Krebstherapie Konkurrenz holt Pharmariesen Roche ein

Günstige Nachahmer-Präparate in der Bereich Krebstherapie machen dem Pharmakonzern Roche zu schaffen. Es drohen empfindliche Umsatzeinbußen, zudem ist unklar, ob Roche neue Medikamente rechtzeitig herausbringen kann.

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Für den Schweizer Pharmahersteller brechen ungemütlichere Zeiten an. Quelle: Reuters

Zürich Dem Schweizer Roche-Konzern steht wohl eine mehrjährige Durststrecke bevor. In der Paradedisziplin Krebstherapie, in der in den letzten Jahren kein Weg an dem Arzneimittelhersteller aus Basel vorbeiführte, zeichnen sich empfindliche Umsatzeinbußen durch günstigere Nachahmerversionen ab: Für die biotechnologisch hergestellten Medikamente MabThera, Herceptin und Avastin stehen sogenannte Biosimilars in den Startblöcken.

Und Experten sind skeptisch, ob Roche diese Lücke mit neuen Medikamenten und verbesserten Darreichungsformen oder Kombinationstherapien schließen kann. Denn die drei Arzneien stehen für rund 21 Milliarden Franken (18 Milliarden Euro) Verkaufserlöse oder gut 40 Prozent des Konzernumsatzes.

Die Konkurrenz jedenfalls bringt sich in Position. Mitte September wurde in Europa das Medikament Ontruzant der südkoreanischen Firma Samsung Bioepis zur Zulassung empfohlen – das erste Biosimilar für das Brustkrebsmittel Hercepin in Europa. Geprüft wird zudem die Marktfreigabe von Nachahmerversionen von Mylan und Partner Biocon sowie Celltrion. Das Blutkrebsmittel MabTheara hat in Europa bereits Konkurrenz durch Biosimilars von Celltrion und Novartis bekommen. Für beide Roche-Arzneien ist der Patentschutz in Europa schon länger abgelaufen, das gegen verschiedene Tumore eingesetzte Avastin verliert das Recht auf Exklusivität im kommenden Jahr. In den USA endet der Patentschutz für die drei Medikamente in den Jahren 2018 beziehungsweise 2019 – und Biosimilars stehen bereit.

Mit mehreren Anbietern von Nachahmerversionen könnten die Preise der Medikamente um mehr als 50 Prozent einbrechen, warnt Fondsmanager Rudi Van den Eynde vom Vermögensverwalter Candriam, der in Roche-Titel investiert hat. Zusammen mit den Marktanteilsverlusten drohen dem Konzern herbe Umsatzeinbußen. „Ich verliere das Vertrauen, dass sie sich den Weg herauskämpfen können“, sagte Van den Eynde. „Ich denke, schlussendlich wird ihre Pipeline nicht genügen, um vollständig auszugleichen was hier passiert.“

Die Experten der Ratingagentur Moody's schätzen, dass in Europa der Umsatz von Medikamenten mit Biosimilar-Konkurrenz im Schnitt um 30 Prozent pro Jahr zurückgehen wird. Vor allem in Nordeuropa seien die Preisabschläge mit bis zu 70 Prozent kräftig, wie es in einer Branchenstudie heißt.


Millioneneinnahmen stehen auf der Kippe

Einer Roche-Sprecherin zufolge spürt der Konzern bislang nur wenig von den MabThera-Rivalen. Herceptin-Biosimilars dürften gegen Jahresende erste Spuren hinterlassen. Roche-Chef Severin Schwan setzt darauf, dass die drohenden Einbußen mit neuen Medikamenten wettgemacht werden können. Der Konzern hat nach dem ersten Halbjahr seine Jahresprognose angehoben. Am kommenden Donnerstag will das Unternehmen Umsatzzahlen für die ersten neun Monate vorlegen.

Doch bei Roches erster Krebs-Immuntherapie Tecentriq und dem Leukämiemittel Gazyva gab es jüngst Rückschläge. Und das Medikament ACE910 zur Behandlung der Bluterkrankheit wartet zwar mit guten klinischen Resultaten auf, müsste sich nach einer Zulassung aber in einem hart umkämpften Markt behaupten.

Überwiegend positiv beurteilt wird Ocrevus zur Behandlung der Nervenerkrankung Multiple Sklerose. „Wenn man alles zusammenzählt, scheint Ocrevus ein Selbstläufer zu sein und der Rest ist gut – aber wohl nicht genug gut, um die potenziellen Einbußen von Herceptin, Avastin und MabThera restlos zu ersetzen“, sagte Candriam-Fondsmanager Van den Eynde.

Nicht genug mit der Bedrohung durch Biosimilars, stehen für die Schweizer weitere Millioneneinnahmen auf der Kippe. Denn jahrzehntelang spülten die sogenannten Cabilly-Patente, die zentral sind für die Herstellung von Antikörpern, Geld in die Kassen von Roche und des kalifornischen Gesundheitszentrums City of Hope. Auf geschätzt 800 Millionen Dollar summierten sich die Gebühren für die Technologie, die ein Team um den Forscher Shmuel Cabilly Anfang der 1980er-Jahre entwickelte, im vergangenen Jahr. Experten rechnen damit, dass im kommenden Jahr die Milliardenmarke geknackt wird – ein letzter Zuschuss für Roche, denn 2018 endet der Patentschutz.

„Es wird eine wesentliche Veränderung bei den Lizenzeinnahmen geben“, räumte eine Roche-Sprecherin ein. Lizenzgebühren steuern drei bis vier Prozent zum Umsatz der Pharmasparte bei, der im vergangenen Jahr 39 Milliarden Franken betrug.

Erschwerend für Roche kommt hinzu, dass das Unternehmen für neue Medikamente künftig selbst Lizenzgebühren und Umsatzbeteiligungen entrichten muss: Etwa an den US-Konzern Biogen für Ocrevus. Jefferies-Analyst Jeffrey Holford geht davon aus, dass Roche wegen all dieser Faktoren bis mindestens 2020 nicht in der Lage sein wird, seine Betriebsgewinnmarge zu verbessern.

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