Interview mit Wey-Markenchef Jens Steingräber „Unsere Autos können jetzt schon Europa“

Wey, die Premium-Marke des China-Giganten Great Wall Motors, will auch in Europa Fuß fassen. Markenchef Jens Steingräber kommt von Audi und erklärt, wie das gelingen soll.

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„Die Resonanz ist überwältigend.“ Quelle: dpa

Frankfurt/Düsseldorf Handelsblatt: Herr Steingräber, Sie wollen mit Wey eine chinesische Premiummarke mit internationalem Anspruch auf den Markt bringen. Nun standen chinesische Autos bislang nicht unbedingt für Qualität. Wie wollen sie das ändern?

Jens Steingräber: Sicherheit und der Qualität sind für eine Premiummarke eine Selbstverständlichkeit. Wir müssen den Beweis antreten, dass wir genau das liefern können. Ein Volvo, oder Audi, BMW und Daimler müssen nichts mehr beweisen. Und ich sage das ganz offen: das größte Handicap einer chinesischen Marke ist das Image. Das beruht auf der Historie, in der sich chinesische Fahrzeuge international nicht wirklich behaupten konnten. Wir sind bereit, uns mit unseren Produkten international zu messen, weil wir es können.

Wie wollen Sie den Kunden davon überzeugen?

Mit Transparenz. Wir haben beispielsweise einen sechs Tonnen Container auf unser Auto gestellt. Ich habe mich persönlich ins Auto gesetzt. Und ich gehe kein Risiko ein. Einem Auto vertraut man sein Leben an. Da glaubt man nicht einfach, was man hört. Wir haben unsere Crashtests öffentlich gemacht, beispielsweise den Dachdrucktest. Um zu beweisen, dass unsere Autos sicher sind, helfen Bilder mehr als tausend Worte.

Bislang waren die chinesischen Kunden bei ambitionierten Marken aus heimischer Produktion eher zurückhaltend. Wie hat Wey in den ersten Monaten abgeschnitten?

Wir liegen sogar über unseren Erwartungen. Wir wollten im August 5000 Autos verkaufen, es waren am Ende sogar 7000 Autos. Darum haben wir unser Jahresziel um 60 Prozent auf 80.000 Autos erhöht. Und das schaffen wir auch. Nächstes Jahr sollen es 200.000 Autos sein. Und im Jahr 2020 noch einmal doppelt so viel. Spätestens dann müssen wir über China hinauswachsen.

Warum?

Wenn Sie in der Regionalliga seit sieben Jahren immer gewinnen, müssen sie auch mal aufsteigen und sich mit besseren Mannschaften messen. Nur wer herausgefordert wird, kann sich steigern. Wer sich in Europa und den USA beweist, hat in China auch gute Karten. Unsere Autos können jetzt schon Europa. Die Modellpalette wird bis zu unserem Markteintritt so weit verbessert, dass wir auch die Emissionsvorgaben klar erfüllen werden.

Ihre Rendite dürfte in China allerdings deutlich höher ausfallen als im hart umkämpften europäischen Markt…

Wir müssen schon deswegen expandieren, um uns gegen künftige Krisen abzusichern. Die internationalen Märkte bewegen sich in Wellen. Und auch der Absatz in China wird irgendwann stagnieren oder sogar sinken. Dass das passiert ist doch klar. Und dann kann Europa uns helfen, uns gegen Krisen zu sichern.

Können Sie wirklich schon mit den großen deutschen Premiummarken konkurrieren?

Sie werden nicht innerhalb von fünf Jahren das Image eines Mercedes-Benz erreichen. Audi kämpft seit 20 Jahren darum - und hat den Abstand immer weiter verkürzt. In diesem Rennen fahren die deutschen Marken vielleicht noch vorne weg und wir weit hinterher. Aber wir fahren die schnelleren Rundenzeiten. Wir holen auf.

Zuletzt machten Gerüchte die Runde, dass Great Wall auch Jeep oder gleich den gesamten Fiat-Chrysler-Konzern übernehmen könnte. Ist das wirklich realistisch?

Ich weiß, dass bisher noch nicht auf oberster Ebene gesprochen wurde. Herr Wey wird das strategisch sehr gut abwägen. Ich traue ihm zu, dass er auch mal eine Marke kauft. Aber hier ist Münze noch nicht in der Luft.

Ihre Führungsmannschaft ist international. Ihre Fahrzeuge auch?

Wir bauen chinesische Fahrzeuge. Auch da bleiben wir authentisch. Wir wissen aber auch, dass es nicht ein Land gibt, was in allen Komponenten Weltmarktführer ist. Sie müssen sich überall Qualität einkaufen, um dann in der Summe das Produkt zu liefern, das der Kunde braucht.

Wer sind Ihre Lieferanten aus Deutschland?

Nehmen wir mal unseren Plug-in-Hybrid. Der hat ein Getriebe von Schaeffler, der hat die Software von Continental, der hat den Elektromotor von Siemens und der hat natürlich - wie jedes Auto auf der Welt - Bosch-Komponenten.

Great Wall hat vor rund einem Jahr auch ein Grundstück im hessischen Dietzenbach gekauft. Kommen bald auch ihre Entwickler verstärkt aus Deutschland?

Wir werden dort entwickeln, wahrscheinlich Antriebe. Ich denke, ab 2019 wäre ein guter Zeitplan. Dann wollen wir dort langsam Personal aufbauen. Es ist nicht jedermanns Sache, in China zu arbeiten. Es gibt sehr viele heimatverbundene Menschen. Und wenn man einen Spezialisten gewinnen will, der sich auf die Fremde nicht einlassen will, braucht man eine Alternative.

Sie selbst haben den Schritt gewagt. Warum haben Sie Audi verlassen, um bei Wey anzufangen?

Ich habe die Entscheidung, bei Audi zu kündigen, nicht an einem Tag gefällt. Audi ist nach wie vor eine Topmarke. Ich habe nach wie vor beste Beziehungen zu Audi. Wir haben uns im Guten getrennt.

Es gab wirklich kein böses Blut?

Es gab natürlich auch Zeichen der Enttäuschung. Es gab Arbeitskollegen, die den Wechsel nicht fair fanden. Und es gab sicherlich auch die Befürchtung, dass mit meinem Wechsel auch Knowhow abfließt. Aber das ist das Geschäft. Audi kauft ja auch Experten von anderen Firmen ein. Richtig harsche Kritik habe ich nicht bekommen, aber eine Sperre von 13 Monaten.

Wie unterscheidet sich die Firmenkultur in einem chinesischen Konzern von denen in Deutschland?

Deutsche arbeiten deutlich prozessualer. Hier wird früh geplant, um Projekte diszipliniert zum Abschluss zu bringen. Dort hat der Chinese Potentiale. Die Chinesen haben auch deutlich mehr Hierarchien. Zehn Berichtsebenen in einem Unternehmen sind keine Seltenheit. Fünf ist in Deutschland schon viel. Trotzdem ist die Entscheidungsfähigkeit bei uns nicht gefährdet, da Sprünge zwischen den Hierarchien zugelassen werden.

Mit einem Durchschnittsalter unter 35 Jahren sind ihre Mitarbeiter sehr jung. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?

Beides. Great Wall ist tatsächlich eine unglaublich junge Marke. Unsere Mitarbeiter bringen viel Elan, Neugier und Interesse mit. Aber manchmal mangelt es an Erfahrung. Darum kaufen wir auch Expertise ein. Erfahrene Leute. Da schockt Herrn Wey auch das Alter nicht. Ich bin schließlich auch schon 58 Jahre alt.

Was hat Sie persönlich motiviert nach China zu gehen?

Ich habe einfach gespürt, dass ich große Lust hatte, nochmal etwas Neues zu versuchen. Ich lerne viel dazu. Je mehr man zum Spezialist wird, desto näher kommt man an die Grenzen des Dazulernens. Eine neue Firma, eine neue Kultur - das macht Sie auch jünger. Was bei Great Wall dazukommt: Die Aufbruchstimmung, die der Herr Wey persönlich auch verbreitet.

Wie würden Sie die Zusammenarbeit beschreiben?

Ich vorher nie erlebt, dass ein Aufsichtsratschef, ein vielfacher Milliardär so zuhört. Jack Wey hat sehr klare Vorstellungen von dem, was er will. Der Mann hat so viel Geld, das kann er nicht ausgeben. Aber er will etwas erreichen. Und er ist dabei ein stolzer Chinese und er will die Chinesen etwas stolzer machen.

Wie kann Ihre deutsche Expertise dabei helfen?

Ich bringe meine jahrzehntelange Erfahrung in der Autoindustrie in die Planungen ein. Und er erklärt mir, wie das chinesische System funktioniert. Wir ergänzen uns da sehr gut. Ein deutsches System eins zu eins nach China zu übertragen, funktioniert nicht.

Welche Resonanz bekommen Sie von ihren ehemaligen deutschen Kollegen auf dem Stand?

Die Resonanz ist tatsächlich überwältigend. Ich habe hier am Stand schon Audianer gesehen, auch Leute von BMW. Aber ich erwarte auch noch Freunde von Porsche, die sich unsere Autos mal ansehen wollen.

Was werden Sie denen zeigen?

Das Elektroauto wird viele interessieren. Das Konzept des kabellosen Matrix-Ladens, das wir hier haben, hat aus unserer Sicht das Potential zum internationalen Standard zu werden. Kein Kunde im Premiumbereich hat Lust, jeden Abend das Kabel seines Elektroautos anzuschließen. Das Patent ist nicht von uns, aber die Lösung ist so überzeugend, dass ich glaube, dass auch die Deutschen daran Interesse haben sollten.

Wenn Sie eine Botschaft formulieren müssten, die sie hier in Frankfurt senden wollen, welche wäre das?

Wir geben nicht auf.

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