Haben Sie das Donald Trump bei Ihrem Besuch im Weißen Haus auch so gesagt?
Ich glaube allen ist klar, auch Donald Trump, dass der freie Handel für mehr Wohlstand überall auf der Welt sorgt. Bei dem Gespräch im Weißen Haus – ich war am 23. Januar mit einem Dutzend weiterer US-Konzernchefs zum Frühstück eingeladen, um über Industriejobs in Amerika zu sprechen – war das aber nur ein Nebenthema.
Die ganze Wirtschaftswelt fürchtet eine neue Phase des Protektionismus – und bei einem Spitzentreffen im Weißen Haus mit Konzernlenkern ist das nur ein Nebenthema. Wie kann das sein?
Weil es ein Punkt von vielen ist, wenn auch ein wichtiger. Die öffentliche Debatte ist derzeit geprägt vom Freihandel. Aber gibt es weitere wichtige Themen. Die Steuern in den USA sind nicht wettbewerbsfähig. Hier nachzubessern, wie Trump verspricht, schafft Spielraum für Investitionen und neue Jobs. Gleiches gilt für den Abbau von Regulierungen; da hat sich in den vergangenen Jahren in den Vereinigten Staaten viel aufgestaut. Der neue Präsident hat versprochen, drei Viertel der unnötigen Beschränkungen aufzuheben. Selbst wenn es am Ende nur 50 Prozent werden, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung. Und denken Sie auch an den Plan zur Verbesserung der US Infrastruktur, notwendig und sehr begrüßenswert.
Und dann holen die US-Konzernchefs den Rechenschieber raus und sagen: Steuererleichterungen plus Bürokratieabbau hilft uns so sehr, dass wir die Angriffe auf den Freihandel dulden?
Da spitzen Sie reichlich zu. Ich habe mich immer für offene Grenzen eingesetzt. Das bleibt so. Zunächst einmal finde ich es positiv, wenn sich ein neuer Präsident in der ersten Woche im Job die Zeit nimmt, um über die Stärkung der Fertigungsindustrie in den USA zu reden. Und die Gespräche waren gut. Der neue Präsident hat zugehört, er hat interessiert nachgefragt und versprochen, die Rahmenbedingungen für die Industrie zu bessern.
Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet
Am 20. Januar soll Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA antreten. Das sind die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und Sorgen wichtiger Länder und Gemeinschaften.
Quelle: dpa
Eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel und den islamistischen Terrorismus, ein gemeinsamer Kurs in der Sanktionspolitik gegenüber Russland sowie eine Fortsetzung der Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP: Was sich die Europäische Union vom neuen US-Präsidenten erhofft, bekam Trump bereits kurz nach seiner Wahl in einem Brief aus Brüssel übermittelt. Nicht offen wird dagegen über die Sorgen gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand befürchten EU-Spitzenpolitiker, dass die Erwartungen Europas den neuen US-Präsidenten nicht wirklich interessieren. Folge könnte eine deutliche Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen sein.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb hofft Russland, dass Trump sein Versprechen wahr macht und die Beziehungen wieder verbessert. Die Zeichen stehen auf ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz nach Amtsantritt. Weil der Republikaner das Engagement der USA im Rest der Welt verringern will, geht Russland davon aus, mehr Spielraum zu bekommen. Trump sieht Nato und EU kritisch, er will den islamistischen Terror stärker bekämpfen - beides passt zur Moskauer Position. Allerdings haben die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe massiv den Verdacht geschürt, dass Moskau sich in US-Politik einmischen könnte. Trump und Putin müssen bei jeder Annäherung mit großem öffentlichem Misstrauen rechnen.
Die Mexikaner machen sich für die Ära Trump auf das Schlimmste gefasst. Der künftige US-Präsident hatte die Nachbarn im Süden mehrfach als Drogenhändler und Vergewaltiger diffamiert. Um die illegale Einreise von Migranten zu verhindern, will Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Außerdem hat er angekündigt, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) neu zu verhandeln oder sogar aufzukündigen. Die mexikanische Wirtschaft hängt stark vom Handel mit den USA ab. Der Autokonzern Ford beerdigte bereits Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko - offenbar aus Angst vor Trump. US-Unternehmen, die billig im Nachbarland produzieren, hatte er mit hohen Strafzöllen gedroht.
Den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften drohen unter Trump schwere Spannungen, die auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnten. Der neue US-Präsident holte China-Kritiker in sein Team, die eine härtere Gangart gegen Peking erwarten lassen. Die kommunistische Führung fürchtet eine Neuausrichtung der US-Beziehungen zu Taiwan, das Peking nur als abtrünnige Provinz behandelt. Mit einer Eskalation wird auch im Handel gerechnet, falls Trump seine Drohung mit Strafzöllen wahr machen sollte. Das Verhältnis wird zudem dadurch bestimmt, wie beide mit den Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer umgehen.
Für den Iran ist es in erster Linie wichtig, was aus dem Atomabkommen wird. Obwohl auch die USA den Deal von 2015 mit ratifiziert hatten, drohte Trump bereits mehrmals mit einem Ausstieg. Präsident Hassan Ruhani bezeichnete das multilaterale Abkommen als unantastbar. Auch eine Nachverhandlung kommt für Teheran nicht infrage. Falls Trump sich nicht an den Deal halten sollte, werde auch Teheran angemessen reagieren, warnte Ruhani. Andererseits hofft der Iran auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der neuen US-Regierung und Moskau. Als enger Verbündeter Russlands könnte davon auch Teheran, besonders im Syrien-Konflikt, außenpolitisch profitieren.
Israel zählt schon die Tage bis zum Amtsantritt von Trump. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet nach dem eher schwierigen Verhältnis zu Präsident Barack Obama ein Umschwenken in der Israelpolitik der USA. Dazu gehört der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Trump kündigte mehrfach an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Beim Ausbau der Siedlungen im Westjordanland hoffen die ultrarechten Kräfte in der Regierung auf mehr Bewegungsfreiheit, nachdem die USA zuletzt eine siedlungskritische UN-Resolution passieren ließen. Einige fordern, das Westjordanland zumindest teilweise zu annektieren.
Die Rahmenbedingungen stärkt man aber nicht durch die Einführung von Importzöllen.
Nein, das habe ich auch immer gesagt, schon in der zurückliegenden großen Konjunkturkrise, als die Versuchung der Staaten groß war, zu protektionistischen Maßnahmen zu greifen. Die neue Administration hat gerade erst mit dem Regieren angefangen. In meinem Verständnis hat sich Trump immer als Geschäftsmann und „Deal-Maker“ definiert. Viele Dinge, die er in die Welt wirft, sind der Anfang einer Verhandlung. So verstehe ich ihn jedenfalls.
Sie würden aber die Stimme erheben, wenn Donald Trump plötzlich Amerika abschottet und Strafsteuern auf mexikanische oder chinesische Produkte erhebt?
Ja, das habe ich auch schon früher. Aber: Donald Trump ist Geschäftsmann. Ich bin sicher, er kennt die Welt gut und hat verstanden, was Amerika nützt und was nicht. Die Vorteile des Freihandels liegen auf der Hand. Gleichwohl ist es so, dass sich jeder an die Spielregeln halten muss. Das tun längst nicht alle, übrigens auch nicht immer die Amerikaner und die Europäer. Und im Übrigen, muss man sehen, was wirklich umgesetzt wird. Da schauen wir sehr genau hin. Es gibt einen schönen Satz eines Journalisten: Trump’s Anhänger haben ihn ernst genommen, aber nicht wörtlich; seine Gegner wörtlich, aber nicht ernst. Darüber hinaus werden wir uns natürlich anschauen, was der neue Präsident wirklich umsetzt und werden dann entsprechend reagieren.
Sie haben weit vor Trump kräftig in den USA investiert. Ist das nicht Beweis, dass der Standort so attraktiv ist, dass er auch ohne Drohungen des Präsidenten auskommt?
Das ist absolut so. Wir haben in den letzten Jahren ungefähr drei Milliarden in die US-Standorte investiert. Wir haben unser Technologiezentrum bei Pittsburgh erweitert und etwa eine hochmoderne Metall-Pulverfertigung für Titan, Nickel, und Aluminium gebaut. Damit können wir Pulverlegierungen entwickeln und herstellen, die sich einzigartig besonders für den 3-D-Druck eignen. Das alles haben wir ohne Druck aus der Politik gemacht. Gleichwohl kann die Politik natürlich helfen und uns unterstützen.
Was erwarten Sie in diesem Punkt von Donald Trump – abseits der bereits angesprochenen Steuererleichterungen und des Abbaus von Bürokratie und Regularien.
Bei dem Gespräch im Weißen Haus habe ich auch angesprochen, wie wir die Ausbildung verbessern können. Das ist wichtig. Denn in den USA existiert droht ein Fachkräftemangel. Da gibt es hier einfach eine andere Tradition als etwa in Deutschland mit seiner hervorragenden Lehrlingsausbildung, die ihre Wurzeln im Mittelalter hat, oder dem dualen Studium. Das ist hier erst langsam am Entstehen. Wir bei Arconic arbeiten an vielen Standorten mit den lokalen Colleges zusammen. Wir helfen. Aber da gibt es oft riesigen Investitionsbedarf – und manchmal fehlt es auch an Einsicht, die Lehrpläne entsprechend dem Bedarf des Arbeitsmarkts zu ändern und Mitarbeitern die Weiterbildung zu erleichtern. Und mein Eindruck war: Dem neuen Präsidenten liegt es am Herzen, hier nachzubessern und die US-Amerikaner fit für das digitale Zeitalter zu machen. Das wollen wir auch, denn nichts ist wichtiger als qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu haben. Dagegen kann und sollte man nichts haben, nur weil es von Trump kommt.
Sie haben rund 22.000 Mitarbeiter in den USA. Davon werden viele einen Migrationshintergrund haben. Wie sehr hat der Muslim Ban von Donald Trump die Arbeit in den vergangenen Tagen belastet?
Es ist ein Einreiseverbot für sieben Länder, kein Muslim-Ban. Auch das ist schwierig. Unsere Personalabteilung ist mit den Mitarbeitern, die aus diesen sieben muslimischen Ländern kommen, in Kontakt. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Angestellter von uns außer Landes ist und betroffen sein könnte. Offenbar gibt es aber einzelne Familienangehörige von Mitarbeitern, die betroffen sind. Da kümmern wir uns mit Hochdruck darum, dass das geklärt wird.
Wie erleben Sie als Deutscher in den USA, der sich hier immer wohlgefühlt hat, dass plötzlich zwischen Menschen differenziert wird.
Ich habe die Offenheit der USA immer genossen und bewundert. Und ich glaube, beide Seiten haben davon profitiert. Die Vereinigten Staaten haben immer Talente aus aller Welt angezogen. Das ist ganz entscheidend, weil wir – wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen – die bestmöglichen Mitarbeiter brauchen. Die USA stehen wie kaum ein zweites Land auch für die Religionsfreiheit. Und die sollten wir verteidigen – auch in Zeiten einer erhöhten Terrorgefahr.