Investoren kritisieren VW „Die Corporate Governance muss komplett umgekrempelt werden“

VW hat mit dem milliardenschweren US-Vergleich einen dicken Brocken im Dieselskandal beigelegt. Doch Investoren üben lautstark Kritik an der Konzernführung. Vor allem die Boni-Zahlungen an die Vorstände stehen im Fokus.

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Die Unternehmensführung von Volkswagen steht weiter in der Kritik. Quelle: Reuters

Hamburg Nach dem milliardenschweren Vergleich zur Beilegung des Dieselskandals in den USA verlangen Investoren mehr Transparenz bei Volkswagen. Zudem sollten die Boni-Zahlungen an VW-Vorstände unter die Lupe genommen werden.

Die kommunale Pensionskasse KLP wünscht sich mehr wirklich unabhängige Akteure bei VW. Dadurch könne sich die Unternehmensführung ändern, zu der es einigen Bedarf gebe, erklärte Annie Bersagel, die für Anlageentscheidungen bei KLP in Norwegen zuständig ist, am Donnerstag.

Was bei den von den Ermittlern festgestellten Tatsachen am meisten beunruhige, sei das Muster der Täuschung bei VW. Auffallend seien sowohl die Entwicklung der Abschalteinrichtung und deren Perfektionierung als auch später die bewusste Behinderung der Ermittlungen. Bersagel sprach sich für eine Rückforderung von Bonuszahlungen an Manager aus, die in die Abgasmanipulation verwickelt seien.

Der britische Hedgefonds TCI machte sich unterdessen für hohe Hürden für Leistungszuschläge stark. Der Betriebsgewinn müsse bei mindestens 17 Milliarden Euro liegen, bevor der VW-Vorstand im Jahr 2017 irgendwelche Boni erhalte.

Volkswagen hatte nach einem Schuldeingeständnis am Mittwoch mit dem amerikanischen Justizministerium einen milliardenschweren Vergleich besiegelt, der Strafzahlungen von umgerechnet 4,1 Milliarden Euro vorsieht. Es ist die höchste Wiedergutmachung eines Autobauers in den USA. Insgesamt hat VW bislang 18,2 Milliarden Euro für die Aufarbeitung von Dieselgate zur Seite gelegt.

Für die Abgasmanipulation verantwortlich gemacht werden Manager unterhalb des Konzernvorstands. Das Justizministerium klagte fünf weitere hochrangige Führungskräfte neben dem bereits inhaftierten früheren VW-Umweltmanager in den USA wegen Betruges an. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. „Wir werden die Verantwortlichen, die diese schädliche Verschwörung orchestriert haben, weiter verfolgen“, kündigte US-Justizministerin Loretta Lynch an.


„Die Corporate Governance muss komplett umgekrempelt werden“

Als Teil der Vereinbarung wird Volkswagen die nächsten drei Jahre unter die Aufsicht eines unabhängigen Kontrolleurs gestellt, der wichtige Entscheidungen absegnen und Reformen überwachen soll. Dies umfasst die Einhaltung von Regeln und Gesetzen, die Berichts- und Kontrollsysteme sowie ein erweitertes Programm für ethisches Verhalten. Dafür entsenden die USA einen Aufpasser, der Zugang zu VW-Dokumenten haben und die Bemühungen des Konzerns zur Einhaltung der Umweltgesetze bewerten soll.

Beim Konkurrenten Daimler hatte vor einigen Jahren nach Bestechungsvorwürfen der US-Börsenaufsicht der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh eine ähnliche Aufgabe übernommen. Er arbeitete eng mit Daimlers Rechtschefin Christine Hohmann-Dennhardt zusammen. Die frühere Bundesverfassungsrichterin wechselte vor gut einem Jahr zu Volkswagen, wo sie im Konzernvorstand für Unternehmensintegrität und Recht zuständig ist.

Investoren machen schon länger die früheren Managementstrukturen bei dem Konzern für den Abgasskandal mitverantwortlich, der nach ihrer Überzeugung durch das Streben nach Größe sowie die Allmacht der Wolfsburger Zentrale unter dem früheren Vorstandschef Martin Winterkorn gefördert wurde. Der neue Konzernchef Matthias Müller hat Veränderungen eingeleitet, indem er die strengen Hierarchien aufbricht und den Regionen mehr Mitsprache einräumt. Er strebt eine Unternehmenskultur an, in der Beschäftigte zu Kritik und Verantwortung ermutigt werden.

Die Angst, Fehler einzugestehen, gilt als eine der Ursachen für den Abgasskandal. Als absehbar war, dass VW die von der früheren Konzernspitze vorgegebenen Wachstumsziele bei Dieselautos wegen der strengen Stickoxidgrenzwerte in den USA auf legalem Wege nicht erreichen konnte, sollen Mitarbeiter die Abgaswerte durch eine Software manipuliert haben. Diese sorgt dafür, dass ein Wagen Grenzwerte im Labor einhält, im normalen Verkehr auf der Straße stößt das Auto jedoch um ein Vielfaches höhere Abgase aus.

Der Fall müsse VW eine Lehre für die Zukunft sein, fordern Börsianer. „Die Corporate Governance bei VW muss komplett umgekrempelt werden“, sagte Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI. „Ein Management, das wie unter Winterkorn mit Angst und Schrecken geherrscht hat, muss der Vergangenheit angehören.“ Er fordert – wie andere Investoren auch – zudem eine Reform des Systems der Leistungszuschläge.

Volkswagen arbeitet bereits an einem neuen Bonussystem. Der Konzernvorstand hatte nach Bekanntwerden des Dieselskandals erst nach langen Verhandlungen auf einen Teil der hohen Boni verzichtet. Das zurückbehaltende Geld kann nach drei Jahren beim Erreichen eines Aktienkurses von 140 Euro ausgezahlt werden. Dieser Kurs wurde erstmals kurz vor Weihnachten erreicht. Nach dem Vergleich mit dem US-Justizministerium knackte die VW-Aktie die Marke von 150 Euro und war damit am Donnerstag der größte Gewinner im Dax.

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