KMW fusioniert mit Nexter Das Ende der rein deutschen Waffenbranche

Die Panzerfusion von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter formt den größten Panzer-Bauer Europas. Der Schritt läutet das Ende einer rein deutschen Waffenbranche ein – und das der strengen Exportrichtlinien.

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Der deutsche Kampfpanzer Leopard wird bald halb französisch. Quelle: dpa Picture-Alliance

Für den französischen Nationalfeiertag am 14. Juli hat Frank Haun einen Herzenswunsch: "Mein Traum wäre es, in einem Leopard-Panzer beim Defilee die Champs-Élysées runterzufahren", sagte der Chef des Münchner Rüstungskonzerns Krauss-Maffei Wegmann (KMW) jüngst auf einer Konferenz in Paris.

Die wohl deutscheste Waffe beim Hochfest französischen Nationalstolzes? Diese bisher absurd anmutende Idee könnte bald wahr werden – wenn nicht in diesem Sommer, dann im Juli 2016 bei der nächsten Waffenparade in Paris. Denn läuft alles wie geplant, unterzeichnen Haun und sein Waffenbruder Philippe Burtin, Chef des französischen Panzerbauers Nexter, spätestens am 14. Juli, kurz vor Beginn der Leistungsschau gallischer Wehrtechnik, den Vertrag über eine Fusion.

Und dann ist die weltweit von Soldaten Leo getaufte Kampfmaschine halb französisch: An dem Verbund werden die KMW-Eignerfamilie Bode und der französische Staat je die Hälfte halten. Einzige Hürde: Das französische Parlament muss noch formal die Privatisierung von Nexter beschließen. Das soll bis zum 13. Juli passieren.

Die sieben Schritte zu Kant

Der Verbund KMW Nexter mit dem Arbeitstitel Kant (ein militärtypisches Akronym für "KMW And Nexter Together", auch weil "Nexter and KMW Together" als "Nakt" auf deutsch etwas merkwürdig geklungen hätte) ist mehr als eine weitere deutsch-französische Kooperation. "Mit der Fusion beginnt eine neue Phase der Konsolidierung der europäischen Rüstungsbranche", sagt Heinz Schulte, Chef des auf die Waffenindustrie spezialisierten Hamburger Informationsdienstes Griephan.

Präzedenzfall Kant

Zwar dauert es noch mindestens drei Jahre, bis aus der Holding mit Sitz im neutralen Amsterdam ein Unternehmen mit gemeinsam entwickelten Panzern, Haubitzen und Transportern wird. Doch in der deutschen Rüstungsbranche wird Kant früher zu spüren sein. Es wird mehr Kooperationen mit Ausländern geben - und mehr Exporte "Wenn jetzt selbst KMW, deren Panzerexporte oft Gegenstand politischen Streits waren, für ausländische Anteilseigner offen ist, können künftig alle deutschen Wehrtechniker Investoren aus dem Ausland an Bord holen – bis hin zur Übernahme einer Mehrheit", sagt ein führender deutscher Rüstungsmanager und frohlockt: "Für die neuen Verbünde gelten dann immer weniger die unberechenbaren deutschen Exportrichtlinien, sondern zumindest teilweise die Regeln der Partnerländer. Und die sind fast alle weniger streng."

Die wichtigsten Produkte von KMW und Nexter
Kampfpanzer von KMW:Krauss-Maffei Wegmann hat mehrere Kampfpanzer im Angebot. Der berühmteste Panzer ist der Leopard 2 (im Bild). Daneben verkauft KMW aber auch noch unter anderem den Flugabwehrpanzer Gepard und die Panzerhaubitze 2000. Quelle: dpa
Kampfpanzer von Nexter:Die französische Armee setzt den "Leclerc"-Panzer nicht nur zu Paradezwecken ein. Er ist der Hauptkampfpanzer der französischen Bodentruppen. Quelle: AP
Servicefahrzeuge von KMW:Der Brückenlegepanzer Leguan ist in mehreren Varianten erhältlich – mit einer 26-Meter-Brücke, zwei 14 Meter langen Brücken oder als Fähre für eine Pontonbrücke. Darüber hinaus bietet KMW noch das HSTB-Brückensystem an, das für Gräben bis acht Meter gedacht ist. Quelle: Presse
Servicefahrzeuge von Nexter:Die französische Waffenschmiede hat in dieser Kategorie zum Beispiel den Minenräumer Demeter (im Bild) oder den Bergepanzer DCL im Programm. Quelle: Presse
Radfahrzeuge von KMW:Neben dem Schützenpanzer Boxer (im Bild) verkauft KMW auch den Truppentransporter Dingo. Quelle: Presse
Radfahrzeuge von NexterDas Angebot der Franzosen ist hier ganz ähnlich: Der Titus (im Bild) ist ein leicht gepanzerter Truppentransporter, das Véhicule Blindé de Combat d’Infanterie – kurz VBCI, auf Deutsch: Gepanzertes Infanterie-Kampffahrzeug – entspricht ungefähr dem Schützenpanzer Boxer. Quelle: Presse
Artillerie von KMW:Das Artillerie-Angebot reicht vom Raketenwerfer Mars II über die Waffenstation FLW100 bis hin zu der Autonomen Haubitze AGM (im Bild). Quelle: Presse

Im Klartext: Kant wird sich – entgegen den bisherigen Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) – beim Export leichter tun als heute die rein deutsche KMW. Und das gilt auch für alle weiteren internationalen Fusionen mit deutscher Beteiligung.

Das könnten einige werden. Denn große Teile der deutschen Waffenbranche stehen zum Verkauf. ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger möchte sein Geschäft mit U-Booten und Fregatten loswerden, um den Umbau vom Stahlriesen zum Technologiekonzern zu finanzieren. Airbus-Lenker Tom Enders will sein Militärgeschäft um alles entrümpeln, was keinen Bezug zum Kerngeschäft Luft- und Raumfahrt hat, und etwa die Radarsparte verkaufen. Zudem suchen viele kleinere Rüstungsunternehmen Teilhaber, weil ihnen nach dem langen Sparkurs ihres Hauptauftraggebers Bundeswehr Geld für die Expansion fehlt.

Die wichtigsten Antworten zu dem künftigen Panzerriesen

Bisher war das schwierig. Vor Kant galt: Nur heimische Unternehmen dürfen sensible deutsche Rüstungstechnik kaufen. So fand Airbus keinen Käufer für sein Rüstungsgeschäft. Die Düsseldorfer Rheinmetall pokerte, dass Thyssen ihr seine Werften mangels anderer Bieter irgendwann für deutlich weniger überlassen würde als die dem Vernehmen nach geforderten zwei Milliarden Euro.

Berlin hat sich mit der Fusion arrangiert

Das dürfte mit Kant jetzt anders werden. Dann könnte Airbus etwa sein Radargeschäft an die teilstaatliche Thales aus Frankreich verkaufen. Thyssen hätte beim Marinegeschäft gar die Wahl zwischen der französischen Staatswerft DCNS, BAE Systems aus Großbritannien oder dem US-Riesen Lockheed Martin. Und auch Rheinmetall könnte für sein Panzergeschäft zwischen mehreren Optionen wählen. Zum einen könnten die Düsseldorfer mit Patria aus Finnland und Oto Melara einen europäischen Verbund aufbauen oder mit dem weltgrößten Panzerbau General Dynamics aus den USA kooperieren: entweder mit deren spanischen Tochter Santa Bárbara Sistema, die an vier Orten unter anderem die Leopardo 2E genannte Version des deutschen Leopard baut, oder gleich mit der Muttergesellschaft aus Falls Church bei Washington. "Wenn wir bei der Kriegswaffe Panzer Franzosen akzeptieren, können wir bei weniger kritischen Dingen wie Schiffen oder Elektronik kein Unternehmen aus einem Nato-Land ablehnen", sagt ein Branchenkenner. "Alles andere wäre ein Affront mit diplomatischen Verwicklungen."

Wer an den Rüstungsdeals verdient
Rang 10 - Iris-T (Diehl) Quelle: Handelsblatt Online
Rang 9 – Korvette 130 (Thyssen-Krupp) Quelle: dpa/dpaweb
Rang 8 – Transportfahrzeug Boxer (KMW, Rheinmetall, MAN) Quelle: dpa
Rang 7 – Fregatte 125 (Thyssen-Krupp, Lürssen, Tognum/ Rolls Royce) Quelle: Handelsblatt Online
Rang 6 – PUMA Schützenpanzer (Rheinmetall, KMW, Diehl, Togum/Rolls Royce) Quelle: dapd
Rang 5 - Mehrzweckhubschrauber Tiger (Airbus/ MTU) Quelle: dpa
Rang 4 – NH90 (Airbus, Finmeccanica, Storck) Quelle: dpa

Offiziell will die Bundesregierung von diesem Wandel durch unternehmerische Annäherung nichts wissen. "Ich gehe davon aus, dass bei Kant kein Unterlaufen deutscher Exportgrundsätze möglich wird", sagt Matthias Machnig, Staatssekretär im für Waffenausfuhren zuständigen Bundeswirtschaftsministerium. Immerhin verkündete er gerade stolz, der Wert der Rüstungsausfuhren läge dank der restriktiven Regeln seines Hauses 2014 ein Drittel unter Vorjahr.

Kompromiss bei den Exportregeln

Doch tatsächlich hat sich die Bundesregierung längst mit Kant und den Folgen arrangiert. "Wenn wir dem Deal hätten widersprechen wollen, wäre das längst passiert", heißt es in Berliner Regierungskreisen.

Darum sagt der Leiter der für den Einkauf der französischen Armee zuständigen Agentur DGA, Laurent Collet-Billon: "Uns ist bei Nexter KMW ein Kompromiss über die Exportregeln gelungen." Basis ist eine deutsch-französische Einigung der damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt und Michel Debré aus dem Jahr 1972. "Keine der beiden Regierungen wird die andere hindern, Rüstungsgüter aus gemeinsamer Entwicklung oder Fertigung auszuführen", zitieren Insider das aus politischen Gründen nie veröffentlichte Papier. "Das ist für Frankreich zentral", sagt die Vorsitzende des französischen Verteidigungsausschusses, Patricia Adam.

Um Deutschland nicht zu sehr in Verlegenheit zu bringen, erwarten Insider Kompromisse aus Paris, wie den Verzicht auf allzu kritische Aufträge. "Die starten sicher nicht mit Panzerlieferungen an Saudi-Arabien, weil Deutschland da widersprechen müsste", sagt Jean-Pierre Maulny, stellvertretender Direktor des Pariser Instituts für internationale und strategische Beziehungen. Zudem könne Frankreich damit leben, dass in bestimmte deutsche Technologien nur deutsche Manager Einblick haben.

Doch das dürfte sich mit der Zeit abschleifen. "Wenn sich die Öffentlichkeit an Kant gewöhnt hat und vielleicht am Ende gar die Familie Bode aussteigt, werden die Unterschiede zu anderen französischen Rüstungsunternehmen verschwinden", erwartet ein Branchen-Insider aus Frankreich.

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