Die 16 Konzerne, die in Brüssel Alarm geschlagen haben, warnen nun, dass dadurch der Fall eintreten könnte, dass ein Troll bei einem Gericht wegen einer Patentverletzung ein Verkaufsverbot erwirken könnte, ohne dass ein anderes Gericht entschieden hat, ob das Patent überhaupt gültig ist. Verkaufsverbote wären beim Gemeinschaftspatent aber sehr viel schmerzhafter für Unternehmen, weil sie für alle EU-Länder außer Italien und Spanien gelten, die beim Gemeinschaftspatent nicht mitmachen. Das Unternehmen würde mit einem Schlag einen Markt mit knapp 400 Millionen Verbrauchern verlieren.
Mit Sorge sehen Unternehmen auch, dass Trolle künftig Gerichte in allen 26 beteiligten EU-Staaten anrufen können, um einen Verkaufsstopp für das gesamte Territorium zu erreichen. „Es ist schwer vorstellbar, dass die Gerichte in allen Mitgliedstaaten gleich gut sind“, sagt Patentexperte Harhoff, Direktor am Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht. Und so ist absehbar, dass die Trolle sich Gerichte suchen werden, bei denen sie mit ihrer Taktik durchkommen. „Sie werden an Standorten klagen, wo die Richter wenig Erfahrung mit Patentprozessen haben“, prognostiziert Müller. Rumänien und Griechenland dürften solche Standorte sein.
Die Wirtschaft hofft, dass die schlimmsten Auswüchse noch eingedämmt werden können. Die Verfahrensregeln für das Gemeinschaftspatent werden erst im Juli 2014 verabschiedet. Beamte der Mitgliedstaaten arbeiten derzeit an den Details, die einen großen Unterschied ausmachen können. Um Trolle auszubremsen, hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seiner Stellungnahme beispielsweise angeregt, in den Verfahrensregeln das Prinzip festzuschreiben, dass der Verlierer die Kosten des Patentprozesses trägt. Dies könnte Trolle vor Klagen zurückschrecken lassen.
Bisher ist noch nicht einmal klar, wie viel das neue Gemeinschaftspatent kosten wird. Die Politik war angetreten, Patente in Europa billiger zu machen. Die Patentreform sollte die Zersplitterung aufheben und Patentschutz im europäischen Markt erschwinglich machen. Nun zeigt sich, dass dies nicht automatisch zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führt. „Viele Politiker glauben, dass billige Patente zu mehr Innovation führen“, sagt Experte Harhoff. „Doch das Gegenteil trifft zu.“ Billige Patente erleichtern den Trollen das Spiel.
Politiker messen die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft oft an der Zahl der Patente. So rechnet EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier gerne vor, die USA vergebe im Jahr mehr als drei Mal so viele Patente wie die EU. Beim Versuch, zu der Innovationskraft der USA aufzuschließen, haben die Europäer aber möglicherweise den falschen Weg gewählt. Harhoff befürchtet: „Die Problematik der Trolle haben die Europäer viel zu wenig bedacht.“