Käufer werden immer älter Autobauer leiden unter dem „Methusalem-Effekt“

Die Autohersteller stehen vor einem neuen Problem: Die Pkw-Käufer werden immer älter. Junge Menschen sehen häufig keinen Sinn mehr darin, sich einen eigenen Wagen zuzulegen – und auch die Autobauer machen Fehler.

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Das Durchschnittsalter unter deutschen Autokäufern hat deutlich zugenommen. Jüngere Menschen verweigern den Kauf. Quelle: obs

Düsseldorf Deutschlands Autofahrer werden immer älter. Das Durchschnittsalter der Fahrzeugkäufer ist den zurückliegenden 20 Jahren kräftig nach oben gegangen – um einiges stärker als das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung. Nach Dieselaffären, Staus und Fahrverboten erwächst den Autoherstellern damit ein ganzes Problem: Der Nachwuchs bleibt aus, zu wenig junge Menschen wollen noch ein Auto kaufen.

Sowohl bei Neu- als auch bei Gebrauchtwagen sind die Käufer in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich älter geworden. 1995 lag das Durchschnittsalter eines Neuwagenkäufers bei 46,1 Jahren, heute sind es 52,8 Jahre (plus 14,5 Prozent). Noch stärker ist das Durchschnittsalter der Gebrauchtwagenkäufer gestiegen, nämlich um 19,4 Prozent. 1995 lag es noch bei 37,5 Jahren, heute hat der Mittelwert 44,8 Jahre erreicht. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Untersuchung des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen.

Das Durchschnittsalter in der gesamten deutschen Bevölkerung ist im selben Zeitraum um 10,5 Prozent von 40,0 auf 44,2 Jahre geklettert – liegt also deutlich unter dem Alterszuwachs der Autokäufer. CAR-Leiter Ferdinand Dudenhöffer spricht von einem „Methusalem-Effekt“ auf dem Automarkt. Das durchschnittliche Lebensalter aller Autohalter liege in Deutschland inzwischen bei 52,6 Jahren und steige weiterhin kontinuierlich an. Der Anteil der Autofahrer, die 60 Jahre und älter sind, habe einen Wert von 31,8 Prozent erreicht. Trotz der allgemein guten wirtschaftlichen Lage entscheiden sich weniger junge Menschen für den Kauf eines Autos.

Autoprofessor Dudenhöffer wertet es als besonders alarmierend, dass das Durchschnittsalter der Gebrauchtwagenkäufer deutlich stärker angestiegen ist als bei den Neuwagenkunden. Jüngere Menschen sind wegen ihrer tendenziell niedrigeren Einkommen die typischen Käufer von Gebrauchtwagen. Doch auch ein vergleichsweise günstiges Preisniveau kann die Jungen immer weniger dazu bewegen, sich einen Gebrauchten zuzulegen. „Die jungen Menschen verlieren die Lust am eigenen Auto“, fasst Dudenhöffer die Entwicklung am deutschen Automarkt zusammen.

Der Automobilforscher hält der Branche vor, dass sie in den zurückliegenden Jahren keine großen Innovationen hervorgebracht habe, mit denen sich jüngere Käufer begeistern ließen. „Radikale oder disruptive Innovationen sieht man außer beim Elektropionier Tesla kaum“, so Dudenhöffer. Der „emotionale Kick“ sei in den vergangenen Jahren immer stärker abhandengekommen.

Möglicherweise könnte die neue Generation von Elektroautos für eine Wende sorgen, weil damit ein echter Innovationsschub ausgelöst werde. Bei den meisten Herstellern wie Volkswagen und Daimler beginnt das Elektrozeitalter mit dem Jahr 2020. Dann sollen rein batteriegetriebene Fahrzeuge in großen Stückzahlen von den Bändern laufen.


Lange Staus und fehlende Parkplätze

Der Mangel an Innovationen muss allerdings nicht der einzige Grund sein, dass unter jüngeren Käufern das Interesse am eigenen Auto inzwischen immer deutlicher nachlässt. Es dürfte auch daran liegen, dass Autofahren heute viel beschwerlicher ist als vor 20 oder 30 Jahren: Lange Staus in den großen Ballungsräumen sind zum Alltagsproblem geworden, in den Wohnvierteln vieler Kommunen gibt es nicht mehr genügend Parkplätze.

Auch in der Autobranche werden solche Veränderungen inzwischen zur Kenntnis genommen. „Der Trend in der Welt geht in die Stadt“, sagt etwa der Continental-Vorstandsvorsitzende Elmar Degenhart. In den großen Städten es fraglich geworden, ob wirklich jeder Haushalt sein eigenes Fahrzeug brauche.

Volkswagen will sich zu einem Mobilitätskonzern wandeln, der nicht mehr nur Autos verkauft. „Wir müssen Mobilität anbieten, das dann aber so bequem wie möglich“, betont VW-Chef Matthias Müller. Um von A nach B zu kommen, kämen alle möglichen Verkehrsmittel in Betracht. Volkswagen müsse verschiedene Mobilitätskonzepte anbieten, aus denen die Kunden dann nach ganz eigenen Bedürfnissen auswählen könnten.

Entscheidend könnte für die Automobilhersteller sein, wie viele junge Menschen künftig noch einen Führerschein machen werden. Bei weiter wachsenden Staus dürfte die Zahl der Führerscheinbesitzer allerdings tendenziell abnehmen – Autofahrern ist nicht mehr so bequem wie früher.

Außer dem Alter der Fahrer kommt noch ein weiteres Problem für die Autobranche dazu. Auch das Durchschnittsalter der Fahrzeuge steigt an, die Autos werden also länger als in der Vergangenheit gefahren. Inzwischen sind die Pkw auf den deutschen Straßen im Schnitt 9,3 Jahre alt. 1995, also vor gut 20 Jahren, waren es noch 6,8 Jahre.

Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass viele ältere Fahrer lieber und länger an ihrer alten Karosse festhalten. Die Wachstumsaussichten auf dem deutschen Automarkt sind für die Hersteller deshalb nicht mehr die besten. Neue Absatzchancen ergeben sich wahrscheinlich wirklich nur mit Mobilitätskonzepten und vielleicht auch mit den versprochenen Elektroautos.

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