Innovationen Das dubiose Geschäft mit Patenten

Seite 2/5

Der Patentverwertungsgigant Intellectual Ventures

Eine Außenansicht zeigt das Europäische Patentamtes in München. Das Streben vieler Firmen nach einem innovativen Profil hat zu einem neuen Rekord an Patentanmeldungen geführt. Quelle: AP

Geprägt hat den Begriff Troll der Intel-Jurist Peter Detkin, dessen Unternehmen sich Ende der Neunzigerjahre wegen angeblicher Patentverletzungen mit Forderungen in Milliardenhöhe konfrontiert sah. Er dachte an Märchenwesen, die an einer Brücke Wegzoll einfordern. Aus seiner Assoziation wurde ein stehender Begriff. In den USA profitiert das dubiose Geschäft davon, dass rechtliche Auseinandersetzungen extrem teuer sind und Verklagte – ganz unabhängig von ihrer Schuld – in den finanziellen Ruin treiben können. In der Regel geben die Betroffenen deshalb klein bei und zahlen Patentgebühren.

Den Übeltätern kommt in den USA außerdem zugute, dass das US-Patentamt in den Neunzigerjahren in der Computer- und Softwarebranche sehr großzügig Patente erteilt hat. Darunter sind viele aus technischer Sicht höchst fragwürdig, weil sie keine echten Innovationen schützen. Für die Trolle ist die Qualität eines Patents aber nachrangig, lässt sich doch jeder amtliche verbriefte Anspruch aufkaufen und unter der Androhung einer Klage zu Geld machen.

Als größter Patenttroll der Welt gilt Intellectual Ventures aus Bellevue bei Seattle, im Jahr 2000 von Nathan Myhrvold gegründet. Der Mathematiker Myhrvold kennt die Branche bestens. In den Neunzigerjahren war er Chefstratege von Microsoft und engster Berater von dessen Gründer Bill Gates.

Zum Vergrößern bitte anklicken

Zehn Milliarden Dollar soll Myhrvolds Unternehmen in die Akquise und Verwertung von Patenten gesteckt haben und wurde so zu einem der größten Patentportfoliobesitzer der USA. Seine Ideen kaufte er bei prominenten Adressen wie Google, Apple, Intel und Hewlett-Packard. Myhrvold hatte ihnen versprochen, eine Art vorbeugende Schutzbastion gegen Kläger durch den gezielten Aufkauf von Patenten zu errichten. Investoren hätten sich dadurch das Recht erkauft, die Patente selber nutzen zu können. Doch inzwischen gibt es den Verdacht, dass dieses Anliegen nur vorgeschoben war, um in Wirklichkeit einen Patentverwertungsgiganten zu etablieren. Google, Hewlett-Packard, Microsoft und Apple sehen ihr Investment bei Intellectual Ventures mittlerweile kritisch. Vor allem, weil das Unternehmen, das früher auf gütliche Einigungen setzte, in den vergangenen Jahren verstärkt klagt. Betroffen sind so teilweise die eigenen Investoren wie Google, dessen Tochter Motorola von Intellectual Ventures vor den Kadi gezerrt wurde.

Myhrvold, der sich selbst gerne als Schutzengel von Erfindern präsentiert und argumentiert, er verteidige deren Patente gegenüber großen Unternehmen, hat das Geschäft durch Verkäufe selbst weiter angefacht. Er hat Patente etwa an das berüchtigte texanische Unternehmen Lodsys weitergereicht. Lodsys verlangt nun von App-Entwicklern Lizenzgebühren, wenn über deren Programme zusätzliche Funktionen gekauft werden können. Dabei sichert Apple höchstselbst den Programmierern an anderer Stelle zu, dass die Innovationen durch eigene Patente abgesichert seien.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%