Krim-Affäre Siemens überdenkt Engagement in Russland

Siemens denkt offenbar über Konsequenzen in seinem Russland-Geschäft nach, behauptet ein Insider. Trotz Sanktionen tauchten zwei Gas-Turbinen des Konzerns auf der Krim-Halbinsel auf. Siemens fühlt sich hintergangen.

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Der deutsche Technologiekonzern fühlt sich in der Russland-Affäre hinters Licht geführt und erwägt deswegen angeblich ein Ende des Engagements in Russland. Quelle: dpa

München/Moskau/Berlin Siemens denkt wegen der Affäre um die Lieferung zweier Turbinen auf die Krim einem Insider zufolge über Konsequenzen für sein Russland-Geschäft insgesamt nach. „Man muss überlegen, was das für unsere Beziehungen zu Russland bedeutet“, sagte die mit den Plänen vertraute Person am Dienstag. „Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Mindestens zwei Gasturbinen aus der Produktion eines Gemeinschaftsunternehmens von Siemens mit der russischen Power Machines waren auf der Halbinsel Krim aufgetaucht, die 2014 von Russland annektiert wurde und deshalb Wirtschaftssanktionen unterliegt.

Der deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, sagte der Nachrichtenagentur Interfax, wenn sich herausstelle, dass tatsächlich Siemens-Turbinen auf der Krim gelandet seien, werde das die Aussichten Russlands auf ausländische Investitionen empfindlich schmälern. „Es gibt allen Grund zu glauben, dass Siemens ernsthaft hinters Licht geführt wurde, und dass das Vertragsbruch war.“ Es sei Sache der russischen Behörden, dem nachzugehen.

Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft hat Siemens gegen den Vorwurf verteidigt, westliche Russland-Sanktionen unterlaufen zu haben. „Die Sanktionsauflagen werden von deutscher Seite strikt befolgt“, sagte der Geschäftsführer des Ostausschusses, Michael Harms, der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Bis heute sei noch kein bewusster Verstoß deutscher Unternehmen gegen Sanktionsauflagen bekannt geworden. „Kein deutsches Unternehmen kann es sich leisten, der Umgehung von Sanktionsauflagen verdächtigt zu werden. Auch im konkreten Fall tut die Firma Siemens alles, um zu erreichen, dass die Sanktionsauflagen eingehalten werden“, sagte Harms.

Der Ostausschuss ist die Interessenvertretung der deutschen Industrie im Russland- und Ostgeschäft. Er setzt sich seit langem für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen dem Westen und Russland ein, hat allerdings das Primat der Politik und deshalb auch die Sanktionen akzeptiert.

Siemens sieht sich als Opfer seines russischen Kunden. Die Regierung in Moskau steht auf dem Standpunkt, dass es sich um Turbinen aus russischer Produktion handele, die deshalb keinen Sanktionen unterlägen. Präsident Wladimir Putin hat versprochen, die Stromversorgung auf der ukrainischen Krim sicherzustellen, und will dort deshalb zwei Gaskraftwerke bauen. Siemens hatte die Turbinen eigentlich für Kraftwerke im südrussischen Taman geliefert, die aber nie gebaut wurden.

Der Münchener Technologieriese will Strafanzeige stellen und kritisierte, dass die Turbinen heimlich und gegen den Willen der Firma auf die Krim gebracht worden seien. Russland ist sehr bemüht, die annektierte ukrainische Halbinsel Krim mit Strom zu versorgen.

Nach Erkenntnissen von Siemens lagern zumindest zwei der vier Turbinen inzwischen in einem Hafen auf der Krim. Wo die anderen beiden sind, ist unklar. „Man muss besonnen sein, aber konsequent“, sagte der Konzerninsider. „Das muss eine sichtbare Wirkung auf bestimmte Konstellationen haben.“ Ob Siemens dabei auch an einen Rückzug aus der Zusammenarbeit mit Power Machines denke, wollte er nicht sagen. Siemens hält 65 Prozent an dem Joint Venture. Der Münchener Konzern ist minderheitlich auch an einer Firma mit dem Namen Interautomatika beteiligt, die die Installation und Wartung von Turbinen und ganzen Kraftwerken übernimmt - und das auch auf der Krim machen soll.

Der Technologiekonzern hat in Russland im Geschäftsjahr 2015/16 rund 1,2 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet, das sind zwei Prozent des Konzernumsatzes. In früheren Jahren war der Russland-Umsatz doppelt so hoch.

 

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