Juwi-Gründer Matthias Willenbacher freigesprochen Erlösung nach 51 Monaten bangen im Korruptions-Prozess

Happy End für einen Öko-Unternehmer: Juwi-Gründer Matthias Willenbacher ist vom Vorwurf der Korruption freigesprochen. Eine skurrile Situation – denn der gleicher Fall wurde vom selben Gericht schon anders bewertet.

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Matthias Willenbacher (m.) mit seinen Verteidigern Klaus Walter (l.) und Gernot Zimmermann. Quelle: Andreas Dörnfelder für Handelsblatt

Meiningen Als alles endlich vorbei war, strahlte Matthias Willenbacher in seine Handykamera. Vor dem Landgericht in Meiningen (Thüringen) machte er ein Selfie mit seinen Anwälten. Mehr als vier Jahre dauerte das Korruptionsverfahren gegen den Gründer und Ex-Vorstand von Deutschlands zweitgrößtem Windparkbauer Juwi. 51 Monate nach der Razzia in der Firmenzentrale in Wörrstadt bei Mainz hat die Strafkammer am Mittwoch auf Freispruch entschieden.

„Die Kammer ist überzeugt, dass keine Unrechtsvereinbarung zustande gekommen ist“, sagte der vorsitzende Richter Wolfgang Feld-Gerdes in seiner Urteilsbegründung. Dies habe sich in den insgesamt sieben Prozesstagen gezeigt, in denen sich Willenbacher wegen des Vorwurfs der Vorteilsgewährung verantworten musste. Es handele sich um einen Freispruch aus tatsächlichen Gründen. Die Staatsanwaltschaft will Revision einlegen. „Wir sind überzeugt, dass die Entscheidung falsch ist“, sagte die Staatsanwältin nach dem Prozess dem Handelsblatt. Der Revisionsantrag liege dem Gericht bereits vor. Für die Verteidigung ist der Fall erstmal erledigt: „Wir sind zufrieden“, sagten Willenbachers Anwälte nach dem Richterspruch.

Matthias Willenbacher war angeklagt, weil er einen Amtsträger in Eisenach bevorteilt haben sollte. Im Kern ging es um einen Beratervertrag aus dem Jahr 2010, den Willenbacher als damaliger Vorstand der Juwi AG mit dem früheren Thüringer Innenminister Christian Köckert (CDU) abgeschlossen hatte. Köckerts Auftrag: „Betreuung verschiedener, relevanter politischer Entscheidungsträger“.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt sah darin eine unerlaubte Vorteilsgewährung von Willenbacher an Köckert und klagte beide im Jahr 2013 an. In den Augen der Strafverfolger vereinbarten der damalige Juwi-Vorstand und der Politiker zumindest stillschweigend, dass Köckert im Rahmen seines Beratungsmandats auch dienstliche Handlungen erbringt. Zwar war er nicht mehr Minister, doch in Eisenach fungierte er als ehrenamtlicher Beigeordneter und stellvertretender Oberbürgermeister. Damit galt er dem Gesetz nach als Amtsträger.

Willenbacher argumentierte im Verlauf des Verfahrens stets, er habe gar nicht gewusst, dass sein Berater ein Amt innehatte. Der Richter bestätigte das: „Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte wusste, dass Köckert ehrenamtlicher Beigeordneter war.“ Zwar habe der Ex-Minister drei Tätigkeiten abgerechnet, die sich als dienstliche Handlungen einstufen ließen. „Es konnte aber nicht festgestellt werden, dass dies aus Sicht der Juwi erkennbar war.“

Der Freispruch schafft eine skurrile Situation. Denn Christian Köckert wurde bereits 2015 in dem selben Fall höchstrichterlich wegen Vorteilsannahme schuldig gesprochen. Nun gibt es aber niemanden, der ihm diesen Vorteil strafbar gewährt hat. Es könnte sein, dass der Fall neu aufgerollt wird. „Wenn der Vorteilsnehmer verurteilt wird, der beschuldigte Vorteilsgeber aber freigesprochen wird, ist das eher ungewöhnlich“, sagt der Düsseldorfer Strafrechtler Heiko Ahlbrecht. Auch die Jura-Professorin Elisa Hoven von der Uni Köln stuft ein solches Ergebnis als ungewöhnlich ein. Allerdings seien die beiden Verfahren grundsätzlich voneinander unabhängig, so die Rechtswissenschaftlerin.


Zuversicht und Kaltgetränke

Matthias Willenbacher wirkte schon zu Beginn des letzten Prozesstags zuversichtlich. „Moin“, rief er den wartenden Journalisten um 9 Uhr morgens zu. Dann schlenderte er lächelnd in den Saal A0145 des Meininger Landgerichts. Der Ex-Vorstand der Juwi AG trug Skaterlatschen zum dunkelblauen Anzug und dem hellblauen Hemd. Auf der Anklagebank saß er wie schon in den Wochen zuvor wie in einer kleinen Festung: Zu seiner Linken hatte Verteidiger Gernot Zimmermann Platz genommen. Von rechts gab Anwalt Klaus Walter Deckung. Und hinter ihm wachten zwei Anwälte der Juwi AG, von der die Staatsanwaltschaft ein Bußgeld forderte. Auch damit sollte sie scheitern.

Um 9.37 Uhr sprach die verhandelnde Staatsanwältin ihr Plädoyer. Es wurde ein fast zweistündiger Vortrag, in dem die Ermittlerin eine Reihe von Indizien aufzählte – allerdings kaum Beweise lieferte. Die Hauptverhandlung, in der etwa ein Dutzend Zeugen aussagten, könne nur den Schluss zulassen, dass Willenbacher von Köckerts Tätigkeit als Beigeordneter der Stadt Eisenach gewusst habe. Es sei lebensfremd, anzunehmen, dass der Politiker nicht darüber berichtet habe, schließlich habe er den Beratervertrag unbedingt gewollt.

Willenbachers Verteidiger schüttelten derweil immer wieder den Kopf. Der Angeklagte selbst lächelte die Staatsanwältin hin und wieder an. Verteidiger Gernot Zimmermann eröffnete sein Plädoyer mit einem Lob für das Gericht. Die Strafkammer habe sich Mühe gegeben, das Verfahren neu zu verhandeln. Dem Gericht gebühre Respekt dafür, dass es sich von einer möglichen persönlichen Betroffenheit frei gemacht habe. Diese hatten die Verteidiger zum Prozessauftakt noch unterstellt. Denn die selbe Kammer hatte eben genau den Mann verurteilt, der als Juwi-Berater den unerlaubten Vorteil angenommen hat: Ex-Minister Köckert.

Dann schimpfte Zimmermann wie anschließend auch sein Kollege Walter auf die Staatsanwaltschaft. Die Behörde habe alle entlastenden Umstände ausgeblendet und damit alle gängigen Vorurteile bestätigt. Die Ermittler hätten einen „nicht nachvollziehbaren Verfolgungseifer an den Tag gelegt und Willenbacher damit geschadet“. Die Verteidiger spielten unter anderem auf Finanzermittlungen an. So forderte die Staatsanwaltschaft bei 13 Banken Einsicht in Konten von Willenbacher, woraufhin die Geldhäuser ihre Geschäftsbeziehung zu Willenbacher prüften. Die Verteidiger forderten das Gericht auf, ihren Mandanten für unschuldig zu erklären.

Matthias Willenbacher beteuerte in seinem Schlusswort seine Unschuld. „Ich kann nur sagen, dass ich mich über das gesamte Verfahren wundere. Die Staatsanwaltschaft hat mir vorgeworfen, dass ich nicht mit ihr reden wollte. Das Gegenteil war der Fall.“ Er habe inständig auf seine Anwälte eingewirkt, als die ihm das ausreden wollten, weil einem da das Wort im Mund herum gedreht werde. „Doch die Staatsanwaltschaft hat abgelehnt mit mir zu reden. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden.“

Als der Richter schließlich das Urteil sprach, zeigte Willenbacher zunächst nur ein leichtes Lächeln. Von rechts zwinkerte ihm sein Anwalt Walter zu, doch das schien der Unternehmer nicht wahrzunehmen. Dann machte er sich auf den Weg aus dem Saal: „Ich brauche erstmal frische Luft.“ Auf dem Parkplatz vor dem Gerichtsgebäude nahm Willenbacher einem der Juwi-Anwälte die Krawatte ab. „Du kannst dich jetzt auch mal entspannen“, sagte er. Dann wollte er schnell nach Hause. Es sei an der Zeit für „das ein oder andere Kaltgetränk“.

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