Der US-Konsumgütergigant Procter & Gamble ist unerbittlich. Selbst Marken, mit denen der Pampers-, Gillette- oder Pantene-Hersteller mehr als eine Milliarde Dollar pro Jahr umsetzt, fallen in Ungnade, wenn sie nicht genügend Gewinn abwerfen oder eine klare Wachstumsperspektive bieten.
Zu diesen Underdogs zählt nun offenbar auch die deutsche Haarpflegemarke Wella, die die Amerikaner 2003 für 6,5 Milliarden Euro übernahmen und nun laut unbestätigten Meldungen wieder loswerden wollen. Als Interessent gilt der Düsseldorfer Wettbewerber Henkel, der seinerzeit ebenfalls Wella kaufen wollte. Beide Konzerne wollen sich dazu nicht äußern.
Kosmetikriesen: Henkel und Procter & Gamble im Vergleich
Umsatz und Gewinn der Kosmetikparten.
Quelle: Unternehmen
Produkte: Schwarzkopf, Syoss, Dial
Gesamtumsatz(in Mrd. Euro): 16,4
...davon Anteil an Kosmetika: 22%
...davon Umsatz mit Kosmetika(in Mrd. Euro): 3,54
...davon Gewinn mit Kosmetika(in Mio. Euro): 554
Produkte: Head & Shoulders, Pantene, Wella
Gesamtumsatz(in Mrd. Euro): 77,6
...davon Anteil an Kosmetika: 24%
...davon Umsatz mit Kosmetika(in Mrd. Euro): 18,2
...davon Gewinn mit Kosmetika(in Mrd. Euro): 2,6
Fest steht jedoch: Die gute alte Wella von 2003 existiert nicht mehr. Vom einstigen deutschen Vorzeigeunternehmen ist nur noch wenig übrig. Die Wachstumsaussichten sind bescheiden. Mit einer Übernahme würde sich Henkel-Chef Kasper Rorsted wohl die Gewinnmarge ruinieren.
Auf dem Papier passt Wella gut zu Henkel. Der Konzern besitzt mit Schwarzkopf zwar bereits eine Marke, die bei Friseuren weltweit reüssiert. Mit ihr haben die Düsseldorfer mittlerweile ein Netz von rund 80 Akademien um den Globus gespannt, in denen Friseure aus- und weitergebildet werden. Die größten Standorte sind in Shanghai, Tokio, Hamburg, Barcelona, London und Toronto.
Seelenloses Label
Doch das Friseurgeschäft ist vergleichsweise klein und umfasst mit einer knappen halben Milliarde Euro lediglich 15 Prozent des Umsatzes der gesamten Kosmetiksparte bei Henkel.
Damit liegen die Schwarzkopf-Salons sogar in Deutschland deutlich hinter den Kopf-an-Kopf-Konkurrenten L’Oréal und Wella. Selbst der japanische Kao-Konzern mit der Friseurmarke Goldwell rangiert noch vor den Düsseldorfern. Wella würde Henkel auf einen Schlag in Westeuropa und in einigen asiatischen Ländern an die Spitze in der Friseurbranche katapultieren.
Übernimmt Henkel die Wella-Produkte von P&G?
Weil die Marke nicht in das Geschäft mit Massenware passte, hat P&G Wella jedoch in den vergangenen Jahren stiefmütterlich behandelt. Der Außendienst wurde gnadenlos auf Effizienz getrimmt. Das sei zulasten der Besuche bei den Kunden und deren individuellen Betreuung gegangen, berichtet Ralf Osinski, Inhaber einer auf den Friseurmarkt spezialisierten Unternehmensberatung aus der Nähe von Koblenz. Das habe über die Jahre den guten Ruf von Wella in der Branche ramponiert.
„Seelenlose, geschniegelte Vertreter mit Anzug, Umhängetäschchen und Laptop unter dem Arm kommen im Friseurmarkt eben nicht gut an“, sagt Osinski.
„Es ist bei Wella viel Wert und Image zerstört worden“
Für ein Unternehmen steht der stilisierte Wella-Frauenkopf mit den wehenden Haaren ohnehin nicht mehr.
Die Aktie ist nach der Übernahme aus dem MDax verschwunden, die Produkte werden irgendwo in Fabriken von P&G produziert. Ein paar Hundert deutsche Mitarbeiter sind längst vom einstigen Firmensitz in Darmstadt in die Deutschland-Zentrale des US-Riesen nach Bad Schwalbach im Taunus gezogen.
Das frühere 60.000 Quadratmeter große Wella-Gelände liegt brach und soll Wohn-, Büro- und Gewerberäume aufnehmen. „Es ist bei Wella viel Wert und Image zerstört worden“, sagt eine ehemalige Henkel-Managerin, die das Friseurgeschäft bei Schwarzkopf aus dem Effeff kennt.
Damit hätte eine Übernahme für Henkel-Chef Rorsted voraussichtlich unangenehme Nebenwirkungen. Dem Dänen ist seit seinem Amtsantritt 2008 in eindrucksvoller Manier gelungen, die Marge des Konzerns von seinerzeit mageren zehn Prozent auf heute knapp 16 Prozent des Umsatzes zu heben, auf das Niveau großer Wettbewerber wie Unilever, L’Oréal oder P&G.
Auch in der Kosmetiksparte liegt die Gewinnmarge bei mehr als 15 Prozent. Die dürfte nach einer Übernahme von Wella sinken.
Lücke in der Karriere
Der kolportierte Kaufpreis von umgerechnet 6,5 Milliarden Euro, den P&G angeblich für Wella einstreichen möchte, entspräche nahezu exakt dem Kaufpreis von vor zwölf Jahren.
„Das ist Wella nicht mehr wert“, sagt Branchenexperte Osinski. Er sieht allerdings auch Kao aus Japan oder den niederländischen Unilever-Konzern als mögliche Käufer. Unilever war 2009 mit dem Kauf der Haarpflegemarke Tigi in das Geschäft mit Friseuren eingestiegen und könnte mit Wella ebenfalls einen gewaltigen Wachstumssprung hinlegen.
Doch Rorsted steht unter Druck, seine Erfolgsstory bei Henkel fortzuschreiben, und sei es, durch einen spektakulären Zukauf. Der letzte – der des US-Klebstoffriesen National Starch – liegt fast sieben Jahre zurück und geht auf das Konto seines Vorgängers Ulrich Lehner.
Dem Dänen fehlt ein ähnlicher Coup in seiner Karriere am Rhein noch.