Kartellstrafen Wie sich Sünder vor Bußgeldzahlungen drücken

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Wenig Hindernisse bei der Umsetzung

Seit die WirtschaftsWoche das aufdeckte, prüfen flächendeckend auf Kartellrecht spezialisierte Anwälte, ob ihre Mandanten den millionensparenden Tönnies-Trick nutzen können. Man brauche dazu nur „bestimmte Unternehmensstrukturen, mit denen man spielen kann“, sagt etwa Michael Holzhäuser von DLA Piper in Frankfurt.

Sein Kollege Helmut Janssen von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft in Düsseldorf sieht wenig Hindernisse bei der Umsetzung: „Wer gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegt, hat während des Gerichtsverfahrens genügend Zeit, den Ausweg der Umstrukturierung zu nutzen.“ Die Umstrukturierung selbst sei normalerweise „in drei bis sechs Monaten über die Bühne gebracht“ – je nachdem, ob ein Betriebsrat informiert werden oder eine Zwischenbilanz aufgestellt werden muss und wie lange der Eintrag ins Handelsregister dauert.

Um die Welle zu stoppen, laufen seit Wochen die Drähte heiß zwischen den zuständigen Bundesministern Sigmar Gabriel (Wirtschaft) und Heiko Maas (Justiz). „Nach der Sommerpause wird die Bundesregierung die notwendigen Rechtsänderungen auf den Weg bringen“, teilt das federführende Wirtschaftsministerium, dem das Kartellamt unterstellt ist, auf Anfrage mit. Konkreter werden die Ministerialen nicht.

Intimfeind ebnet Weg

Die wahrscheinliche Lösung: eine erneute Änderung des GWB, vermutlich in Paragraf 81. Wie im EU-Recht könnte ein überarbeiteter Paragraf die Haftung für die Bußgelder auf die Konzernmütter ausweiten. Wer nach einer solchen Gesetzesänderung erwischt wird, käme nur durch Nachweis der Unschuld oder als Kronzeuge, der die anderen Kartellanten verpfeift, straffrei davon. Mundt will das schon lange. Nun hat ihm ausgerechnet Intimfeind Tönnies den Weg geebnet.

Allerdings muss Mundt dabei mit Widerstand von Wirtschaftsverbänden rechnen: „Anstatt die konkreten Lücken zu schließen, will das Bundeskartellamt das Kartellbußgeldrecht gänzlich umgestalten. Das wäre die radikalste Lösung“, sagt Ulrike Suchsland, Kartellexpertin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI): „Das Bundeskartellamt bekäme so die Möglichkeit, sich den solventesten Schuldner auszusuchen. Die Unternehmen würden für Einzelfälle in Sippenhaft genommen.“

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