Industriekonzerne im Umbruch Kommen Mischkonzerne aus der Mode?

Bei den deutschen Konzernen wird derzeit kräftig aufgeräumt: Statt auf allen Hochzeiten zu tanzen, besinnen sich viele große Unternehmen lieber auf ihre Stärken. Dieser Trend kostet auch immer wieder Arbeitsplätze.

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Der Industriekonzern, der alles kann, gilt als Auslaufmodell. Siemens will sich unter anderem auf die Energie konzentrieren. Quelle: dpa

München/Frankfurt Der Elektrokonzern Siemens macht es und seine frühere Tochter Osram auch, aber auch der Energieriese Eon, die Deutsche Bank und andere: Sie gliedern wichtige Geschäftsbereiche aus, gründen Tochtergesellschaften oder bringen Unternehmensteile an die Börse wie die Deutsche Bank ihre Tochter Postbank. „Wir werden nicht mehr versuchen, alles für jeden zu sein“ – diesen Satz von Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen könnten derzeit viele Manager großer Unternehmen in Deutschland aussprechen. Ziel dabei: Weg vom Gemischtwarenladen, dafür das Kerngeschäft besser machen und Wachstumschancen erschließen.

Diesen Plan verfolgt derzeit auch Siemens: Wichtiges Element des radikalen Konzernumbaus ist die Verselbstständigung der Medizintechnik-Sparte, die als eigenständige Tochter künftig freier am Markt agieren soll. Die Hörgeräte-Sparte ist verkauft, auch ein Joint-Venture wurde gegründet.

Zur Halbjahres-Bilanz an diesem Donnerstag dürfte Konzernchef Joe Kaeser aber noch mehr Neuigkeiten im Gepäck haben: In den vergangenen Monaten hat das Management unrentable Geschäftseinheiten unter die Lupe genommen und wird nun verkünden, wie es für sie künftig weitergeht. Das könnte auch weitere Arbeitsplätze kosten – über eine vierstellige Zahl wurde bereits spekuliert. Bereits bekannt ist, dass der Umbau rund 7800 Jobs kostet, davon rund 3300 in Deutschland. In der Energiesparte, die derzeit mit Problemen kämpft, sollen weitere 1200 Jobs wegfallen.

Bei all dem Verkaufen und Abspalten stellt sich natürlich immer die Frage nach dem „Wie?“. Wer kauft einen Geschäftsbereich, der beim Mutterkonzern offenbar nicht mehr erwünscht ist? Tatsächlich kann es bessere Eigentümer geben, die mit dem fraglichen Geschäft mehr Schnittstellen haben oder es auf eine andere Größe bringen können, um damit rentabler zu arbeiten.

Manchmal hilft es schon, wenn eine vergleichsweise kleine Sparte als eigenständiges Unternehmen flexibler agieren kann, weil sie sich nicht mehr an langsame Abläufe und komplizierte Strukturen der Mutter klammern muss.


Wertschöpfung für Aktionäre

Umgekehrt ist es für Konzernführungen schwer, den Überblick über viele Nischenmärkte zu behalten, die sich dann vielleicht auch noch schnell wandeln – wie etwa der Lichtmarkt: So trennt Philips das traditionelle Beleuchtungsgeschäft nach rund 125 Jahren vom künftigen Kern ab. Denn die neue Konkurrenz aus Fernost hat im wachsenden LED-Markt die Gleichgewichte verschoben.

Beim gesonderten Teilverkauf der Sparte für Autolicht und LED-Bauteile suchten die Niederländer außerdem einen finanzstarken Investor, um nicht die hohen anstehenden Investitionen allein schultern zu müssen. Auch der deutsche Konkurrent Osram will sich aufspalten und sein Lampen-Geschäft in eine Tochter ausgliedern. Was aus ihr später wird, ist bisher offen – in Frage kommen Partnerschaften, aber auch eine Abspaltung über die Börse.

Beim großen Siemens-Rivalen General Electric sind auch bittere Erfahrung aus der Vergangenheit ein Grund für die Verschlanklung: In der Finanzkrise 2008 riss die Finanzsparte mit Angeboten wie Kreditkarten und Autoversicherung den Konzern so tief ins Chaos, dass er dieses Geschäft nun dringend loswerden will – obwohl es zuletzt gute Gewinn abwarf.

Beim Energieversorger Eon wiederum steht der Umbau ganz im Zeichen der Energiewende: Das darbende Geschäft mit konventioneller Stromerzeugung soll dem zukunftsfähigen Teil für erneuerbare Energien nicht als Klotz am Bein hängen, sondern an die Börse gebracht werden.

Für Investoren und Analysten geht es oft auch schlicht um Einfachheit. Konzerne, die ihre Finger in diversen Branchen haben, werden meist niedriger bewertet als die Summe ihrer Einzelteile. Doch auch lukratives Abspalten ist kein Selbstläufer – das weiß man bei Siemens nur zu gut. Ende 2013 rechneten Analysten der US-Bank JP Morgan aus, dass der Konzern Unternehmen im Schnitt für den dreifachen Wert ihres Umsatzes kaufte – beim Verkauf aber nur die Hälfte des Umsatzes als Kaufpreis bekam.

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