K+S Das steckt hinter der Anklage gegen die K+S-Manager

Die Staatsanwaltschaft erhebt wegen des Verdachts der unerlaubten Abfallentsorgung Anklage gegen hochrangige K+S-Manager. Nach Informationen der WirtschaftsWoche richtet sich die Anklage auch gegen Vorstandschef Steiner und Chefkontrolleur Bethke.

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Norbert Steiner, Vorstandsvorsitzender des Düngemittel- und Salzproduzenten K+S. Quelle: dpa

Werner Hartung, Bürgermeister von Gerstungen, ist ein gemütlicher Typ: Ein runder Bauch, ein treuer Blick und ein zottiger Schnauzbart, aus dem er sich den Kaffee wischt - so regiert der 62-Jährige seit zwölf Jahren die thüringische 6000-Einwohner-Gemeinde. Doch Hartungs Gemütlichkeit schwindet beim Blick aus seinem Arbeitszimmer. Vor ihm ragt der "Monte Kali" in den Himmel, so nennen sie den 220 Meter hohen, weißgrauen Kegel aus rund 200 Millionen Tonnen Kalisalzabfällen hier.

Und ein paar Steinwürfe entfernt plätschert, mehr Salzlake denn Fluss, die schmutzige Werra. Richtiggehend wütend wird Hartung, wenn es um den Unrat unter seinem Rathaus geht. In 500 Meter Tiefe unter dem Gemeindegebiet schlummern hier nach seinen Berechnungen 9,5 Millionen Kubikmeter Kalisalzlauge, im Plattendolomit, einer porösen Gesteinsschicht. Die Brühe hat der Dax-Konzern K+S dort hineingepresst.

Hartung wirft dem Unternehmen vor, mit der aufsteigenden Kalisalzlauge die Trinkwasserbrunnen der Gemeinde allmählich zu vergiften. Bereits 2008 stellte er deshalb Strafanzeige gegen unbekannt. Jetzt, mehr als sieben Jahre später, winkt dem Thüringer ein Erfolg - und K+S drohen ungemütliche Zeiten. Denn die Staatsanwaltschaft im benachbarten Meiningen hat den Rohstoffriesen mit 3,8 Milliarden Euro Umsatz und 14 000 Mitarbeitern zusammen mit dem Thüringer Landesbergamt als den großen Unbekannten in Hartungs Anzeige identifiziert. Die Staatsanwaltschaft hat die Anklageschrift bereits am Landgericht Meiningen eingebracht, die sie nun an die Angeklagten zustellt.

Kommt es zur Hauptverhandlung, dürfte dies K+S im Kern zu erschüttern. Auch wenn das Landgericht Meiningen die Namen der Beschuldigten offiziell noch nicht bestätigt sind, richtet sich die Anklage nach Informationen der WirtschaftsWoche gegen keine Geringeren als Vorstandschef Norbert Steiner sowie seinen Aufsichtratsvorsitzenden und Vorgänger Ralf Bethke, der das Unternehmen von 1991 bis 2007 leitete. In gleicher Sache richtet sich die Anklage gegen rund ein Dutzend weiterer K+S-Manager und -Angestellte. K+S-Chef Steiner, sein Vorgänger Bethke sowie rund ein Dutzend Mitarbeiter sollen, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft, daran beteiligt gewesen sein, dass K+S über Jahre hinweg Salzabfälle illegal unter der Erde entsorgt hat.

Zudem ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen drei Mitarbeiter des Thüringer Landesbergamtes. Ohne deren Mitwirken, so der Verdacht, hätte K+S die Kalisalzlauge nicht unter der Erde verschwinden lassen können. Stein des Anstoßes ist die Genehmigung der Behörde, an deren Rechtmäßigkeit die Staatsanwaltschaft zweifelt. Für die Eröffnung des Hauptverfahrens muss das Landgericht noch prüfen, ob hinreichender Tatverdacht besteht.

Bis zu zehn Jahre Haft möglich

Der Strafrahmen für die unerlaubte Abfallentsorgung reicht von der Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Bei einer besonderen Schwere des Delikts, wären sogar bis zu zehn Jahre Haft möglich. K+S erklärt auf Anfrage, das Unternehmen sei unverändert der Überzeugung, dass die erteilten Genehmigungen rechtmäßig seien, man halte die Vorwürfe für unbegründet. Es bleibe abzuwarten, gegen wen nach Abschluss der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben und ob das Landgericht Meiningen diese dann überhaupt zulassen werde. Das Thüringer Landesbergamt will sich nicht äußern. Dass es für K+S-Chef Steiner und Aufsichtsratschef Bethke eng werden könnte, zeichnete sich im September 2015 ab, als die Staatsanwaltschaft Meiningen und das Landeskriminalamt Thüringen zu groß angelegten Razzien gegen den Konzern ausholten.

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Dabei durchsuchten die Beamten Geschäftsgebäude von K+S in Thüringen, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie Privathäuser. Ob dazu auch die Domizile von Steiner und Bethke zählten, will die Staatsanwaltschaft Meiningen nicht bestätigen. Möglicherweise haben die Ermittler bald noch mehr mit K+S zu tun. Denn die WirtschaftsWoche hatte Einblick in den Inhalt eines E-Mail-Verkehrs zwischen hochrangigen K+S-Managern sowie zwischen K+S-Managern und einem Anwalt, der für den Konzern arbeitete. In den E-Mails ging es jedes Mal um die von Gerstungens Bürgermeister Hartung bekämpften weiteren Genehmigungen, die das Regierungspräsidium (RP) Kassel K+S zur Versenkung von Kalilauge in Hessen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Gerstungen, erteilt hatte. Dabei erwecken die Schreiben den Eindruck, als hätten K+S-Manager möglicherweise über das erlaubte Maß hinaus Einfluss auf die zuständigen Beamten im Regierungspräsidium Kassel gesucht. Der erste der Verdachtsmomente datiert aus dem Jahr 2009.

Damals versuchte Bürgermeister Hartung, die Versenkung der Kalilauge auch im benachbarten hessischen Teil des Plattendolomits zu stoppen, weil er ein Überschwappen der Brühe nach Thüringen befürchtete. Der von ihm mandatierte Anwalt Alexander Reitinger sollte dazu beim RP Kassel Informationen sammeln. Als K+S davon erfuhr, reagierte der damals zuständige Prokurist fast panisch. In einer E-Mail an einen K+S-Vorstand gab er sich besorgt, die Beamten im Kasseler RP könnten "kopflos" reagieren, wenn Hartungs Anwalt Reitinger bei ihnen erscheine. "Die haben Reitinger für nächste Woche auch einen Termin zur Akteneinsicht gegeben. Dies werde ich heute verhindern, denn es darf nicht passieren, dass Reitinger vor uns Einsicht in einen völlig unsortierten Verwaltungsakt bekommt", schrieb der K+S-Manager am 8. Oktober 2009 an seinen Vorgesetzten.

"Wer weiß, was da alles versteckt ist."

Sodann hielt der K+S-Manager fest, was er unternommen habe: Ein Anwalt des Konzerns und er hätten "Kontakt zum RP aufgenommen und hinterlegt, dass sie erst einmal alle Akten aus den Aspekt der Vertraulichkeit und eventuell Betriebsgeheimnisse durchsehen müssen, bevor an Reitinger herausgegeben wird". Die Intervention des K+S-Managers bei den Beamten hatte allem Anschein nach Erfolg. In einer Aktennotiz des von K+S beauftragten Anwalts findet sich der Hinweis, dass vier Tage nach der E-Mail, am 13. Oktober 2009, ein Mitarbeiter des RP Kassel bei ihm angerufen und den Termin zur Akteneinsicht verschoben habe. Als Gerstungens Anwalt Reitinger schließlich fast eine Woche später die Akten des Genehmigungsverfahrens einsehen durfte, fühlte er sich von den Beamten offenbar ausgebremst. In einem Schreiben knapp zwei Wochen später an das RP Kassel hielt der Anwalt fest, dass die Akten unvollständig gewesen seien. Das RP Kassel will zu dem E-Mail-Verkehr mit K+S und dem Anwalt des Konzerns keine Stellungnahme abgeben. Die Akteneinsicht sei gewährt worden. Was Inhalt einer Verfahrensakte werde, sei ausschließlich dem Ermessen der zuständigen Behörde überlassen. "Hinsichtlich der Erstellung und des Inhalts der Verfahrensakten fand unsererseits keine Beeinflussung statt." Der zweite Verdachtsmoment, der die Ermittler noch beschäftigen könnte, findet sich in einem E-Mail-Wechsel aus dem Jahr 2011. Darin teilt ein Anwalt, den K+S beauftragt hatte, Mitarbeitern des Konzerns mit, das Regierungspräsidium Kassel habe eine CD geschickt. Auf der seien die Akten der Behörde gespeichert, die die Erlaubnis für K+S zur weiteren Versenkung der Kalilauge in der Nähe von Gerstungen dokumentiere. Offenbar fürchtete der Anwalt, bestimmte Informationen in den Akten könnten irgendwann einmal ein Gericht bewegen, K+S die Erlaubnis zu entziehen.

Jedenfalls schrieb er an K+S: "Da die Versenkerlaubnis möglicherweise beklagt werden wird, müssen wir sicherstellen, dass die Akte 'sauber' ist, bevor Akteneinsicht genommen wird." Der von K+S beauftragte Anwalt wollte zu den Vorwürfen und dem E-Mail-Verkehr nicht Stellung beziehen. K+S sagt, von den E-Mails erst durch die WirtschaftsWoche erfahren zu haben. Der E-Mail-Wechsel stehe aber nicht im Zusammenhang mit der Versenkung in der Gerstunger Mulde von 1999 bis 2007. Das Unternehmen wollen "den Vorgang nun eingehend prüfen". Ein mögliches Verfahren würde K+S-Chef Steiner zu einer Zeit treffen, in der die Aktionäre dem Konzern in Scharen den Rücken kehren. Der 61-jährige Jurist hatte Anlegern rosige Zeiten versprochen, als er im Sommer 2015 ein Übernahmeangebot des kanadischen Konkurrenten Potash ablehnte. Der vorgeschlagene Kaufpreis von 41 Euro je Aktie, so Steiner seinerzeit, habe "den fundamentalen Wert von K+S nicht angemessen reflektiert".

Anleger weiten auf fallenden Aktienkurs

Nun aber notiert die K+S-Aktie bei 18 Euro, einem Drei-Jahres-Tief. Durch den starken Kursverfall droht möglicherweise schon in wenigen Wochen der Rauswurf aus dem Dax. Viele Hedgefondsmanager haben ihr Urteil längst gefällt und geliehene K+S-Aktien verkauft - in der Überzeugung, der Kurs fällt, und sie können die Papiere dann billiger erwerben, um sie zurückzugeben. Knapp ein Fünftel aller K+S-Aktien sind aktuell auf diese Weise leerverkauft, wie Börsianer sagen - ein Rekordwert. Bürgermeister Hartungs nächster Schritt dürfte dem K+S-Aktienkurs zumindest nicht förderlich sein: Er will, nach der Enthüllung des dubiosen E-Mail-Verkehrs, Wiedergutmachung. Seine Gemeinde hat bereits entschieden, von K+S und dem Land Hessen Schadensersatz zu fordern - unabhängig von dem, was die Staatsanwaltschaft letztlich entscheidet.

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