Kohle-Bergbau Kolumbiens Energiewende rückwärts

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Die Kohle geht in den Export

Die ganze Kohle geht in den Export. Kolumbien selbst setzt vor allem auf Wasserkraft. Die Regierung sieht den Kohlehandel als Schmierstoff für mehr Wachstum. Cerrejón hat einen Anteil am Weltkohlemarkt von vier Prozent. Mindestens sieben Züge bringen die Kohle jeden Tag auf einer 150 Kilometer langen Strecke zum Puerto Bolívar. Auf riesigen Frachtschiffen wird die Kohle dann zu den Hauptmärkten in Europa (39 Prozent des Exports) und dem Mittleren Osten (37 Prozent) gebracht.

Die Cerrejón-Kohle gilt als sehr gut, wegen der Konsistenz und des geringen Aschegehalts. Dennoch bleibt die Klimabelastung – Präsident Junguito setzt auf den Durchbruch der CCS-Technologie zur Abscheidung und unterirdischen Verpressung von CO2, die in Deutschland aus Angst vor risikoreichen „Kohlendioxid-Endlagern“ nicht durchsetzbar ist.

Der Preis je Tonne Kolumbien-Kohle liegt derzeit bei rund 80 Dollar, dazu kommen Frachtraten von 6,35 US-Dollar je Tonne. Wegen einer Förderdrosselung in China aus Umweltschutzgründen hat sich der Preis erhöht, was die Verstromung zum Leidwesen der Energieunternehmen teurer macht. Trotzdem lohnt aber keine Revitalisierung des Bergbaus.

In Cerrejón ist „alles ganz in Ordnung“

„Die geologischen Bedingungen sind in Europa weit ungünstiger, weil die am besten zugänglichen Lagerstätten schon vor 150 bis 200 Jahren abgebaut worden sind und die derzeit genutzten Lagerstätten einen Kilometer tief oder noch tiefer liegen“, betont der Geschäftsführer des Vereins der Kohleimporteure, Franz-Josef Wodopia. Von den Lieferanten der Kohle würden bestimmte Sozial- und Umweltstandards verlangt. Und wer Cerrejón besucht, denkt: alles ganz in Ordnung.

Weniger in Ordnung ist es aber draußen, zum Beispiel in der Stadt Hatonuevo, 25.000 Einwohner. Wer über Autos streicht, hat Kohlestaub am Finger, das Wasser in den Tanks ist mit einem Film überzogen. Und dann ist da das mit Rissen übersäte Haus von María Eugenia Palmezano (70). „Alles von Explosionen und Sprengungen.“ Immer wieder gingen auch Scheiben durch die Detonationen im Tagebau kaputt. Sie hustet.

Der „polvo negro“, der schwarze Staub, verursache Atembeschwerden, wegen der Mikropartikel. „Das Wasser hier kann man auch nicht trinken“, klagt Palmezano. Ob sie auch schon einmal von Cerrejón Geld oder andere Hilfe erhalten habe? „Ich? Nie, nicht einen Peso.“

Ganze Abteilungen sind laut Cerrejón aber damit beschäftigt, den Dialog mit 350 umliegenden Gemeinden zu führen, gerade auch mit den Wayuu-Indigenas, die immer wieder den Kohle-Zug blockieren, um Geld zu erpressen – oder um gegen die Folgen des Abbaus zu protestieren.

Zumindest gibt es wegen des Friedensprozesses in Kolumbien keine Attacken mehr der Farc-Guerilla, 35 Anschläge gab es seit 1991 gegen die Infrastruktur, beim schlimmsten verlor Cerrejón 42 Kohle-Waggons.

Der für den Dialog mit den Gemeinden zuständige Carlos Franco betont, jedes Jahr würden mehrere Millionen US-Dollar für eine bessere Wasserversorgung und Sozialmaßnahmen ausgegeben. Aber die Energiewelt entwickelt sich ohnehin Richtung Grünstrom, 2033 läuft die Konzession aus. Ob es dann noch so viel Steinkohle für die Welt braucht? Franco hat da so seine Zweifel. „Heute will ja auch keiner mehr ein Fax.“

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