Kleinwagen E.Go Life Der zweite Streich der Streetscooter-Erfinder

Der Streetscooter der Post schickt sich an, der erfolgreichste Elektrolieferwagen des Landes zu werden. Seine Erfinder planen den nächsten Coup: einen elektrischen Kleinwagen, der selbst manchen Porsche stehen lässt.

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Das Modell hat auch optisch im Entwicklungsprozess Fortschritte gemacht. Das soll vor allem Pendler und Zweitwagenkäufer überzeugen. Quelle: Streetscooter

Düsseldorf Dass es so schnell gehen würde, hätte wohl auch in Aachen niemand gedacht. Die Deutsche Post will in den kommenden Jahren in Eigenregie die Produktion des elektrischen Lieferwagens Streetscooter hochfahren – ein zweites und sogar ein drittes Werk sind schon in Planung.

Innerhalb weniger Jahre könnte das Modell damit eine Nische besetzen, die von der Industrie bislang nicht als lukrativ genug angesehen wurde. Die Idee für den Streetscooter kommt nicht aus den hochrangig besetzten Entwicklungsabteilungen der der Autoindustrie, sondern aus einer kleinen Ideenschmiede der RWTH Aachen.

Geboren wurde sie im Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der technischen Elite-Universität, aus der auch etliche Konzerne ihr Personal rekrutieren, unter der Leitung von Professor Günther Schuh. Er ist der Gründer der Streetscooter GmbH, die er mittlerweile an die Deutsche Post verkauft hat.

Doch mit seinen jungen Entwicklern plant der Professor bereits den nächsten Coup. Im kommenden Jahr will das junge Entwicklungsteam der RWTH mit dem E.Go Life einen elektrischen Kleinwagen auf den Markt bringen. Ein Einstiegsmodell, das beweisen soll, dass elektrische Antriebe auch preislich mit dem Verbrenner konkurrieren können. Im Einstieg soll es 15.900 Euro kosten, mit staatlicher Prämie ist das Modell sogar schon für 11.900 Euro zu haben.

Schuh und seine Entwickler gehen dabei einen Weg, der deutlich anders aussieht als in der Industrie. Während die Konzerne sich bei der Entwicklung ihrer Elektromodelle ein Wettrennen um die höchste Reichweite liefern, feilen die Aachener vor allem an der Effizienz in Produktion und Entwicklung, um das Auto zu einem möglichst niedrigen Preis anbieten zu können.

Professor Schuh setzt dabei einmal mehr auf die Nische. Mit 140 Kilometern Reichweite und einer Höchstgeschwindigkeit von 90 Stundenkilometern ist der E.Go nichts für die Autobahn. Doch das soll er auch gar nicht sein. „Wir entwickeln Autos für den emissionsfreien Stadtverkehr – mit weniger Reichweite, aber trotzdem hohem Fahrspaß“, sagt Professor Schuh. In 4,9 Sekunden sprintet der elektrische Kleinwagen auf 50 Stundenkilometer – und lässt damit manchen Porsche an der Ampel stehen.


Die Ideenschmiede profitiert von ihrer Geschwindigkeit

Dass die Reichweite so niedrig ausfällt, hängt mit einer kleineren Batterie zusammen. Sie macht 30 bis 40 Prozent der Gesamtkosten aus. Ist sie größer als unbedingt benötigt, kostet das Auto nicht nur mehr in der Herstellung, sondern schleppt auch mehr unnötiges Gewicht mit sich herum. „Batterieelektrische Fahrzeuge sind weniger komplex und somit einfacher herzustellen als Verbrenner“, sagt Axel Schmidt, Autoexperte bei der Unternehmensberatung Accenture. „Das senkt die Markteintrittsbarrieren für neue Hersteller.“

Bei der Entwicklung haben Professor Schuh und seine Entwickler den Fokus auf maximale Kosteneffizienz gelegt. Die Aachener sparen sich bei der Konstruktion die Anpassung der Bauteile. „Wir greifen stärker auf Standardbauteile aus den Regalen der Zulieferer zurück“, sagt Schuh. 65 Prozent der Bauteile werden zugekauft, zwei Drittel davon müssen nicht angepasst werden. Der 48-Volt-Antrieb mit 30 kW (41 PS) kommt Bosch.

Darüber hinaus profitiert die kleine Ideenschmiede vor allem von ihrer Geschwindigkeit. 30 Millionen Euro habe die Entwicklung des Kleinwagens gekostet, sagt Professor Schuh. Ein etablierter Hersteller müsse für eine solche Neuentwicklung das Zehnfache investieren, schätzt er. Im Schnitt sind seine Entwickler 29 Jahre alt. Jung genug, um neue Ideen für das Fahrzeug von morgen auszuprobieren.

Dabei orientieren sich die Aachner an Entwicklungskonzepten der Softwareindustrie und setzen stark auf Simulationen in der Virtuellen Realität. 30 Prozent der Bauteile für den E.Go Life kommen aus dem 3D-Drucker. Und auch die digitale Entwicklung, beispielsweise die Simulation in der Virtuellen Realität, beschleunigen den Prozess.

Dabei ist ein Fahrzeug entstanden, das es so am Markt noch nicht gibt. Statt mit einer selbsttragenden Karosserie arbeiten die Aachener mit einer hochstabilen Fahrgastzelle, die durch Kunststoff verkleidet wird – ähnlich wie bei einem Formel-1-Wagen. Damit sei das Auto sogar noch sicher als gewöhnliche Kleinwagen, betont Schuh.

Und auch optisch hat das Modell im Entwicklungsprozess Fortschritte gemacht. Das soll vor allem Pendler und Zweitwagenkäufer überzeugen. Bis zu 7000 Autos wollen die Aachener im ersten Jahr produzieren. Ab Mitte Mai werden erste Vorbestellungen angenommen.

Accenture-Experte Schmidt ist nicht sicher, ob die angestammten Autobauer sich vor der neuen Konkurrenz wirklich fürchten müssen. „Elektroautos entwickeln und in Kleinserie herstellen ist das eine“, sagt er. „Aber große Märkte effizient zu bedienen ist etwas anderes – und keineswegs einfach zu bewerkstelligen.“

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