Inrix attackiert Apple und Google Kampf ums Cockpit

Der US-Datenriese Inrix greift das Autogeschäft von Apple und Google an. Mit der Übernahme von OpenCar will das Unternehmen eine App-Plattform für Autobauer aufbauen – und ihnen die Herrschaft über die Daten zurückgeben.

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Inrix will die Daten im Fahrzeug künftig besser auswerten, und schon während der Fahrt Empfehlungen geben.

Düsseldorf Das Auto soll in den kommenden Jahren zum rollenden Computer werden, so sagen es die Hersteller voraus. Doch anders als beim Smartphone lassen sich viele Apps bisher nur über Umwege auf den Multimediasystemen starten. In den vergangenen Jahren setzten die Hersteller darum auf Kooperationen mit Apple und Google, die mit ihren Plattformen einen einfachen Zugriff erlaubten.

In den USA formiert sich nun ein neuer Konkurrent für die IT-Riesen, der den Autoherstellern ein wenig Unabhängigkeit zurückgeben will. Mit der Übernahme von OpenCar steigt der US-Datenriese Inrix in den Kampf ums Cockpit ein – und attackiert damit direkt Apple Carplay und Android Auto. Wie hoch der Kaufpreis ist, verraten die Amerikaner nicht. Wie groß man das Potential einschätzt, ist dagegen ein offenes Geheimnis. „Bis 2020 werden mehr als eine Viertelmilliarde vernetzte Autos auf den Straßen unterwegs sein“, sagt Inrix-Chef Bryan Mistele.

Bisher ist OpenCar noch ein relativ kleiner Spieler im Markt. 2011 wurde das Unternehmen in Seattle gegründet. Starthilfe gab damals der Autobauer Mazda mit einer strategischen Partnerschaft. Die Übernahme durch Inrix soll das Wachstum des Autosoftware-Unternehmens nun massiv beschleunigen. „Inrix bietet uns die Möglichkeit, unsere Anwendungsplattform viel schneller zu verbreiten, sowohl regional gesehen als auch durch die Zusammenarbeit mit mehr Automobilherstellern“, sagt Jeff Payne, Gründer von OpenCar.

Tatsächlich bekommt sein Unternehmen viel Zuspruch aus der Industrie. „Wir freuen uns sehr, zusätzliche Wettbewerber in diesem wichtigen Segment der Connected Cars zu sehen“, sagt Marcus Keith, Leiter von Audi Connect. Für die Autobauer ist es wichtig, Alternativen zu Google und Apple zu haben. Denn bisher ist das Verhältnis zu den IT-Riesen noch ungeklärt. „Frenemys“ – eine Mischung aus Freund und Feind nennt Daimler-Chef Dieter Zetsche die US-Konkurrenz gerne.

Tatsächlich haben fast alle Hersteller ihre Systeme für Android Auto oder Apple Carplay geöffnet. Allerdings gibt man damit auch ein wenig Eigenständigkeit auf. Denn die Entscheidung, welche Apps am Ende im Auto landen, liegt damit auch in der Hand von Apple und Google. Zudem bestehen die Amerikaner auf ihre Markenoptik und verlangen von den Herstellern oft auch Zugriff auf sensible Daten des Fahrzeugs. Deshalb weigern sich die Hersteller noch, die Systeme noch tiefer zu integrieren. Die Unternehmensberatung McKinsey prognostiziert, dass bereits im Jahr 2030 mehr als 100 Milliarden Dollar mit den vernetzten Multimediasystemen im Auto umgesetzt werden. Die Angst, dass die IT-Riesen am Ende dieses lukrative Geschäft mit der Software im Auto komplett vereinnahmen könnten, ist groß.


Das Geschäft mit den Daten

Darum soll OpenCar als Alternative aufgebaut werden. Die neue Inrix-Tochter will nur die Umgebung für die Entwickler – und damit die Standards – bereitstellen. Wie genau die Apps ausgespielt werden, bleibt in der Hand der Hersteller. Optik und Inhalte können je nach Hersteller, Modell und Region angepasst werden. Und auch beim Datenschutz sieht man sich im Vorteil. Schließlich gebe man den Herstellern die Aufsicht über die Daten. Anders als Google oder Apple hätten diese kein Interesse, mit diesen Daten für personalisierte Werbung oder andere Zusatzgeschäfte zu verwenden.

Für Plattformen ist die Verbreitung von entscheidender Bedeutung – nur wer viele Kooperationspartner hat, ist auch für die Entwickler der Apps interessant genug. Nur wer viele Apps bieten kann, findet neue Kooperationspartner. Da die Hersteller in den vergangenen Jahren oft alleine an einer Entwicklungsumgebung arbeitete, war die Zahl der verfügbaren Apps meist begrenzt.

Auch wenn Inrix mit 1.300 registrierten Programmierern wirbt, die derzeit an Programmen für OpenCar feilen, ist man der Konkurrenz von Apple und Google in puncto Vielfalt noch weit unterlegen. 30 Apps sind startbereit, hunderte sollen in den kommenden Monaten folgen. Bei der Konkurrenz von Apple und Google gibt es derzeit etwa 1,4 Millionen Apps im Angebot. „Wir haben klare Zusagen gemacht, die Zahl der Apps mit jedem Monat zu steigern“, sagt Andreas Hecht, Vizepräsident des Autogeschäfts von Inrix.

Neben OpenCar erweitern die Amerikaner ihr Geschäft außerdem um eine selbstlernende Plattform für Fahrer-Assistenzsysteme: Autotelligent haben sie den Dienst getauft. Er soll über ein Netzwerk selbst lernen, welche Routen und Adressen ein Fahrer ansteuert – und so selbstständig personalisierte Navigation anbieten, Parkplätze empfehlen und vor Gefahren auf der Strecke warnen. Auch dieses System steht in direkter Konkurrenz zu vielen Services, die Google und Apple heute schon auf dem Smartphone anbieten.

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