Eastman Kodak ist pleite
„Als Erfinder muss man lange Zeit falsch liegen, um irgendwann Recht zu haben“, sagte einmal der Kodak-Angestellte Steven Sasson, in einem Interview aus dem Jahr 2006. Sasson erfand 1975 in den Forschungslaboren des Fotopioniers die erste digitale Kamera der Geschichte.
Er hatte aber Unrecht. Im Nachhinein betrachtet hatte Kodak zwar die richtige Technologie, aber war jahrelang die falsche Strategie gefahren. Nun ist Kodak Pleite. Dem Vermögen von fünf Milliarden Dollar stehen sieben Milliarden Dollar Verbindlichkeiten gegenüber. 131 Jahre Firmengeschichte stehen vor dem Aus.
Das Unternehmen, das einst eine Kamera für ein Dollar auf dem Markt brachte, hat den Trend in der Fotografie des neuen Jahrtausends verschlafen: die neue Kamera-Generation kommt ohne Kodakfilme aus. Im digitalen Zeitalter kann jeder „magische Kodak-Momente“ liefern: Kompaktkameras, Handys, Handhelds, sogar MP3-Spieler. In dieser Zeit ist das Fotografieren mit analogem Film zu einem Ritual nostalgischer Bohemiennes verkommen.
Die Kodak-Chronik
Der Amerikaner George Eastman gründete zusammen mit Henry Strong die Eastman Dry Plate Company, aus der elf Jahre später Kodak hervorgeht. Zunächst stellt das Unternehmen trockene Fotoplatten her.
Die erste Kodak-Kamera kommt auf den Markt. Dank der 1900 eingeführten "Kodak Brownie" wird das Fotografieren massentauglich, die Kamera zum Preis von einem US-Dollar ist für jeden Hobbyfotografen erschwinglich.
Kodak bringt den ersten Farbfilm auf den Markt, der auch für Hobbyfotografen geeignet ist.
Der Ingenieur Steven Sasson entwickelt die erste Digitalkamera für Kodak.
Kodak verliert einen Rechtsstreit um die Sofortbildkamera gegen Konkurrent Polaroid. Das führt neben der Strafe in Milliardenhöhe zu einem bedeutenden Imageverlust und gilt als der Wendepunkt in der Geschichte des Foto-Riesen.
Das Unternehmen erzielt einen Rekordumsatz von 19,4 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig bringt Kodak mit der "DC-100" die erste Digitalkamera in den Handel. Massentauglich ist sie nicht - das Modell kostet 25 000 Mark.
Kodak stellt den Verkauf von Kleinbildkameras ein, um sich ganz auf den Markt zu konzentrieren.
Kodak schreibt das vierte Jahr in Folge rote Zahlen.
Am 19. Januar 2012 stellte Kodak einen Insolvenzantrag gemäß Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts. Das Unternehmen stellte die Produktion von Digitalkameras, Diafilmen, des Schwarzweiß-Films Kodak P3200 T-Max, Videokameras und digitalen Bilderrahmen ein und kündigte an, sich auf das Druckergeschäft konzentrieren zu wollen. Die Onlineplattform Kodak Gallery wurde an den Konkurrenten Shutterfly verkauft.
Am 3. September 2013 verkaufte Kodak seine Filmproduktion und gab damit das ehemalige Kerngeschäft auf. Am gleichen Tag wurde Kodak aus dem Gläubigerschutzverfahren entlassen. Das neue Unternehmen Kodak Alaris entstand.
Dabei war Kodak durchaus ein eifriger Erfinder im Bereich der digitalen Fotografie. „Kodak hat den ersten Megapixel-Sensor erfunden, die erste Kamera mit hoher Resolution, die digitale Kompression“, zählte Sasson im Interview eifrig auf. Gewiss, Kodak erfand zahlreiche Technologien, doch das Geld damit verdienten die anderen. HP und Canon, Nikkon und Panasonic eilten dem alten Fotopionier davon.
Als letzte Waffen dienen die Patente
Und so ist es nicht verwunderlich, dass zu guter Letzt das Tafelsilber unter den Hammer kommen sollte: die Patente. Kodak Chef Antonio Perez stimmte das noch vor kurzem zuversichtlich. Man wolle die 1100 Patente veräußern, verkündete er im Sommer 2011, um sich Liquidität zu verschaffen. Zu dem Zeitpunkt war Kodak nur noch ein Schatten seiner selbst. Mit dem Verkauf von Druckern versuchte sich das Traditionsunternehmen vom allmählichen Niedergang zu retten, doch die Gewinne in diesem Bereich kompensierten die Einbrüche im Kerngeschäft nicht. Die Umsätze befanden sich im freien Fall. 2011 schrieb Kodak einen Verlust von mehr als 230 Millionen Dollar. An der Börse wollte Kodak auch niemand mehr, schließlich drohte die New York Stock Exchange Anfang des Jahres 2012, das Unternehmen aus der NASDAQ-Listung zu nehmen, sollte die Aktie nicht bald deutlich über einem Dollar notieren.
Als letzte Waffe dienten also die Patente. Die Strategie schien erfolgversprechend. Experten bezifferten den Wert des geistigen Eigentums von Kodak auf bis zu drei Milliarden Dollar. Die Riesen der IT-Branche meldeten Interesse an: Apple, Google, Microsoft, Samsung standen Schlange. Doch die Verhandlungen kamen nicht voran. Die Sorge der potenziellen Käufer: sollte es zur Insolvenz kommen, könnten Gläubiger die wertvollen Patente für sich beanspruchen. Es wäre eine Investition voller Risiken geworden.
Kodak schien vor diesem Hintergrund die Nerven zu verlieren. Mitte Januar 2012 verklagte das Unternehmen Apple und HTC wegen Patentverletzung. Ein Tag vor dem Insolvenzantrag verklagte Kodak dann auch Samsung. Es war der letzte verzweifelte Schritt des Fotopioniers.