Klaus Kleinfeld "Diese Branche wird immer aggressiver"

Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, Boss des Technologiekonzerns Arconic, wehrt sich gegen Vorwürfe des Missmanagements. Ein Gespräch über gierige Aktionäre - und die Handels- und Steuerpolitik Donald Trumps.

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Klaus Kleinfeld Quelle: REUTERS

Klaus Kleinfeld gibt sich entspannt. Beim Fotoshooting schiebt er seine Rolex unter das Hemd. „Nicht, dass wir vom Thema abkommen“, grinst der Vorstandschef des Aluminiumspezialisten Arconic. Vor über zehn Jahren war die aus offiziellen Fotos rausretuschierte Rolex des damaligen Siemens-Chefs ein Aufreger. Heute hat Kleinfeld andere Sorgen: Der Hedgefonds Elliott möchte ihn aus dem Amt drängen. Arconic, im November vom Rohstoffkonzern Alcoa abgespalten, vereint dessen Zulieferergeschäft. Elliott spricht von einem „Dr. Klaus-Abschlag“: Wegen des schlechten Managements zahlten Anleger weniger für Arconic als für vergleichbare Unternehmen. 70 Prozent Wertverlust habe die Ära Kleinfeld die Alcoa-Aktionäre gekostet, der Konzern nie seine Kapitalkosten verdient. Und Kleinfeld selbst sei vor allem auf Image, Prestige und Status bedacht. Elliott will Kleinfeld durch den Ex-Lockheed-Manager Larry Lawson ersetzen.

Herr Kleinfeld, haben Sie Angst um Ihren Job?
Klaus Kleinfeld: Nein. Und das hatte ich noch nie. Der gesamte Arconic-Aufsichtsrat hat mir das volle Vertrauen ausgesprochen. Sie haben sich die Vorwürfe von Elliot angeschaut und intensivst überprüft, auch unter Zuhilfenahme externer Experten. Das Ergebnis ist klar: Die Vorwürfe sind zum Teil falsch, zum Teil manipulativ. Noch einmal: Der Aufsichtsrat steht geschlossen hinter uns – inklusive der drei Verwaltungsratsmitglieder, die von Elliott entsandt wurden. Eindeutiger geht es nicht.

Elliott wirft ihnen vor, dass das Potenzial von Arconic bei Weitem nicht ausgeschöpft wird; dass der Aktienkurs den Erwartungen hinterherhinkt.
Die Arconic-Aktie hat allein seit dem Split am 1. November mehr als 20 Prozent zugelegt. Damit haben wir den Markt übertroffen.

Nach der Abspaltung von Alcoa schreibt das Unternehmen rote Zahlen. Ein Großinvestor probt den Machtkampf – und fordert die Ablösung des deutschen Spitzenmanagers. Bislang ohne Erfolg.
von Tim Rahmann

Alcoa hat im gleichen Zeitraum rund 60 Prozent zugelegt. Werfen Sie sich selbst vor, falsche Erwartungen geweckt zu haben, indem Sie vor der Aufsplittung angedeutet haben, Arconic sei das lukrative Investment – was Sie alleine schon dadurch gezeigt haben, den Chefposten dort zu übernehmen?
Ich habe das nicht angedeutet. Nicht Arconic wurde zu positiv gesehen, sondern Alcoa zu kritisch. Ich habe immer gesagt, dass das ein starkes Unternehmen ist, schließlich haben mein Team und ich es durch drastische Umstrukturierungen und Kostensenkungen dorthin gebracht. Es hat beste Zukunftsaussichten, nur so konnte ich auch die Trennung vorantreiben. Es freut mich außerordentlich, dass der Aktienkurs von Alcoa enorm gestiegen ist; zumal Arconic noch einen Anteil von 19,9 Prozent daran hält. Die Aktionäre, die vor dem Split unsere Aktie hielten, haben mit Alcoa und Arconic exzellent verdient. Wir haben Wert geschaffen. Das war das Ziel. Und in einem Punkt gebe ich ja Elliott Recht: Arconic ist ein Unternehmen, das noch viel Potenzial und eine sehr gute Zukunft vor sich hat.

Im vierten Quartal hat Arconic 1,2 Milliarden US-Dollar Verlust gemacht. Haben Sie Angst, dass Elliott mit diesen Fakten im Hintergrund Verbündete unter den Aktionären sucht – und findet?
Der Verlust entstand infolge der Aufspaltungsbuchungen und war weit im Vorfeld kommuniziert. Die übrigen Zahlen wurden auch von Analysten positiv gedeutet. Wir haben die Marge in allen Geschäftsbereichen weiter gesteigert und die Bilanz deutlich gestärkt. Jeder Aktionär hat das Recht, seine Meinung zu sagen, und wir nehmen die ernst. Elliott ist ein hoch aggressiver Aktivist, und diese Branche wird immer aggressiver. Aber sie haben längst nicht jeden Kampf gewonnen. Stand heute ist: Elliott hält rund 10,5 Prozent der Papiere. Das ist weit von einer Mehrheit entfernt. Und ich glaube die Aussage, die unser Board nach gründlicher Prüfung getroffen hat, nämlich dass Elliott nicht im Sinne der Aktionäre handelt, sondern gegen ihre Interessen, wird viele zum Nachdenken bringen.

Fehlstart für Arconic: Die ersten Quartalszahlen nach der Abspaltung vom Alcoa enttäuschen. Hedgefonds haben sich zudem auf Konzernchef Klaus Kleinfeld eingeschossen. Muss der deutsche Manager um seinen Job bangen?

Haben Sie keine Angst, die Gier so manchen Aktionärs zu unterschätzen? Am Tag, nachdem Elliott einen potenziellen Nachfolger für Sie präsentierte, schoss der Aktienkurs hoch.
Sorry, das stimmt so nicht. Der Kurs hat vorher deutlich zugelegt, da die Zahlen nicht so schlecht waren. Und ein Kursanstieg seit dem Split von fast 20 Prozent ist ja nun nicht schlecht. Ich bin überzeugt, dass wir sehr viel zu bieten haben und die richtigen Ergebnisse einfahren.

Was macht Sie da so sicher?
Wir sind ein innovatives Unternehmen und weltweiter Branchenprimus, in dem, was wir machen. Wir stellen Hightech-Güter aus Aluminium, Nickel und Titan für die Luftfahrtbranche und die Autobauer her. In beiden Bereichen helfen wir unseren Kunden, sich fit für die Zukunft zu machen: Flugzeuge und Autos leichter und effizienter machen. Ein Beispiel: Die Temperatur in der Turbinen-Brennkammer ist heute über dem Schmelzpunkt der darin eingesetzten Materialien. Dies treibt die Energie-Effizienz und reduziert die Emissionen. Das ist nur möglich durch modernste Legierungen und komplexe Fertigungs-Fähigkeiten.

Geht es nach dem Willen der Großaktionäre von Arconic soll Konzernchef Klaus Kleinfeld gehen. Der Grund: Die Geschäftsentwicklung des US-Metallunternehmens sei nicht zufriedenstellend.

Wie konjunkturabhängig ist Arconic?
Bei der heutigen globalen Vernetzung spielt das natürlich eine Rolle. Aber die Auftragsbücher der Flugzeugbauer sind für die kommenden neun Jahre voll. Ich kenne keine andere Branche, in der dies der Fall ist. Die Nachfrage nach Passagierflugzeugen wird getrieben durch das Wachsen der Mittelklasse auf der Welt, vor allem in Asien. Sie kennen das selbst: Sobald die Wohnung eingerichtet und das erste Auto gekauft ist, beginnt der Wunsch, die Welt zu sehen. Das beginnt im großen Stil in Asien. Davon profitieren unsere Kunden. Und da es in der Branche keinen gibt, der nicht unsere Produkte kauft, haben wir eine herausragende Rolle.

Sie verwenden Rohstoffe aus aller Welt, arbeiten an Maschinen aus Europa und ihre Kunden wiederum exportieren nach Asien, in den Mittleren Osten. Wie abhängig ist Arconic vom Freihandel?
Da reicht ein Blick auf die Zahlen. 60 Prozent unseres Umsatzes machen wir in den USA, 25 bis 30 Prozent in Europa, der Rest verteilt sich in der ganzen Welt. Verlieren wir den freien Zugang zu den Märkten, wäre das natürlich geschäftsschädigend.

Trump will Rahmenbedingungen verbessern

Haben Sie das Donald Trump bei Ihrem Besuch im Weißen Haus auch so gesagt?
Ich glaube allen ist klar, auch Donald Trump, dass der freie Handel für mehr Wohlstand überall auf der Welt sorgt. Bei dem Gespräch im Weißen Haus – ich war am 23. Januar mit einem Dutzend weiterer US-Konzernchefs zum Frühstück eingeladen, um über Industriejobs in Amerika zu sprechen – war das aber nur ein Nebenthema.

Die ganze Wirtschaftswelt fürchtet eine neue Phase des Protektionismus – und bei einem Spitzentreffen im Weißen Haus mit Konzernlenkern ist das nur ein Nebenthema. Wie kann das sein?
Weil es ein Punkt von vielen ist, wenn auch ein wichtiger. Die öffentliche Debatte ist derzeit geprägt vom Freihandel. Aber gibt es weitere wichtige Themen. Die Steuern in den USA sind nicht wettbewerbsfähig. Hier nachzubessern, wie Trump verspricht, schafft Spielraum für Investitionen und neue Jobs. Gleiches gilt für den Abbau von Regulierungen; da hat sich in den vergangenen Jahren in den Vereinigten Staaten viel aufgestaut. Der neue Präsident hat versprochen, drei Viertel der unnötigen Beschränkungen aufzuheben. Selbst wenn es am Ende nur 50 Prozent werden, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung. Und denken Sie auch an den Plan zur Verbesserung der US Infrastruktur, notwendig und sehr begrüßenswert.

Und dann holen die US-Konzernchefs den Rechenschieber raus und sagen: Steuererleichterungen plus Bürokratieabbau hilft uns so sehr, dass wir die Angriffe auf den Freihandel dulden?
Da spitzen Sie reichlich zu. Ich habe mich immer für offene Grenzen eingesetzt. Das bleibt so. Zunächst einmal finde ich es positiv, wenn sich ein neuer Präsident in der ersten Woche im Job die Zeit nimmt, um über die Stärkung der Fertigungsindustrie in den USA zu reden. Und die Gespräche waren gut. Der neue Präsident hat zugehört, er hat interessiert nachgefragt und versprochen, die Rahmenbedingungen für die Industrie zu bessern.

Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet

Die Rahmenbedingungen stärkt man aber nicht durch die Einführung von Importzöllen.
Nein, das habe ich auch immer gesagt, schon in der zurückliegenden großen Konjunkturkrise, als die Versuchung der Staaten groß war, zu protektionistischen Maßnahmen zu greifen. Die neue Administration hat gerade erst mit dem Regieren angefangen. In meinem Verständnis hat sich Trump immer als Geschäftsmann und „Deal-Maker“ definiert. Viele Dinge, die er in die Welt wirft, sind der Anfang einer Verhandlung. So verstehe ich ihn jedenfalls.

Sie würden aber die Stimme erheben, wenn Donald Trump plötzlich Amerika abschottet und Strafsteuern auf mexikanische oder chinesische Produkte erhebt?
Ja, das habe ich auch schon früher. Aber: Donald Trump ist Geschäftsmann. Ich bin sicher, er kennt die Welt gut und hat verstanden, was Amerika nützt und was nicht. Die Vorteile des Freihandels liegen auf der Hand. Gleichwohl ist es so, dass sich jeder an die Spielregeln halten muss. Das tun längst nicht alle, übrigens auch nicht immer die Amerikaner und die Europäer. Und im Übrigen, muss man sehen, was wirklich umgesetzt wird. Da schauen wir sehr genau hin. Es gibt einen schönen Satz eines Journalisten: Trump’s Anhänger haben ihn ernst genommen, aber nicht wörtlich; seine Gegner wörtlich, aber nicht ernst. Darüber hinaus werden wir uns natürlich anschauen, was der neue Präsident wirklich umsetzt und werden dann entsprechend reagieren.

Sie haben weit vor Trump kräftig in den USA investiert. Ist das nicht Beweis, dass der Standort so attraktiv ist, dass er auch ohne Drohungen des Präsidenten auskommt?
Das ist absolut so. Wir haben in den letzten Jahren ungefähr drei Milliarden in die US-Standorte investiert. Wir haben unser Technologiezentrum bei Pittsburgh erweitert und etwa eine hochmoderne Metall-Pulverfertigung für Titan, Nickel, und Aluminium gebaut. Damit können wir Pulverlegierungen entwickeln und herstellen, die sich einzigartig besonders für den 3-D-Druck eignen. Das alles haben wir ohne Druck aus der Politik gemacht. Gleichwohl kann die Politik natürlich helfen und uns unterstützen.

Mit diesen Bossen hat Präsident Trump sich zuerst getroffen
Treffen im Roosevelt Room des Weißen Hauses Quelle: AP
Ehrenplatz an Trumps Seite: Wendell Weeks, Chef des Chemiekonzerns Corning, saß auf Trumps rechter Seite. Quelle: AP
Andrew Liveris Quelle: REUTERS
Ford-Chef Mark Fields Quelle: REUTERS
Der Chef des Elektroauto-Herstellers Tesla, Elon Musk Quelle: dpa
Klaus Kleinfeld. Quelle: REUTERS
Chefin des Rüstungskonzerns Lockheed Martin, Marillyn Hewson Quelle: AP

Was erwarten Sie in diesem Punkt von Donald Trump – abseits der bereits angesprochenen Steuererleichterungen und des Abbaus von Bürokratie und Regularien.
Bei dem Gespräch im Weißen Haus habe ich auch angesprochen, wie wir die Ausbildung verbessern können. Das ist wichtig. Denn in den USA existiert droht ein Fachkräftemangel. Da gibt es hier einfach eine andere Tradition als etwa in Deutschland mit seiner hervorragenden Lehrlingsausbildung, die ihre Wurzeln im Mittelalter hat, oder dem dualen Studium. Das ist hier erst langsam am Entstehen. Wir bei Arconic arbeiten an vielen Standorten mit den lokalen Colleges zusammen. Wir helfen. Aber da gibt es oft riesigen Investitionsbedarf – und manchmal fehlt es auch an Einsicht, die Lehrpläne entsprechend dem Bedarf des Arbeitsmarkts zu ändern und Mitarbeitern die Weiterbildung zu erleichtern. Und mein Eindruck war: Dem neuen Präsidenten liegt es am Herzen, hier nachzubessern und die US-Amerikaner fit für das digitale Zeitalter zu machen. Das wollen wir auch, denn nichts ist wichtiger als qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu haben. Dagegen kann und sollte man nichts haben, nur weil es von Trump kommt.

Sie haben rund 22.000 Mitarbeiter in den USA. Davon werden viele einen Migrationshintergrund haben. Wie sehr hat der Muslim Ban von Donald Trump die Arbeit in den vergangenen Tagen belastet?
Es ist ein Einreiseverbot für sieben Länder, kein Muslim-Ban. Auch das ist schwierig. Unsere Personalabteilung ist mit den Mitarbeitern, die aus diesen sieben muslimischen Ländern kommen, in Kontakt. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Angestellter von uns außer Landes ist und betroffen sein könnte. Offenbar gibt es aber einzelne Familienangehörige von Mitarbeitern, die betroffen sind. Da kümmern wir uns mit Hochdruck darum, dass das geklärt wird.

Wie erleben Sie als Deutscher in den USA, der sich hier immer wohlgefühlt hat, dass plötzlich zwischen Menschen differenziert wird.
Ich habe die Offenheit der USA immer genossen und bewundert. Und ich glaube, beide Seiten haben davon profitiert. Die Vereinigten Staaten haben immer Talente aus aller Welt angezogen. Das ist ganz entscheidend, weil wir – wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen – die bestmöglichen Mitarbeiter brauchen. Die USA stehen wie kaum ein zweites Land auch für die Religionsfreiheit. Und die sollten wir verteidigen – auch in Zeiten einer erhöhten Terrorgefahr.

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