Krauss-Maffei Wegmann Rüstungsriese manövriert sich ins Abseits

Der Streit um den Export von Kampfpanzern nach Saudi-Arabien offenbart, dass Deutschlands fünftgrößte Waffenschmiede den Strukturwandel in der Rüstungsindustrie verschlafen hat.

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Deutschlands größte Waffenschmieden
Platz 6: MTU2010 machte der Konzern 486 Millionen Euro Umsatz mit Rüstungsprodukten. Das entspricht 18 Prozent am Gesamtumsatz. MTU Aero Engines stellt unter anderem Flugzeugtriebwerke für den Kampfjet Eurofighter her. Quelle: dpa
Platz 5: Krauss-Maffei Wegmann (KMW)KMW setzte 2010 gut 900 Millionen Euro mit Rüstungsprodukten um. Als einziger großer deutscher Waffenhersteller setzt KMW zu 100 Prozent auf Rüstung. Der Umsatz speist sich allein aus dieser Produktgruppe. Gemeinsam mit Rheinmetall baut Krauss-Maffei Wegmann unter anderem den Leopard 2-Panzer. Quelle: dpa
Platz 4: ThyssenKruppDer Konzern setzte 2010 1,2 Milliarden Euro mit seiner Rüstungssparte um. Damit macht der Bereich nur drei Prozent am Gesamtumsatz aus. Die ThyssenKrupp Marine Systems stellen die U-Boote U 212 und U214 her. Außerdem baut TKMS Fregatten und Minenräumschiffe.
Platz 3: DiehlDer Nürnberger Rüstungs- und Technikkonzern Diehl machte 2010 mit Rüstungswaren einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro. Damit machte der Verkauf von Raketen und Panzerketten knapp 27 Prozent am Gesamtumsatz aus. Quelle: dpa
Platz 2: RheinmetallIm Jahr 2010 setzte Rheinmetall mehr als zwei Milliarden Euro mit Rüstungsprodukten um. Der Konzern macht gut die Hälfte seines Umsatzes mit Rüstungswaren. Rheinmetall stellt neben dem Spürpanzer Fuchs weitere Panzerfahrzeuge sowie Flugabwehrsysteme, Munition und Elektrik her.
Platz 1: EADSMit einem Umsatz von 12.289 Millionen Euro im Rüstungsbereich im Jahr 2010 sichert sich das Raumfahrt- und Rüstungsunternehmen den ersten Platz. Der Anteil von Rüstungsprodukten am Gesamtumsatz beträgt knapp 27 Prozent. EADS baut den Eurofighter, den Truppentransporter A400M und den Kampfhubschrauber Tiger. Außerdem bietet EADS Überwachungssysteme, Elektronik und Raketen an. Quelle: Reuters

Wenn Manfred Bode in letzter Zeit auf Post aus Berlin wartete, dann bestimmt nicht auf diese. Gehofft hat der Aufsichtsratsvorsitzende des Münchner Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann (KMW) auf die endgültige Erlaubnis der Bundesregierung, dem Königreich Saudi-Arabien mehrere Hundert Exemplare seines Top-Modells Leopard 2 verkaufen zu dürfen.

Doch der luftgepolsterte, schlichte, weiße Din-A5-Umschlag aus der Hauptstadt enthielt eine Mischung aus Sarkasmus und Drohung – eine Patrone. Eingewickelt war das Geschoss in einen ausgefransten Zettel mit dem Appell, den Panzerdeal abzublasen. Absender war eine Gruppe Berliner Friedensaktivisten namens „Zentrum Für Politische Schönheit“. Ähnliche Umschläge erhielten die 34 übrigen Gesellschafter, denen der in München und Kassel ansässige Panzerbauer KMW gehört.

Eklat im Ausschuss

Die explosiven Schreiben bringen KMW gleich doppelt in Bedrängnis. Erstens hassen die weltweit noch verbliebenen solventen Aufrüster wie die arabischen Ölstaaten oder China derlei auffällige Aktionen. Damit wird ein diskretes Okay der Politik für den bis zu zehn Milliarden Euro schweren Auftrag nicht leichter.

Zweitens treffen die Patronen per Post KMW an einer empfindlichen Stelle. Miteigentümer Burkhart Braunbehrens entlarvte den Gesellschafterausschuss als zerstrittenen Club, als er gegen den Deal öffentlich opponierte. Daraufhin wurde er laut Presseberichten aus dem Gremium gedrängt. Die Beteiligten wollen sich dazu nicht äußern. Braunbehrens regt außerdem eine Fusion mit Rheinmetall an. „Es wäre sinnvoll, wir würden den Weg mit Rheinmetall in eine gemeinsame AG gehen", sagte er einer großen deutschen Wirtschaftszeitung. Damit legt der Miteigentümer den Finger in eine große Wunde - stößt bei den anderen Gesellschaftern aber auf taube Ohren.

Der Streit im Gesellschaftergremium offenbart, wie dringend Deutschlands fünftgrößte Waffenschmiede das Saudi-Geschäft braucht, weil sie den Wandel verpasst hat. Das in München und Kassel ansässige Familienunternehmen hat auf die Veränderungen in der Rüstungsbranche praktisch nicht reagiert. Während Waffenbrüder wie Diehl auch von Zivilgütern oder Sicherheits-High-Tech leben, setzt KMW noch größtenteils auf Ballermonster des Kalten Krieges wie Kampfpanzer à la Leopard. Die sind jedoch kaum noch abzusetzen. Altkunden wie die Bundeswehr brauchen das schwere Kanonenzeug entweder nicht mehr oder können es sich nicht leisten. Und Exporte brauchen die Genehmigung der Bundesregierung.

So dürfte nach Meinung von Experten der Deal mit den Saudis, so er zustande kommt, vermutlich der letzte dieser Größe für KMW sein. Das gilt umso mehr, seit die arabische Klerikal-Diktatur im vorigen Jahr im Nachbarland Bahrain das tat, wozu deutsche Waffen tunlichst nicht eingesetzt werden sollen: mit Panzern trieb sie demonstrierende Demokraten auseinander. „Nun könnte sich der Verkauf sehr lange hinziehen oder gar ganz kippen“, fürchtet ein Unternehmenskenner.

Der Grund für den Schwund

Vor dem Abschuss? Ein KMW-Panzer des Typs

Das könnte für KMW bedrohlich werden. Zwar zählt die Waffenschmiede laut Presseberichten im Jahr 2011 mit einer Rendite von knapp zehn Prozent des Umsatzes von 936 Millionen Euro zu den profitabelsten Rüstungsbetrieben der Welt. Doch laut Insidern brachte das Auslaufmodell Panzer das Gros des Gewinns. Und nicht zuletzt wegen der Schwächen im Panzergeschäft brach im bislang letzten veröffentlichten Geschäftsbericht aus 2010 der Auftragseingang um drei Viertel ein.

Als wichtigsten Grund für den Schwund sehen Experten hausgemachte Versäumnisse. „Die klassische Rüstungsbranche gibt es fast gar nicht mehr“, sagt Christian-Peter Prinz zu Waldeck, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Michael Hessenbruch, Branchenexperte des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte, ergänzt: „Die Verteidigungsbranche in Deutschland steht zunehmend für High Tech sowie Sicherheitstechnologie und Produkte zur Terrorabwehr.“ Gerade der Markt für Systeme zur Terrorabwehr wie Überwachungstechnik dürfte explodieren: von heute rund 50 auf jährlich 800 Milliarden Dollar im Jahr 2020. Das wäre mehr als das klassische Waffengeschäft.

Die peinlichen Militärpannen
A Lockheed Martin Corp. F-22A fighter jet Quelle: REUTERS
The U.S. Marine Corps version of Lockheed Martin's F35 Joint Strike Fighter Quelle: REUTERS
Lockheed F-104 Starfighter Quelle: dpa/dpaweb
C-5 Galaxy Quelle: AP
A Canadair CL-215 plane lands beside a prototype of an A400M Airbus military plane Quelle: REUTERS
NH 90 twin engine, tactical transport and multi-role naval helicopter Quelle: REUTERS
Eurofighter Typhoon Quelle: REUTERS

Von Wettbewerbern lernen

Zwar bemüht sich KMW, zu diversifizieren, und versucht sich mit der Produktion von Schutzsystemen für Feldlager oder Brückenlege-Panzern für humanitäre Hilfsmissionen. Um künftig Panzerungen in Limousinen einzubauen, übernahm KMW im Frühjahr dieses Geschäft von dem ebenfalls verschwiegenen osthessischen Milliardär Lutz Helmig. Doch noch immer dominieren bei KMW aus Sicht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri die Offensivwaffen. „Darum fällt ihnen die Vermarktung schwerer als anderen“, sagt Sipri-Experte Paul Holton.

Das könnten die Eigentümer ändern, indem sie von Wettbewerbern lernen. „Deutschlands Rüstungsbranche hat Erfolg, weil sie durch Zivilgeschäfte das Risiko streut und konsequent mit High Tech enge Märkte dominiert“, sagt Kai Burmeister, bis vor Kurzem bei der IG Metall für die Branche zuständiger Vorstand.

Hilfe aus Brüssel

China holt im weltweiten Waffenhandel auf
Ein Panzer bei einer Militär-Parade in Venezuela Quelle: dapd
Menschen hängen eine algerische Flagge auf Quelle: REUTERS
Die deutsche Fregatte "Hessen" Quelle: dpa/dpaweb
 Die griechische Fregatte Salamis und zwei kleinere Marine-Schnellboote Quelle: dpa/dpaweb
Drei F/A-18 Kampfflugzeuge Quelle: REUTERS
Ein Soldat schaut durch das Zielkreuz eines Maschinengwehrs Quelle: dpa/dpaweb
Ein chinesisches U-Boot taucht ab Quelle: dapd

Wie das geht, zeigt die Diehl-Stiftung. Seit dem Ende des Kalten Kriegs haben die Nürnberger das Waffengeschäft auf ein Viertel vom Umsatz heruntergefahren. Dagegen dominieren Zulieferungen für die Autobranche oder Technik für die Smart Grid genannte intelligente Nutzung des Stromnetzes das Geschäft. Das sorgt nicht nur für eine privatwirtschaftlichere Kultur und mehr Kostenbewusstsein. „Die technischen Fortschritte im Zivilgeschäft fördern auch die Technologie im Rüstungsgeschäft – und umgekehrt“, sagt Unternehmenschef Thomas Diehl. Den Ansatz dazu hat KMW bereits. Stephan und Felix Bode, die Söhne von Aufsichtsratschef Manfred, leiten den Autozulieferer Wegmann aus dem unterfränkischen Veitshöchheim sowie Schleifring aus dem bayrischen Fürstenfeldbruck, die Übertragungstechniken für Kräne und Panzer baut.

Zweiter Ausweg aus der Panzerfalle wäre für KMW ein Umbau des eigentlichen Rüstungsgeschäfts. Das beginnt mit Direktinvestitionen in Importländern, wie Rheinmetall dies in Südafrika vorgemacht hat. Dazu kommen Produkte, die im Gegensatz zu Panzern weniger leicht als Kriegswaffen auszumachen sind wie der Unterwasserroboter SeaOtter von Atlas Elektronik, der auch in trübsten Gewässern mehrere Hundert Meter weit sieht.

Einzelteile statt Komplettpaket

Zu guter Letzt könnte KMW vermehrt Einzelteile bauen, weil die im Zweifel leichter ins Ausland zu verkaufen sind als komplettes Kriegsgerät. So liefert Rheinmetall eine besonders präzise Glattrohrkanone, und Autoflug aus Rellingen bei Hamburg lebt von extrem sicheren Panzersitzen, und „die müssen sogar die sonst bei Importen zurückhaltenden USA kaufen, wenn sie ihre Soldaten optimal schützen wollen“, sagt Daniel Darling vom US-Marktforscher Forecast International.

Beim Export des unauffälligeren Kriegsgeräts kann KMW zudem auch auf Brüssel hoffen. Die EU-Staaten haben schon 1998 einen gemeinsamen Verhaltenskodex zum Waffenexport abgesegnet. Längst wird an verbindlichen Standards gearbeitet – nicht zuletzt deshalb, weil Rüstungskonglomerate wie Thales und die EADS grenzüberschreitend produzieren. Friedensforscher warnen, dass die neuen europäischen Regeln eher weniger restriktiv werden – zum Ärger der Friedensaktivisten vom „Zentrum Für Politische Schönheit“, dafür zur Freude von KMW.

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