben die Elektrifizierung und Motorisierung tritt die Mechanisierung - Muskelkraft wird auf breiter Front ersetzt. Der Mensch bleibt Kontrolleur und Steuermann.

Was Roboter schon heute alles können
Im Geschäft persönlich vom Roboter begrüßt zu werden - auch das kann bald für mehr Menschen Realität sein. „Pepper“ hat Knopfaugen, und er ist in astreinem Deutsch recht schonungslos: „Meiner bescheidenen Meinung nach ist dieses Modell nicht besonders schmeichelhaft für Ihre Figur. Dürfte ich Ihnen ein paar neu eingetroffene Modelle zeigen, die mir für Sie besonders gut gefallen?“ Eigene Infos werden per QR-Code auf dem Smartphone gespeichert, den der Roboter im Geschäft dann scannt. In Japan ist Pepper (von SoftBank) bereits aktiv. Quelle: dpa
„iPal“ ist ein künstlicher Freund und Spielgefährte. Der Roboter ist so groß wie ein sechsjähriges Kind. Er kann singen und tanzen, Geschichten vorlesen und spielen. Durch Gesichtserkennung und automatisches Lernen wird „iPal“ mit der Zeit immer schlauer. Er erinnert sich an Vorlieben und Interessen des Kindes. „iPal“ ist keine gefühllose Maschine“, behauptet John Ostrem vom Hersteller AvatarMind. „Er kann Emotionen erspüren und fühlt, wenn das Kind traurig ist.“ Der Roboter, der in rosa oder hellblau angeboten wird, übernimmt auch gleich ein paar vielleicht leidige Erziehungspflichten: Der eingebaute Wecker holt das Kind aus dem Schlaf. Die Wetter-App sagt ihm, was es anziehen soll, und eine Gesundheits-App erinnert ans Händewaschen. „iPal“ wurde vor allem für den chinesischen Markt entwickelt. Ostrem erläutert: „Dort gibt es in den Ein-Kind-Familien viele einsame Kinder, deren Eltern wenig Zeit haben und die einfach niemanden zum Spielen haben.“ Anfang 2016 soll es „iPal“ dort für etwa 1000 US-Dollar (knapp 900 Euro) geben. Quelle: dpa
Wer auf Reisen die Zahnbürste vergessen hat, kann sie bald von einer freundlichen Maschine aufs Zimmer gebracht bekommen. „Relay“, der Service-Roboter, wird in einigen US-Hotels im Silicon Valley getestet. Die Rezeptionistin legt Zahnbürste, Cola oder Sandwich in eine Box im Roboter, dann gibt sie die Zimmernummer des Gastes ein. „Relay“ kann sich selbst den Fahrstuhl rufen – auch wenn er noch ziemlich lange braucht, um wirklich einzusteigen. Er scannt vorher sehr ausgiebig seine gesamte Umgebung, um ja niemanden umzufahren. Vor der Zimmertür angekommen, ruft der Roboter auf dem Zimmertelefon an. Wenn der Hotelgast öffnet, signalisiert ihm „Relay“ per Touchscreen: Klappe öffnen, Zahnbürste rausnehmen, Klappe wieder schließen. „Das Hotel ist für uns erst der Anfang“, sagt Adrian Canoso vom Hersteller Savioke. „Wir wollen „Relay“ auch in Krankenhäuser, Altenheime und Restaurants bringen, einfach überall dahin, wo Menschen essen oder schlafen.“ Quelle: PR
„Budgee“ trägt die Einkäufe und rollt hinterher. Per Funksender in der Hand oder am Gürtel gesteuert, kann er bis zu 22 Kilogramm schleppen, so der US-Hersteller. Er folgt Herrchen oder Frauchen mit mehr als 6 Kilometern pro Stunde. Die Batterie hält angeblich zehn Stunden. „Budgee“ lässt sich zusammenklappen und im Kofferraum verstauen. Die ersten Vorbestellungen werden ausgeliefert, Stückpreis rund 1400 US-Dollar. Quelle: PR
Roboter können nicht nur Einkäufe schleppen, sondern auch für viele Menschen unliebsame Arbeiten im Haushalt abnehmen – und damit sind nicht nur die Staubsaug-Roboter gemeint. Der „PR2“ des Institute for Artificial Intelligence (IAI) der Universität Bremen kann auch in der Küche zur Hand gehen, zumindest in der Laborküche. Quelle: dpa
Ja, heutige Roboter können bereits feinmotorische Aufgaben übernehmen und etwa zuprosten, ohne dass das Sektglas zu Bruch geht. Das ist aber nicht die Besonderheit an diesem Bild. Der Arm rechts gehört Jordi Artigas, Wissenschaftler am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München. Der Roboterarm wird von Sergei Wolkow gesteuert – und der war nicht in Oberpfaffenhofen, sondern auf der Internationalen Raumstation ISS, wie im Hintergrund auf dem Monitor schemenhaft zu erkennen ist. Der „Tele-Handshake“ war nach Angaben des DLR ein weltweit einzigartiges Experiment. Quelle: dpa
Solche Aufgaben, wie etwa dieses Zahnrad zu greifen und weiterzugeben, konnte der DLR-Roboter „Justin“ schon 2012. Dass er aus dem All gesteuert wird, ist jedoch neu und bislang einzigartig. Quelle: dpa

Nun ist eine neue Ära angebrochen, die manche Forscher das zweite Maschinenzeitalter nennen. Maschinen und Programme werden vor kaum etwas Halt machen. Auch nicht vor der Geisteskraft. Bei der Erfindung des Computers hieß es noch, etwa vom Hersteller IBM, die Geräte würden nur das machen können, wozu sie programmiert seien. Das gilt nicht mehr, wenn Maschinen lernen.

Braucht heute noch jemand Arbeitspferde?

In Gestalt selbstfahrender Fahrzeuge werden sie Taxi- und Busfahrer ersetzen, Chauffeure, Baggerführer und Lastwagenfahrer. Über Autobahnen dürften künftig lange Kolonnen führerloser Gefährte rollen.

Maschinen werden an Stelle von Architekten Häuser entwerfen. Sie übernehmen Schwertransporte und Controlling, Übersetzungen und medizinische Diagnosen. Manche mixen Drinks, andere reparieren Uhren, sortieren Bibliotheken, regeln den Verkehr, nehmen an Kriegen teil, kochen in Restaurants, ernten Felder ab und makeln Häuser.

Die Entwicklung der Industrie

Schon jetzt schreiben Programme auch Nachrichten, liefern für den Sportteil Spielberichte und schreiben für die Wirtschaft über Bewegungen an den Börsen. Dabei wird es kaum bleiben.

Pflege, Kliniken, Kraftwerke, Labors, Kanzleien, Sekretariate und Call-Center: Es werden nicht nur Werkbänke leer geräumt, sondern auch Schreibtische und Bildschirmarbeitsplätze.

Eine in Washington vorgelegte Umfrage des Pew-Instituts unter fast 1900 Wissenschaftlern belegt: An Fließbändern und in Fabrikhallen sind Roboter lange Alltag. Jetzt, sagt die Hälfte der befragten Forscher, geht es in die Büros. Wo zum Beispiel Aufträge disponiert oder Konstruktionen entworfen werden.

Martin Ford, US-Autor, Technikexperte und erfahrener Silicon-Valley-Hase stellt fest: „Fast jeder Job, an dem jemand vor einem Bildschirm sitzt und Informationen verarbeitet, ist bedroht.“

Studien sind sich einig: Die Roboter marschieren

61 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland sind mit einem Computer ausgestattet. Das Mannheimer Forschungsinstitut ZEW hat errechnet, dass in Deutschland gut fünf Millionen Jobs leicht automatisierbar wären.

Auf dem jüngsten Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz wurde eine Studie vorgestellt, die in den nächsten fünf Jahren den Wegfall von fünf Millionen Arbeitsplätzen in den Industrieländern voraussagt.

Eine aufsehenerregende, allerdings auch umstrittene Prognose der britischen Universität Oxford sah schon 2013 im Lauf der nächsten 20 Jahre jeden zweiten Job in den USA von Automatisierung, Mechanisierung oder Digitalisierung bedroht. Je komplexer der Beruf, umso sicherer sei er.

BCG: Ein Viertel aller Jobs werden von Robotern erledigt

Die Kritik an dieser Studie blieb nicht aus: Selbst wenn 47 Prozent aller Jobs wegfielen, hieße das ja nicht, dass auch 47 Prozent aller Betroffenen keine Arbeit mehr hätten. Es werde neue Berufe geben, neue Möglichkeiten. Denn: 65 Prozent der Jobs in den USA seien Tätigkeiten, die es vor einem Vierteljahrhundert noch gar nicht gab.

Die US-Unternehmensberatung Boston Consulting ist denn auch etwas vorsichtiger. Sie erwartet, dass bis 2025 ein Viertel aller Jobs von Software oder Robotern erledigt wird. Die Berater haben 21 Industrien der 25 größten Exportnationen untersucht, die für etwa 90 Prozent des globalen Handels stehen. Je nach Land würden die Arbeitskosten zwischen 18 und 33 Prozent sinken.

Wenn in luftiger Höhe Maschinen Windräder von Kraftwerken reparieren, ist das eben für die Betreiber günstiger und sicherer, als wenn ein teurer Mechaniker sich in diese Gefahr begibt.

Daniela Rus arbeitet am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ist eine der führenden Robotikexpertinnen der Welt. In der Politikzeitschrift „Foreign Affairs“ sagt sie: Die Situation heute sei mit der vor 30 Jahren vergleichbar. Damals hätten Computerexperten davon geträumt, dass Computer echter Bestandteil menschlicher Gesellschaften würden. Dass ihre Integration so vollständig sei, dass sie gar nicht mehr auffielen. Rus: „Der Sprung vom Personal Computer zum Personal Roboter - warum nicht?“

Dazu passt, dass Maschinen auch vor dem Kinderzimmer nicht haltmachen: etwa als sanfte, freundliche Roboter, die die Rolle eines Kindermädchens übernehmen.

Wo die Maschine den Mensch ersetzt

Die Folgen gehen weit darüber hinaus, was gerade als „Industrie 4.0“ – also Fabrik der Zukunft, digital vernetzte Produktion und kommunizierende Maschinen – diskutiert wird. In Deutschland läuft die Debatte über die Folgen der Automatisierung dabei noch etwas anders als in Amerika, eher technischer und an Einzelbranchen ausgerichtet. In den USA dagegen dreht sie sich bereits mehr um die späteren Folgen. Kaum eine Woche vergeht ohne hochkarätige Diskussionen, Einladungen, Aufsätze in führenden Zeitschriften.

Wer dachte, die neue Automatisierung schreite nur in Zweigen voran, deren Tätigkeit überwiegend aus Wiederholungen besteht, irrt. Es geht auch um viele anspruchsvolle Jobs. Dazu gehören zum Beispiel Aufgaben in Kanzleien. Dort kann Software Zehntausende Dokumente in einer Zeit durchsuchen, für die der Mensch ein Vielfaches braucht. Und es geht um die Finanzwirtschaft.

Auch die Wall Street muss sich umstellen

Geldautomaten und Self-Service-Center haben schon längst reihenweise Bankangestellte ersetzt. Dann drang die Automatisierung in die höheren Stockwerke vor. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Finanzangestellten an der Wall Street um etwa 50.000 gefallen. Das ist rund ein Drittel. Hochfrequenzprogramme wickeln Hunderttausende Transaktionen ab, entscheiden binnen Sekundenbruchteilen über Kaufen und Verkaufen, ohne dass ein einziger Mensch damit zu tun hätte.

Daniel Nadler hat ein Programm mit dem Namen Kensho erfunden, ein Analyseprogramm für den Finanzhandel. Im Magazin der „New York Times“ sagt er: Binnen der nächsten zehn Jahre werde seine und andere Software bis zur Hälfte aller Angestellten im Finanzsektor ersetzen. Angesichts des rasenden Erfolgs der Software nicht unrealistisch.

Die 15 innovativsten deutschen Mittelständler
Platz 15: BenderStandort: Grünberg Unternehmensfokus: Elektrotechnik Umsatz 2014: 100 Mio. Euro Innovationsscore: 163Um Deutschlands innovativste Mittelständler zu ermitteln, wertete die Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) zunächst die Daten von 3300 deutschen Unternehmen aus, die zwischen zehn Millionen und einer Milliarde Euro umsetzen. Die Berater analysierten Jahresabschlüsse und Präsentationen, sprachen mit Kunden und Branchenexperten sowie Geschäftsführern, Inhabern und Beiräten der Unternehmen.Nach den Experteninterviews und Erfolgsanalysen nahm MSG 400 Unternehmen in die engere Wahl. Für jedes errechnete die Beratung einen eigenen Innovations-Score. Dabei achteten die Berater darauf, dass sich das Unternehmen durch ständige Neuheiten auszeichnet, von Wettbewerbern als innovativ angesehen wird und eine ideenfördernde Kultur etabliert hat. Zudem flossen zu einem Drittel auch wirtschaftliche Indikatoren wie Umsatz- und Gewinnwachstum in die Bewertung ein. „Ein innovatives Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass es mehr als 25 Prozent seines Umsatzes mit Produkten macht, die erst in den vergangenen vier Jahren entstanden sind“, sagt MSG-Gründer und Studienleiter Sebastian Theopold. Das erste Ranking dieser Art hatte MSG im vergangenen Jahr für die WirtschaftsWoche erstellt (Heft 15/2014). Anders als im Vorjahr haben es diesmal auch viele Hersteller von Konsumprodukten unter die Top 50 geschafft, so etwa Ravensburger (Spiele), Rügenwalder (Wurst) oder Soldan (Bonbons).Der Großteil der Innovations-Champions entstammt allerdings nach wie vor der traditionellen Paradedisziplin des deutschen Mittelstands: dem Maschinenbau. Quelle: PR
Platz 14: BiotestStandort: Dreieich Unternehmensfokus: Bioheilmittel Umsatz 2014: 582 Mio. Euro Innovationsscore: 164 Quelle: PR
Rapunzel Quelle: PR
Platz 12: MetaboStandort: Nürtingen Unternehmensfokus: Elektrowerkzeuge Umsatz 2014: 374 Mio. Euro Innovationsscore: 167 Quelle: PR
Platz 11: BrücknerStandort: Siegsdorf Unternehmensfokus: Folienmaschinen Umsatz 2013: 754 Mio. Euro Innovationsscore: 171 Quelle: PR
Platz 10: SennheiserStandort: Wedemark Unternehmensfokus: Mikrofone Umsatz 2014: 635 Mio. Euro Innovationsscore: 172 Quelle: dpa
Platz 9: Rügenwalder MühleStandort: Bad Zwischenahn Unternehmensfokus: Wurst Umsatz 2014: 175 Mio. Euro Innovationsscore: 173 Quelle: PR

Durch solche Prognosen wird die Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen mächtig belebt. Also über einen staatlichen Geldbetrag – zum Beispiel 1000 Euro, der jedem ohne Voraussetzung gezahlt wird. Wer es für aberwitzig hält, dass der Staat Geld verschenkt, dem wird entgegengehalten: Menschen müssen essen, auch wenn es zu wenig Arbeit gibt. Sie haben Familien, müssen am Leben teilnehmen. Menschen müssen Sachen kaufen, auch damit die Wirtschaft rund läuft.

Ist es unterm Strich ein schlechter Handel?

Also: Müssten die Gewinne all derer, die mit Digitalisierung schwer reich geworden sind, besser in die Gesellschaft zurückfließen, statt sie in neue Technologien zu investieren? Um zu vermeiden, dass einem die Gesellschaft um die Ohren fliegt. Oder lässt ein Grundeinkommen Menschen faul und träge werden?

Andrew McAfee vom Massachusetts Institute of Technology meint: „Maschinen werden uns darauf keine Antworten geben, auch wenn sie immer schlauer werden. Technologisch entwickelte Gesellschaften können das nur selber tun. Und sie müssen.“ So hält die Zeitschrift „The Atlantic“ auch ein Wiederaufblühen echter Handwerkskunst für möglich.

Die Folgen von Industrie 4.0 für die Branchen in Deutschland bis 2025

Eine stattliche Zahl der Technikforscher sagt: Wenn uns die Roboter schon eines Tages unsere Jobs wegnehmen, uns aber im Gegenzug solche Dinge zurückgeben - dann ist das unter dem Strich vielleicht gar kein schlechter Handel.

Wessen Arbeitsplatz aktuell bedroht ist, dem kommen die Vorzüge eines möglichen bedingungslosen Grundeinkommens vielleicht zynisch vor: mehr Zeit für Familien, Gesundheit, Erfüllung.

Wird man die vielen abgeschafften Jobs durch neue ersetzen können? Unklar ist auch, wie sich sozialer Zusammenhalt und Demokratie entwickeln, wenn es zu einer digitalen Zweiteilung kommen sollte: in diejenigen mit wichtigen, steuernden, kreativen Jobs. Und die anderen. Die ohne Arbeit oder diejenigen, die vom Computer kommandiert werden.

Was ist der Mensch wert, wenn es keine Jobs mehr gibt?

Für eine solche Nach-Arbeitsgesellschaft hat auch Stowe Boyd, führender Forscher des Technologieanalyse-Unternehmens GigaOM, eher Fragen als Antworten: „Wozu sind Menschen nutze in einer Welt, die ihre Arbeit nicht braucht, und wo nur noch eine Minderheit dazu da sein wird, eine digitalisierte Wirtschaft zu begleiten?“

In vielen Aufsätzen und Studien wird die Zukunft recht schwarz gemalt: Der Mensch unter einer Art Knechtschaft der Roboter. Verwiesen wird zudem auf juristische Lücken. Ein Programm oder Roboter könne ja kaum für „Taten“ verantwortlich sein, wenn etwas schiefgehe. Wer dann? Der Programmierer? Der Käufer? Der Nutzer?

Das Atlantic Council, eine der Washingtoner Denkfabriken, beschäftigt sich sonst eher mit Außen- und Sicherheitspolitik. Gefragt, was man für die größte Herausforderung der nahen Zukunft halte, schreibt das Council der dpa: „Die technologische Revolution hinter dem Horizont birgt so viel Versprechen im Kampf gegen Seuchen, Klimawandel etc. Und hat so viel Potenzial, Jobs auszuradieren, die Aussichten der Mittelklasse zu verschlechtern, Ungleichheit zu verschlimmern.“

Nach der Automatisierung ist der nächste Schritt dann die künstliche Intelligenz, an der nicht nur in Kalifornien intensiv geforscht wird. Zu den größten Mahnern gehört der britische Physiker Stephen Hawking. Er empfindet künstliche Intelligenz als zutiefst bedrohlich für den Menschen. Ray Kurzweil vom US-Internetkonzern Google schätzt, dass 2029 Maschinen schlauer sein werden als Menschen.

Dabei gilt: Alles, was eine Maschine besser kann als ein Mensch, dürfte die Maschine künftig erledigen. Schneller, verlässlicher, billiger - ermüdungsfrei. Körperliche Fähigkeiten werden dann weniger gefragt sein. Ein australischer Bauroboter mauert bereits ein ganzes Haus in nur zwei Tagen. Reines Technikwissen hilft aber vermutlich ebenso wenig im Wettlauf mit den Maschinen. Komplexes Problemlösen dagegen umso mehr.

Also müsste sich manches in Bildung und Ausbildung ändern, fordern Experten. Der US-Autor und Ökonom Tyler Cowen meint grundsätzlich: „Durchschnittlichkeit ist vorbei.“

Und wo bleibt die Revolution in Schulen und Universitäten? Warum sollen junge Menschen wie früher Wiederholen und Auswendiglernen können müssen, wenn die Maschinen in dem Feld besser sind? Ryan Holmes sieht dort eine zentrale Aufgabe. Der Unternehmer und Erfinder der Plattform Hootsuite, mit der man mehrere Social-Media-Netzwerke auf einmal verwaltet, sagt: Herausragende und einmalige menschliche Fähigkeiten zu kultivieren, bedeute eine völlig andere Erziehung. Weg von jeder Uniformität. Hin zur Außergewöhnlichkeit.

Wem das zweite Maschinenzeitalter und viele Prognosen zu düster scheinen, für den formuliert Holmes ein Ziel. „Investiert in Fähigkeiten, die eine Maschine nicht reproduzieren kann. Es geht um höhere Funktionen: Kreativität, Problemlösung, Erfindungsgabe“, fordert er. „Wir müssen vielleicht einen Schritt zurück machen, hin zu so etwas wie einem Renaissance-Menschen. Ausgestattet mit einmaligen Talenten zum Schöpfen und Erfinden.“

Deutschland ist Vorreiter bei der Industrie 4.0 – zumindest in der Diskussion, bei der Einführung hapert es noch. Um das Heft in die Hand zu nehmen, haben sich Maschinenbauer zu einer neuen Plattform zusammengeschlossen.
von Sebastian Schaal
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