KTG Agrar Wirtschaftsprüfer widerrufen Testat vom Geschäftsbericht

Die Wirtschaftsprüfer des Pleitekonzerns KTG Agrar haben ihr Testat widerrufen. Die Einsicht kommt spät: Sie zweifelten schon vor der Pleite an der Solidität des Agrarkonzerns.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
KTG Agrar Vorstandschef Hofreiter Quelle: Werner Schuering für WirtschaftsWoche

In Deutschland war es längst dunkel, da kam am Donnerstag um 21.45 Uhr die Nachricht: „Veröffentlichung einer Insiderinformation“. Die neuen Chefs des insolventen Agrarkonzerns KTG Agrar gaben darin der Öffentlichkeit preis, dass die Hamburger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Möhrle Happ Luther ihre Testate für den KTG-Jahresabschluss sowie den Konzernabschluss 2015 widerrufen habe. Die Prüfer wollten klarstellen, dass Vermögensgegenstände, die sie noch zwei Monate vor der Pleite als werthaltig testiert hatten, wohl doch nicht werthaltig waren. Auf Wirtschaftsprüfer-Deutsch klingt das dann so: „Der Rechtsschein der Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen zum Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerkes am 12. Mai 2016“ solle „vor Einleitung eines Insolvenzverfahrens beseitigt werden“.

Die Wirtschaftsprüfer des seit Anfang Juli insolventen Unternehmens geraten damit tief in den Strudel der Pleite – denn sie haben Unterlagen zufolge, die der Redaktion vorliegen, schon vorher an der Solidität des Agrarkonzerns gezweifelt und ihr nun widerrufenes Testat dennoch verliehen.

Die Prüfung hat zu „keinen Einwendungen“ geführt

Der Reihe nach: Zunächst klang das Urteil Mitte Mai, als der KTG-Geschäftsbericht finalisiert wurde, mehr als solide. Die Prüfung habe zu „keinen Einwendungen“ geführt, nach den gewonnen Erkenntnissen vermittele der Konzernabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Da alles in Ordnung schien, erteilten die Wirtschaftsprüfer der Kanzlei Möhrle Happ Luther KTG Agrar am 12. Mai 2016 ein uneingeschränktes Testat.

Doch nach der Pleite ließ Möhrle Happ Luther das Testat von mandatsunabhängigen Wirtschaftsprüfern überprüfen. Ergebnis: In einem Brief an KTG Agrar aus August stellte Möhrle Happ Luther plötzlich klar, dass die Prüfer das uneingeschränkte Testat erst nach intensiver Diskussion vergeben hätten. Demnach hinterfragten die Prüfer noch Anfang Mai die Werthaltigkeit von Forderungen, die KTG gegen den Getreidehändler KTK hatte. Die beliefen sich auf rund 80 Millionen Euro – gemessen am KTG-Agrar-Umsatz von 326 Millionen Euro ein gigantischer Betrag.

Für problematisch hielten die Prüfer unter anderem die ungewöhnlich „hohen rechnerischen“ Zahlungsfristen von über 400 Tagen. Im Lauf der Prüfung sei der Sachverhalt „mehrfach intensiv“ mit einem KTG-Mitarbeiter erörtert worden, heißt es in dem Brief. Da Anfang Mai noch Nachweise fehlten, habe Möhrle Happ Luther den Aufsichtsrat darüber informiert, „dass wir ohne schriftliche Darlegung zum Sachverhalt der Werthaltigkeit“ der Forderungen kein uneingeschränktes Testat erteilen könnten.

Anleihe: KTG Agrar

Plötzlich kamen Dokumente über Sicherheiten in Höhe von 150 Millionen Euro

Daraufhin bekamen die Prüfer Dokumente über Sicherheiten in Höhe von 150 Millionen Euro. „Diese wurden durch eine schriftliche Auskunft des Wirtschaftsprüfers der KTK-Gesellschaften, Dr. Klüber, ergänzt, der uns die Existenz und Werthaltigkeit der Sicherheiten bestätigte“, heißt es im Brief.

von Mario Brück, Henryk Hielscher, Annina Reimann, Cordula Tutt

Da hat er sich wohl geirrt. „Die Forderungen gegen KTK müssen wohl komplett abgeschrieben werden“, sagt Anwalt Stefan Denkhaus, der nach der Pleite als Sachwalter über die Geschäfte von KTG wacht. Möhrle Happ Luther und KTK-Prüfer Wolfram Klüber wollten sich mit Hinweis auf ihre Pflicht zur Verschwiegenheit nicht zu den Vorgängen äußern.

Heute bangen 500 Mitarbeiter um ihre Jobs, das Geld von 10.000 Anlegern, die KTG Agrar 342 Millionen Euro geliehen haben, ist größtenteils verloren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-KTG-Chef Siegfried Hofreiter, weil er die bereits prekäre Lage des Konzerns womöglich falsch dargestellt hat. Hofreiter schweigt dazu.

Klar ist aber schon jetzt: Für viele der Beteiligten dürfte die Sache ein Nachspiel haben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%