Heimat des Siemens-Chefs Wo Joe Kaeser immer noch der Sepp ist

300 Tage im Jahr ist der Siemens-Chef auf Reisen. Wenn er heimkommt, dann ist da eine andere Welt: die 2000-Seelen-Gemeinde Arnbruck im bayerischen Wald. Streifzug durch Kaesers Welt.

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300 Tage im Jahr ist der Siemens-Chef Kaeser auf Reisen. In der 2000-Seelen-Gemeinde Arnbruck im bayerischen Wald kommt er zur Ruhe. Quelle: Ken Richardson für WirtschaftsWoche

Das Leben hier ist gedämpft in diesen Tagen. Und das liegt nicht nur an den 15 Zentimetern Neuschnee, die gerade in Arnbruck gefallen sind. Die kleine Gemeinde, tief im bayerischen Wald, gelegen ganz im äußersten Zipfel der Republik, ist ohnehin weit weg von allem: von dem großen politischen Theater in Berlin und München, von der sich immer schneller drehenden Weltwirtschaft, auch von den schlechten Nachrichten ihres berühmtesten Einwohners, Joe Kaeser, seines Zeichens Siemens-Chef und derzeit in der Kritik, weil er den Industriekonzern großartig umbauen und fast 7000 Jobs streichen will.

Im 2000-Einwohner-Dorf Arnbruck kommt davon wenig an, noch weniger im Ortsteil Sindorf, wo Kaeser mit seiner Familie wohnt. Hier, gesäumt von schneebedeckten Wiesen und umrundet von tiefdunklen Wäldern, wurde der Siemens-Chef 1957 als Josef Käser geboren. Ein Name, den er erst in den USA ablegen wird.

Noch immer wohnt die Familie gleich neben dem Elternhaus, in einem großzügigen Anwesen im bayerischen Stil, vor der Tür ein Stein mit der Inschrift „Doa bin I dahoam“, hinten raus ein Wintergarten mit weitem Blick.

Das ist Kaesers Rückzugsort, sein Retreat, in das er kommt, wann immer er kann. 300 Tage im Jahr ist der 60-Jährige unterwegs in die über 200 Länder, in denen Siemens Geschäfte macht. Gerne beschwört der Siemens-Chef dann seine Heimat als Ort, an dem er runterkommt, um bei der Jet-Setterei die Bodenhaftung nicht zu verlieren. „Es hilft ungemein, wenn Sie das ganze gesellschaftliche Spektrum kennen. Um als Führungskraft die Menschen wirklich zu erreichen, müssen sie verstehen“, sagte er einmal. Und so ist es wichtig, Kaesers Heimat zu kennen, um besser zu verstehen wie dieser Welt-Manager tickt.

„Joe Kaeser ist für uns immer noch der Sepp“

Die besten Geschichten darüber lassen sich von Hans Weiß erfahren. Der 70-Jährige mit schlohweißem Haar und warmer Stimme, empfängt seine Gäste gerne herzlich, überreicht ein Glas selbstgemachten Waldhonigs zur Begrüßung. Dann bittet er zum Rundgang durch Arnbruck.

Weiß ist der pensionierte Dorfschulrektor des Ortes. Bei ihm ging eine von Kaesers Töchtern in die Grundschule, bis heute ist er ein guter Freund der Familie, berichtet regelmäßig für die Lokalzeitung über die gesellschaftlichen Anlässe in Arnbruck, zu denen die Kaesers gerne kommen. Außerdem leitet Weiß eine Laien-Theatergruppe, der Kaeser mal für eine Aufführung einen fünfstelligen Betrag zuschoss. „Er hat sich den Finanzplan erklären lassen“, sagt Weiß, „dann hat er gesagt: da helfe ich.“

Auf Rekordjagd: Kennziffern des Siemens-Konzerns

Weiß beschreibt Kaeser als bodenständigen Menschen, der nach Arnbruck komme wann immer es die Zeit erlaube, in die Kirche gehe, bei der freiwilligen Feuerwehr vorbeischaue und im Heimatverein, trotz hoher Sicherheitsstufe. Einer, der bei aller Weltläufigkeit mit den Menschen im Ort per Du sei. „Joe Kaeser ist für uns immer noch der Sepp“, sagt Weiß. „Einer von uns, der gar nicht weiter auffällt.“

Beispiele dafür hat Weiß genug. Neulich etwa, bei der Hochzeit von Kaesers Tochter, da sei das halbe Dorf in der Kirche gewesen, der Chor habe gesungen, anschließend habe die Gesellschaft der Familie mitten im Ort gefeiert – im Weinfurtner Glasdorf, dessen Ladenflächen eigens für diesen Anlass ausgeräumt wurden. „Das war schon etwas ganz besonders“, sagt Weiß, „das wird hier nicht für jeden gemacht.“

Der angekündigte Stellenabbau ist der wohl tiefste Einschnitt in der mehr als vierjährigen Amtszeit von Siemens-Chef Joe Kaeser. Was zu diesem Einschnitt führte.
von Matthias Kamp

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