K+S Krisen+Sorgen statt Kali+Salz

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Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Trotz solcher Unklarheiten will der Konzern bis 2021 maximal zwölf Millionen Kubikmeter Salzlauge in tiefe Gesteinsschichten versenken. Das Regierungspräsidium in Kassel hat K+S nur eine Übergangsgenehmigung für kleinere Mengen erteilt. Ausgeweitet werden soll die erst, wenn die Folgen der Versenkpraxis abschätzbar sind. K+S hat dafür ein dreidimensionales Simulationsmodell eingereicht. Ob das seinen Zweck erfüllt, ist umstritten: Ein Wissenschaftler eines Prüfinstituts sagte, das Modell sei „nach wie vor nicht prognosefähig“. Inoffiziell heißt es aus der Behörde, das Verfahren ziehe sich in die Länge, weil K+S Unterlagen regelmäßig zu spät einreiche.

K+S sagt, dass es „keinen wissenschaftlichen belastbaren Nachweis“ gebe, „dass es durch die Versenkung zu nachteiligen Auswirkungen auf das Grundwasser“ kommen würde. Zudem teilt K+S mit, dass die Dauer des Genehmigungsverfahrens nichts „mit dem Abgabezeitpunkt der Unterlagen zu tun“ habe.

„K+S hat über Jahre eine Verzögerungstaktik bemüht und den Behörden mit dem Abbau von Arbeitsplätzen gedroht“, sagt Ronald Schminke, der für die SPD im niedersächsischen Landtag sitzt. Alternativen wie eine Verdampfungsanlage, mit der sich Rückstände angeblich fast völlig vermeiden lassen, habe der Konzern nie ernsthaft geprüft. „Die Versenkung war der billigste Weg, um die Brühe loszuwerden“, sagt Schminke. K+S bestreitet, dass die Versenkung der billigste Weg der Entsorgung wäre, und betont, „durch die Entwicklung und den Einsatz moderner Aufbereitungsverfahren die Menge an Salzabwasser seit Jahrzehnten drastisch gesenkt“ zu haben.

K+S sucht händeringend nach Alternativen

Doch seit der endgültige Entzug der Genehmigung droht, läuft die Suche nach Entsorgungsalternativen bei K+S offenbar auf Hochtouren. So berichtet Heiner Marx, Geschäftsführer von K-Utec, einem Hersteller von Verdampfungsanlagen, von seit Jahresbeginn intensivierten Gesprächen. K+S lässt indes wissen, dass der Konzern ein Untertagelager in einer Erdgaskaverne und in eigenen Bergwerken prüfe. Rasch umsetzen lassen sich solche Konzepte wohl kaum.

Auch ohne die Produktionsausfälle wegen Umweltproblemen verdüstern sich die Perspektiven des Konzerns. Schwer wiegt der Preisverfall bei Kali. Überangebot und sinkende Nachfrage haben den Preis von 490 Dollar pro Tonne innerhalb von drei Jahren auf 250 Dollar gedrückt. „Da kommt sehr viel Negatives zusammen. Der Kalipreis fällt, und bei den Umweltproblemen ist überhaupt nicht klar, was wann entschieden wird“, sagt Commerzbank-Analyst Lutz Grüten, der das Kursziel für die Aktie direkt nach der jüngsten Gewinnwarnung von 29 Euro auf 19,50 Euro reduziert hatte.

Vorstandschef Steiner will mit dem Legacy-Projekt gegensteuern, einer Kalimine in der kanadischen Provinz Saskatchewan. Rund drei Milliarden Euro hat K+S in die Mine investiert. Zwei Millionen Tonnen Kali soll die Mine jährlich fördern. Der K+S-Chef setzt auf einen „Kurssprung“ der Aktie, „spätestens zum Jahresende 2016, wenn wir die erste Tonne Kali in Kanada produziert haben“.

Vor zwei Wochen aber löste sich bei einem Unfall im Legacy-Werk ein rund 30 Meter hoher Behälter aus einer Verankerung. Menschen wurden nicht verletzt, doch ob der Starttermin 23. August gehalten werden kann, ist fraglich. Doch selbst wenn die Mine rechtzeitig in Betrieb gehen sollte, bleibt Anlegervertreter Hechtfischer skeptisch: „Legacy verschärft noch die hohen Überkapazitäten in der Branche; in der Folge könnten die Kalipreise noch weiter sinken.“

Beim Werk Werra ist der Schichtwechsel fast abgeschlossen. Vereinzelt kommen noch Kumpel aus dem Werkstor. „Kennen Sie ,GZSZ‘? Genau das spielen wir hier: Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, sagt einer. Derzeit ist es wohl eher eine Episode der „schlechten Zeiten“ für K+S und die Beschäftigten.

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